Eisschnelllauf:Pechstein-Affäre beschäftigt Polizei

Neue Aufregung in der Dopingaffäre: Hamars Polizei ermittelt, ein Mitarbeiter der Pechstein-Agentur soll zu intensiv im Labor recherchiert haben.

Thomas Kistner

Polizeimeister Fremstan hat den Vorgang schnell zur Hand. Den Einsatzbericht von Freitag, 17. Juli, über das Entfernen des deutschen Störenfrieds Rafael J. aus dem Krankenhaus der norwegischen Stadt Hamar, dem die Klinikleitung später eine Anzeige hinzufügte. Weshalb die Chefin des Kliniklabors "im Moment nichts mehr zu der Sache" sagen will und auf die Polizei verweist. Die Sache: Der ungehobelte Auftritt eines Medienagenten im Kliniklabor.

Eisschnelllauf: In der Dopingaffäre um Claudia Pechstein gibt es neue Aufregung.

In der Dopingaffäre um Claudia Pechstein gibt es neue Aufregung.

(Foto: Foto: AP)

Als "Claudias Boyfriend" habe er sich bezeichnet vor den Beamten, die seine Personalien aufnahmen, bevor sie ihm die Tür wiesen. Das sagt Polizeisprecher Fremstan.

"Claudias Freund", von dessen Aktion die fünfmalige Olympiasiegerin Pechstein selbst erst auf SZ-Anfrage am Freitag erfahren haben will und von der sie sich klar distanzierte, hatte das Labor aufgesucht, in dem die Blutproben der Eisschnelllauf-WM im Februar in Hamar getestet wurden und in dessen Computer alle Originaldaten der WM für den Eislauf-Weltverband ISU gespeichert sind. Bei dieser WM hatte die ISU dreimal stark erhöhte Retikulozyten-Werte bei Pechstein ermittelt, für Fachleute ein massives Indiz auf Blutdoping.

Am 1. Juli wurde die Berlinerin von der ISU für zwei Jahre gesperrt. Pechstein zieht vor den Lausanner Sportgerichtshof Cas, der verhandelt im Herbst. Die Lage ist, dass die Athletin Entlastendes braucht.

Laut Polizeisprecher Fremstan erhielt das Revier an jenem Freitag, 20.35 Uhr, den Hilferuf einer Labor-Mitarbeiterin. "Die Frau sagte, sie traue sich nicht, das Krankenhaus zu verlassen, sie fühle sich von einem Mann bedroht, den sie uns beschrieb. Dieser Mann verfolge sie überall hin und wolle ihren Ausweis sehen."

Eine Weile zuvor, so berichteten Labormitarbeiter, sei der Fremde aufgetaucht und habe drei Codenummern präsentiert - die Codenummern der verdächtigen Pechstein-Proben von der WM im Februar. Er habe die kompletten Daten von Pechsteins WM-Proben gefordert und dabei ein besonderes Fachwissen über die Speicherkapazität der Analysemaschine offenbart, auch Geld sei geboten worden.

Die Labormitarbeiter riefen schließlich die Kollegin an, die als einzige Person Zugang zu den ISU-Daten im Laborcomputer hat. Die Frau hatte Urlaub, nun eilte sie in die Klinik und sah sich von dem Besucher bedrängt. Sogar ihre Kennkarte habe der Mann sehen wollen, heißt es aus Hamar und in ISU-Kreisen. Die Laborantin rief die Polizei.

Aus der Klinik verwiesen

"Gegen 20.45 Uhr traf die Polizeistreife ein, das Krankenhaus liegt vier Minuten von hier", sagt Fremstan. Die Kollegen hätten die Personalien des aufdringlichen Deutschen überprüft und ihn dann der Klinik verwiesen. "Ihm wurde gesagt, er kommt in Haft, falls er zurückkehren oder sich nahe der Wohnung der belästigten Frau aufhalten sollte."

Umgehend landete der Vorfall auch beim Eislaufweltverband ISU. Deren Anti-Doping-Beauftragter, der niederländische Professor Harm Kuipers, erklärte auf SZ-Anfrage: "Ich kann bestätigen, dass dieser Vertreter der Agentur Powerplay in Hamar aufgetreten ist und von der Polizei aus der Klinik entfernt werden musste. Ich kann auch bestätigen, dass die Klinik in Hamar eine Anzeige erstattet hat." Kuipers geht davon aus, "dass auch die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada informiert wird".

Und Polizeisprecher Fremstan sagt: "Das Hospital hat um Untersuchung gebeten. Wir werden ermitteln und den Report an die deutsche Polizei senden."

Auf der nächsten Seite: In wessen Firma der Hamar-Besucher arbeitet und wie sich Pechsteins Anwalt zu diesem Vorfall äußert.

Ein erstaunliches Kleinfirmen-Geflecht

Das Ende einer seltsamen Dienstreise des Geschäftsführers der Powerplay-Agenturfiliale Permedia. Diese "Powerplay", die Pechstein intensiv umgibt, ist ein erstaunliches Kleinfirmen-Geflecht. Der Powerplay-Permedia-Chef J. sagt zu seinem Hamar-Ausflug nur, er sei mit journalistischen Recherchen beschäftigt, die im Fall Pechstein der Wahrheitsfindung dienen sollen. "Im Rahmen dieser Tätigkeiten, über die ich zur Zeit im Detail keine Auskunft geben möchte, habe ich auch in Hamar recherchiert", sagt J.

Der oberste Chef der Powerplay heißt Ralf Grengel, er betreut die Eisschnellläuferin seit Jahren und ist Schwiegersohn von deren langjährigem Trainer Joachim Franke. Grengel ist es, der seine Klientin medial durch diese Krise zu steuern versucht. Zu seinem Mitarbeiter sagt er, der führe nur den Bereich journalistische Dienstleistungen.

"Natürlich wusste ich, dass er dort recherchiert hat. Das aber nicht nur in Hamar, auch andernorts. Er hat auch schon Material zusammengetragen, das ist seine Aufgabe in der Unternehmensgruppe. Wenn es im Laufe der Recherchen in Hamar Probleme gab, werden wir im Anschluss an meinen Urlaub darüber reden." Für besagte Unternehmensgruppe Powerplay finden sich auf der Website gerade mal fünf Personen, darunter eine Archivarin.

Anwälte gehen auf Distanz

Neben "Powerplay" hat Pechstein auch eine juristische Betreuung, die übt der Berliner Anwalt Simon Bergmann aus. Sportrechtliche Schützenhilfe erhält ihre Partei zudem von Fachmann Marius Breucker, der bislang die Wada in Deutschland vertrat, in dieser Causa aber den deutschen Eisverband DESG vertritt: Der ist offiziell "neutraler Beteiligter", ficht aber massiv für Pechstein.

Am Freitag distanzierten sich beide Anwälte von den Ereignissen in Hamar. Bergmann teilte mit, seine Mandantin habe den Agenten "weder beauftragt noch gebeten, für sie tätig zu werden, insbesondere Informationen zu beschaffen. Das Tätigwerden des Herrn, von dem unsere Mandantin erst jetzt erfahren hat, gehört mithin nicht zur Verteidigungsstrategie meiner Mandantin." Breucker erklärt: "Der geschilderte Vorgang ist der DESG bislang nicht bekannt und betrifft, wenn er zutrifft, offenbar auch nicht Vertreter oder Mitglieder der DESG." Die DESG wolle sich informieren und "nach Kenntnis des Sachverhaltes über das Weitere entscheiden".

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