Eistanz:Plötzlich nicht mehr da

GER Eiskunstlauf 47 Nebelhorn Trophy 2015 Eistanz Kür 26 09 2015 Eissportzentrum Oberstdorf; Sevan Lerche Jennifer Urban Eistanz

Zuletzt im Aufwind: Sevan Lerche und Jennifer Urban landeten auf de zweiten Platz bei der deutschen Meisterschaft 2014.

(Foto: Hafner/imago)

Der Oberstdorfer Sevan Lerche, 22, wirft hin, Jennifer Urban steht ohne Partner da - der Eistanz bleibt für die DEU eine problematische Disziplin.

Von Patrick Reichardt

Man stelle sich vor, ein 22 Jahre alter Profifußballer aus der Bundesliga überlegt es sich im Weihnachtsurlaub einfach mal anders. Statt Trainingseinheiten, Rückrundenvorbereitung, Reisen und dem Kampf um die Meisterschaft plötzlich - nichts. Er kehrt nach einer Verletzungspause einfach nicht mehr zurück zur Mannschaft. Was im Fußball und vielen anderen Sportarten ziemlich unvorstellbar ist, wurde für die Deutsche Eislauf-Union (DEU) im neuen Jahr mal wieder zur Realität. Der Verband muss 2016, was auf dem Weg zu den nächsten Olympischen Spielen nicht unwichtig ist, plötzlich ohne das Eiskunstlauf-Duo Jennifer Urban, 22, und Sevan Lerche, 22, auskommen.

Die Kaderbesetzung und Nominierung wird der DEU oft um ein Vielfaches schwerer gemacht als anderen Verbänden. Der Verband verfügt zwar über talentierte Athleten und Paare, muss aber auch immer wieder Rückschläge und Rücktritte hinnehmen. "Meine langjährige Erfahrung hat mir gezeigt, dass man dafür jederzeit bereit sein sollte", sagt Trainer Rostislav Sinicyn, der die beiden betreute.

"Wir sind sehr enttäuscht, dass er sich nicht mal gemeldet hat."

In der Disziplin Eistanz, immerhin seit 1976 in Innsbruck olympisch, wird das Duo Urban und Lerche keine deutschen Hoffnungen mehr erfüllen können. Beide befanden sich zuletzt im Aufwind und untermauerten dies mit einem zweiten Platz bei der deutschen Meisterschaft 2014. Als Grund für das überraschende Aus nannten die Verantwortlichen eine Fußverletzung Lerches, nach der er nicht mehr ins Training zurückgekehrt sei. "Nach Rücksprache mit dem Arzt entschied er sich, seine Karriere zu beenden", erklärt Sinicyn. Lerche habe beim Training immer wieder Schmerzen gespürt.

Der Verband reagierte auf das plötzliche Aus zunächst ziemlich verärgert: "Wir sind sehr enttäuscht, dass er nicht weitermachen will und sich nicht mal gemeldet hat", sagte Sportdirektor Udo Dönsdorf in einem ersten Statement. Die DEU habe schließlich ihm "mit viel Aufwand eine Bundeswehrstelle vermittelt". Dass sportlich ambitionierte Paare in jungen Jahren und überraschend aufhören, ist für die DEU indes nichts Neues. "Uns bleibt nichts anderes übrig, als in solchen Situationen zu versuchen, neue Eistanzpaare zusammen zu stellen", erklärt Dönsdorf, der mit dieser Aufgabe bereits Erfahrung hat.

Urban soll ihre Karriere fortsetzen, die Frage sei nur, mit wem sie dies anstelle ihres bisherigen Partners Lerche machen wird. "Wir versuchen, einen neuen Partner für Jennifer zu finden. Doch das ist keine einfache Aufgabe", verdeutlicht der russische Trainer Sinicyn. Das Duo habe "zum engeren Kreis der Anwärter" auf Olympia 2018 in Pyeongchang gehört, sagt Dönsdorf.

40 Jahre wartet die DEU auf eine Olympia-Medaille im Eistanz

Der Eistanz ist für die DEU ohnehin kein einfaches Pflaster. Während die Frauen in Katarina Witt oder die Paare in Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler sowie jüngst Aljona Sawtschenko und Robin Szolkowy immer wieder schillernde Sportlerfiguren herausbrachten, wartet der Verband im Eistanz seit mittlerweile 40 Jahren auf eine olympische Medaille. Ein Gesicht dieser Disziplin ist in Deutschland nicht geblieben.

Zur anstehenden Europameisterschaft in Bratislava, die vom 25. bis 31. Januar stattfindet, müssen im Eistanz mal wieder neue Protagonisten her. Erst im vergangenen Jahr hörte das erfolgreiche Duo Nelli Zhiganshina und Alexander Gaszi, das immerhin sechs deutsche Meisterschaften sammelte, auf. Und nun also Urban und Lerche. "Sehr schade" findet das Dönsdorf, aber es müsse ja weitergehen auf dem Weg nach Südkorea in gut zwei Jahren. Kavita Lorenz und Panagiotis Polizoakis als deutsche Meister werden die DEU in der Slowakei ebenso vertreten wie Katharina Müller und Tim Dieck. Beide stehen "exemplarisch für eine gute Entwicklung", sagt Dönsdorf.

Dafür standen Lerche und Urban auch. Es ist eine Entwicklung, die abrupt zu Ende gehen kann. Patrick Reichardt

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