Eisbären-Profi Sven Felski:Abschied nur auf Anraten der Ärzte

Nach 20 Jahren tritt das Berliner Eishockey-Idol Sven Felski ab - bei seinen Abschiedsworten herrscht Stimmung wie bei einer Beerdigung. Im Knie des 37-Jährigen ist mittlerweile alles kaputt, doch stets hat Felski die Schmerzen zugunsten seines Sports verdrängt. Nun wurden ihm die Prognosen der Mediziner zu düster.

Boris Herrmann, Berlin

Sven Felski tritt zurück

Der Abschied fällt ihm schwer: Sven Felski hört auf.

(Foto: dpa)

Er trägt einen schwarzen Anzug, eine Krawatte und eine randlose Brille. Seine Augen sind glasig. Er macht ein Gesicht, als müsse er auf seiner eigenen Beerdigung sprechen. Und so seltsam es klingen mag, ein bisschen empfindet er das wohl auch so. Sven Felski beginnt seine Abschiedsrede mit den Worten: "Das hier ist der schwerste Tag in meiner Karriere."

Das will was heißen. Der Mann ist schließlich 37 Jahre alt, wovon er 20 Jahre als Profi auf dem Eis verbrachte. Immer beim selben Klub, dem EHC Eisbären Berlin. Immer im Trikot mit der Nummer elf. In seiner Welt ist und war Felski ohne Zweifel das, was man eine Sport-Ikone nennt. Dort, wo der Nordosten Berlins in Richtung Brandenburg ausfranst, nennen sie ihn den "Bürgermeister von Hohenschönhausen".

Es muss ein seltsamer Zufall sein, aber wenn dieser Felski in den zurückliegenden Jahren nicht in einem Trauer-Anzug steckte, wenn er sein Trikot trug und sein kantiger Playoff-Bart allmählich die Konturen seines Gesichts verstärkte, dann sah er tatsächlich aus wie ein Eisbär.

Felski kämpft jetzt wirklich mit den Tränen. Ganz vorsichtig nähert er sich dem Tischmikrofon in der überfüllten Pressekammer der Mehrzweckhalle am Ostbahnhof. Dann gibt er sich einen Ruck und haut endlich raus, was ohnehin schon alle ahnen: "Aufgrund von ärztlichen Attesten und Berichten muss ich heute leider meinen Rücktritt verkünden."

Das linke Knie ist kaputt, endgültig. Das Kreuzband, das Innenband, der Meniskus, alles war schon einmal gerissen in diesem Knie, Felski hat trotzdem immer weitergespielt, als ob es keine Schmerzen gäbe. Er sagt, er liebe diesen Sport nun einmal, und da sei es nicht so einfach, zu sagen, "okee, dit war et jetze". Im Frühjahr hat er mit einem dicken Knie und unter Einfluss von reichlich Medikamenten seinen sechsten Meistertitel gewonnen. Das entscheidende Finale vor heimischem Publikum war sein 1000. Ligaspiel.

Praktikant in der Geschäftsstelle

Alle waren sich einig: Im Sport gibt es keinen besseren Moment, um eine Karriere zu beenden. Alle, außer Felski. Im Sommer trainierte er für seine 21. Saison. Erst mit monatelanger Verzögerung wird nun klar, dass sein 1000. Spiel doch sein letztes war. In dieser Saison stand er noch keine Minute auf dem Eis. Die Ärzte sagten, falls er es weiterhin versuche, müsse er damit rechnen, eines Tages gar nicht mehr laufen zu können. Da hatte er ein Einsehen.

Neben Felski auf dem Podium sitzen am Montag die beiden Eisbären-Geschäfts- führer Billy Flynn und Peter John Lee. Sie tragen ebenfalls dunkle Anzüge. Und jetzt, nach der überstandenen Tortur, klopfen sie Felski väterlich auf die Brust. Flynn ruft: "Kein Spieler hat mehr für seinen Klub und seine Stadt getan als der Felle." Lee verkündet, dass die Elf "vom Svenni" natürlich nicht mehr vergeben werde. Und natürlich werden die Eisbären ihren unangefochtenen Spitznamen-Rekordhalter weiterbeschäftigen. In welcher Funktion auch immer. "Dör griegt än Umschulung", lässt Lee in Deutsch-Kanadisch wissen.

Als sich Sven Felski zum zweiten Mal zum Mikro beugt, sagt er: "Wow, jetzt geht es mir besser. Hätte ich auch nicht gedacht, dass es mir so schwerfällt." Nun, da er über seine Zukunftspläne spricht, die offenbar im Wesentlichen darin bestehen, dass es noch keine konkreten Pläne gibt, wirkt er fast schon wieder gelöst.

Der 37-Jährige wird erst einmal als Praktikant in der Geschäftsstelle seines Klub mitarbeiten. Er soll sich ein bisschen im Management ausprobieren, im Nachwuchstraining aushelfen und all das erledigen, was sonst noch so anfällt. "Ich bin jetzt quasi die Monika der Eisbären", sagt Felski. Es ist das erste und einzige Mal, dass an diesem Tag gelacht wird. Dabei gibt es noch eine zweite gute Nachricht. Im Gegensatz zu manch anderem großen Sportler, der den besten Zeitpunkt zum Aufhören verpasst hat, wird Felski, der ewige Eisbär, ein Abschiedsspiel bekommen.

Sven Felski vermutet im Übrigen: "Es gibt ja sicherlich noch ein Leben nach dem Sport." Sein Blick verrät indes: Ganz sicher ist er sich da nicht.

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