Eisschnelllauf-Weltcup in Erfurt:Sicher im Wohnzimmer

Eisschnelllauf: Weltcup

Saubere Schritte, 6:19,53 Minuten: Patrick Beckert läuft in Erfurt persönlichen Rekord.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Patrick Beckert und Nico Ihle bestätigen ihre Form und bereiten sich auf Olympia mit unterschiedlichen Plänen vor.

Von Barbara Klimke, Erfurt

In den vergangenen Tagen ist sich Patrick Beckert ständig selbst begegnet. Sein Bildnis, im hellblauen Rennanzug in perfekter Kurvenlage, leuchtete über den schneebedeckten Anger in der Erfurter Altstadt, prangte am Bahnhof und schmückte die Schaukästen am Thüringer Landtag. Beckert, 27, in Erfurt geboren, siebzehnmaliger deutscher Meister und zweimal WM-Dritter über die 10 000-m-Langstrecke, ist nicht ganz so berühmt wie Gunda Niemann-Stirnemann, die der Eislauf-Arena in Erfurt ihren Namen verlieh. Aber momentan genießt er den Status des besten Kufenspezialisten der Stadt, der in der Lage ist, mithilfe von Plakaten das interessierte Publikum in die Halle zu ziehen.

Am Wochenende ist ihm auf diesem Eis, in diesem Oval, das er seit Kindertagen kennt und über das er ein halbes Leben kreiselt, ein kleiner privater Bestlauf gelungen: ein Wohnzimmer-Rekord vor vollen Rängen sozusagen. Nie zuvor hat er auf seiner Heim-Bahn in einem Wettkampf die 5000-Meter-Strecke in 6:19,53 Minuten absolviert. "Das war die schnellste Zeit, die ich in Erfurt je gelaufen bin", stellte er zufrieden fest. Weder trübte es die Stimmung, dass das bei dem letzten vorolympischen Eisschnelllauf-Weltcup den fünften Platz bedeutete, noch konnte ihn der Fakt aus der Ruhe bringen, dass der Norweger Sverre Lunde Pedersen als Sieger in 6:14,66 Minuten den offiziellen Hallenrekord unterbot. Auch Beckert hat die zwölfeinhalb Runden auf schnelleren Bahnen oft schon viel fixer hinter sich gebracht. Wichtiger war ihm diesmal, ein technisch sauberes Rennen zu zeigen und dabei den Abstand zu den Besten gering zu halten.

Nicht einmal drei Wochen bleiben noch bis zur olympischen Kufenjagd in der koreanischen Küstenstadt Gangneung, und viele Athleten befinden sich längst in der Phase, in der subjektive Eindrücke, Kurvengefühl und Befindlichkeiten mehr Aussagekraft über ihren wahren Leistungsstand für sie haben als objektive Rundenzeiten. Beckerts Inzeller Kollege Moritz Geisreiter, der auch zu den Winterspielen reist, wurde über die 5000-m-Strecke Zehnter und befand, dass er nach einer anderthalbmonatigen reinen Trainingsphase nun einige Wettkämpfe nötig habe, "damit die Beine wieder locker werden". Im Gegensatz dazu strebt Beckert jetzt keine direkten Duelle mehr an und will stattdessen "die Füße hochlegen". Zweimal hat er schon an Winterspielen teilgenommen, in Sotschi war er Sechster über 10 000 Meter, und sein Gefühl sagt ihm: "Ich bin in diesem Jahr in der besten Form, die ich je hatte."

Wie Beckert, so war auch Nico Ihle völlig im Reinen mit sich, als er am Sonntag in Erfurt über die Ziellinie glitt. Gleich vier Weltcup-Rennen binnen zwei Tagen, je zwei über die 500 und 1000 Meter, hatten die Sprinter zu meistern, und für Ihle, den WM-Zweiten von 2017, ging es nach einem missglückten Auftakt am Freitag vor allem darum, den Eindruck des "Stammellaufs" zu korrigieren, wie sein Chemnitzer Trainer Klaus Ebert die ersten 500 Meter nannte. Schon nach zwanzig Metern hatte er mit der Kufenspitze ins Eis gehackt, was sich auf seine Vorwärtsbeschleunigung so ähnlich auswirkte, als sei er versehentlich im Porsche auf die Bremse gestiegen. "Ein primitiver koordinatorischer Fehler", analysiere Ebert, "aber wir sind noch im Training, da kann das passieren."

Für Olympia, so befand der Coach, sei die Basis gelegt, und Ihle untermauerte den Eindruck am Sonntag mit einem trittsicheren zweiten 500-m-Lauf zu Platz fünf. Die beste Vorführung glückte ihm zum Abschluss über die zweiten 1000 Meter, als er in 1:08,98 Minuten über das Eis sprintete und als Vierter die Siegerehrung um drei Hundertstelsekunden verpasste. Vor heimischem Publikum, sagte er, hätte er gern vom Podium gewunken. Er will sich "jetzt im Training die letzte Frische holen". Erst im letzten Rennen, als der Weltcup für Beckert und Ihle schon beendet war, betrat dann Claudia Pechstein das Eis: Jene Frau, deren Foto auf den Plakaten im Stadtbild fehlte, die aber seit Jahren die Szene hierzulande bestimmt. Pechstein will in Korea ihre siebten Olympischen Winterspiele bestreiten und gehört auch mit 45 Jahren zum Favoritenkreis auf den 5000 Metern, auf ihrer Paradestrecke. In Erfurt lief sie die kürzeren 3000 Meter und kam, geschwächt durch einen Virusinfekt, in 4:11,04 Minuten auf den elften Platz, noch hinter Kollegin Roxane Dufter aus Inzell, die Zehnte wurde. "Es ist nichts Schlimmes passiert. Als es nicht ging, wie ich wollte, habe ich Druck rausgenommen", sagte Pechstein. Siegerin wurde die Kanadierin Ivanie Blondin.

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