Eiskunstlauf:Hanyu läuft Weltrekord, Weltrekord, Weltrekord

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Beeindruckend: Yuzuru Hanyu zeigt in Barcelona seine Vierfachkombinationen.

(Foto: Josep Lago/AFP)
  • Der Japaner Yuzuru Hanyu setzt im Eiskunstlauf neue Bestmarken.
  • Sein Erfolg zeigt, dass sich die Machtzentren der Sportart verschieben.
  • In Japan gibt es sogar Filme über den Athleten.

Von René Hofmann

Zahlen. Wenn es ums Eiskunstlaufen geht, sind Zahlen eigentlich nicht das Erste, was einem in den Sinn kommt. Und doch geht es in dem Sport zunehmend darum. Bis zu den Olympischen Spielen in Salt Lake City galt die 6,0 als das Maß aller Dinge. Nach den Notenschiebereien beim wichtigsten aller Wettbewerbe aber musste der Sport sein Wertungssystem ändern.

Es wurden Punkte eingeführt. Die Läufer können sie sammeln wie Eichhörnchen Nüsse vor dem Winter. Jedes gelungene Element, jede richtig gesetzte Schrittfolge bringt Zählbares. Die Leistungen sollen so besser vergleichbar werden. Ein Maximum gibt es nicht. Neue Bestmarken sind ständig möglich. Seit vergangenem Sonntag gibt es aber wieder so etwas wie das Maß aller Dinge. Es lautet: 330,43.

Die Ziffernfolge sammelte der Japaner Yuzuru Hanyu beim Finale der Grand-Prix-Serie in Barcelona. Schon im Kurzprogramm war ihm Einmaliges geglückt: Als erster Läufer überhaupt war er auf mehr als 110 Punkte gekommen (110,95). In der Kür kam er als Erster den 220 nahe (219,48). Und in der Addition übertraf er damit den eigenen Bestwert, den er erst Ende November in Nagano auf 322,40 geschraubt hatte, noch einmal deutlich.

Hanyu gibt einfache Erklärung für den Erfolg

Weltrekord auf Weltrekord auf Welt- rekord! So recht beschreiben kann der gerade erst 21 Jahre alt gewordene Hanyu seine außergewöhnliche Form selbst nicht. "Meine Punktzahl ist meine Punktzahl und meine Leistung ist meine Leistung", antwortete er nach dem Wettkampf sibyllinisch auf die Frage, wie ihm all die unglaublichen Sprünge geglückt seien. Sein simples Fazit: "Ich habe mich einfach gut gefühlt." Was Yuzuru Hanyu besonders auszeichnet, wenn er sich gut fühlt: Wie ansatzlos ihm die athletischen Elemente aus dem anmutigen Gleiten heraus glücken.

In der Kür hob Yuzuru Hanyu in Barcelona insgesamt achtmal ab. Jedes Mal landete er traumhaft sicher. Auch bei den drei Sprüngen, bei denen er in der Luft viermal rotierte: dem vierfachen Salchow, dem vierfachen Toeloop und dem in der Kombination mit einem weiteren Dreifach-Sprung dargebotenen zweiten vierfachen Toeloop. Ähnlich beeindruckende Sprungfolgen beherrschen andere auch. Aber bei keinem anderen wirken sie so mühelos. Zweiter in Barcelona wurde der Spanier Javier Fernández - mit mehr als 37 Punkten Rückstand. Der Weltmeister hatte schon vor der Kür geahnt: "Es ist egal, was ich mache. Ich werde Hanyu nicht übertreffen können."

Ungewöhnliches Beziehungsdreieck

Hanyu und Fernández - das ist eine interessante Beziehung. Die beiden haben den selben Trainer: den Kanadier Brian Orser. Der heute 53-Jährige war 1987 selbst Weltmeister. Er weiß also, wie schwierig es sein kann, zwei Weltklasse-Athleten gleichzeitig zu betreuen, weil ein jeder seine sehr speziellen Empfindlichkeiten gestreichelt haben mag.

In dem Punkt aber ist Yuzuru Hanyu offenbar mehr als pflegeleicht. Beim Kurzprogramm war er in Barcelona unmittelbar vor Fernández an der Reihe. Als er seinen formidablen Vortrag beendet hatte, reckte Hanyu kämpferisch die Faust. Mit der zur Schau gestellten Grimmigkeit aber war es vorbei, als Fernández sich für seinen Auftritt bereit machte: Da beruhigte Hanyu das Publikum mit einer beschwichtigenden Geste. In seiner Heimat gilt er nicht nur wegen solcher Szenen als Vorbild.

Hanyu stammt aus Sendai. Als im März 2011 ein Erdbeben das ganze Land erschütterte und ein verheerender Tsunami gewaltige Schäden anrichtete, da wurde auch seine Trainingshalle beschädigt. Mehr als ein Jahr lang war sie nicht zu benutzen. Hanyu wich nach Yokohama und Hachinohe aus, beteiligte sich aber auch an Spendensammlungen für die Tsunami-Opfer. In Japan hat er deshalb den Ruf eines Vorzeige-Sportlers.

Eiskunstlauf erfährt ungeahnte Beliebtheit

Nach seinem Triumph bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi - der einzigen Goldmedaille eines Japaners bei der Veranstaltung und das erste Eiskunstlauf-Gold für einen asiatischen Mann bei Olympia überhaupt - wurde er in seiner Heimatstadt Sendai mit einer Parade empfangen, zu der mehr als 90 000 Menschen kamen. Hierzulande mag der Eiskunstlauf zu einer Nischensportart verkommen sein. In Japan ist das gerade ganz anders. Hanyu ist als Werbefigur gefragt. Es gibt Hanyu- Filme zu kaufen. Und eine Autobiografie hat er auch schon vorgelegt.

Yuzuru Hanyus Aufstieg zeigt, wie schnell es gehen kann: Vor zwei Jahrzehnten hatte das Land noch kaum international renommierte Läufer. Im vergangenen Winter nun gewann ein japanischer Läufer die Nachwuchs-WM (Shoma Uno), ein anderer (Sota Yamamoto) wurde Dritter. Der Zweitplatzierte kam ebenfalls aus Asien: Es war der Chinese Boyang Jin.

Yuzuru Hanyu hat den Sport nicht nur in eine neue Dimension geführt. Er hat auch dazu beigetragen, dass sich die Machtzentren verschieben. Sein nächstes großes Ziel: die WM vom 28. März bis 3. April in Boston/Massachusetts.

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