Eishockey-WM:Zwischen Voltaire und Branntwein

Die Verantwortlichen des deutschen Eishockeys sind mit dem wirtschaftlichen Ergebnis der Heim-WM zufrieden. Das Geld wollen sie jetzt so investieren, dass sich ein Fehler aus dem Jahr 2010 nicht wiederholt.

Von Johannes Schnitzler, Köln

Der Samstag war "another great day for hockey", ein weiterer großartiger Tag für das Eishockey, sagte René Fasel. Warum? Das sagte Fasel nicht. Der 67 Jahre alte Schweizer ist Präsident des Weltverbands IIHF, man musste ihm einfach glauben. Franz Reindl, 62, der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), sagte: "Ich sitze hier mit einem Lächeln."

Fasel und Reindl saßen nebeneinander im Pressekonferenzsaal der Kölner Arena und bilanzierten die 81. Eishockey-WM, die am Sonntag zu Ende ging. Und es war nicht schwer zu erkennen, dass beide sehr mit sich und der Eishockey-Welt zufrieden waren. Henner Ziegfeld, Generalsekretär des Organisationskomitees, lieferte die Zahlen dazu. Ziel sei es gewesen, in Köln und am zweiten Standort Paris zusammen 600 000 Karten zu verkaufen; der Etat von rund 25 Millionen Euro speist sich zu 80 Prozent aus dem Ticketverkauf. "Aber wir haben viel mehr Karten verkauft als erwartet", sagte Ziegfeld, etwa 680 000 sollten es bis zum Finale werden. Damit ist die WM 2017 nach der in Prag und Ostrava vor zwei Jahren die zweiterfolgreichste der Geschichte. Dem DEB dürfte ein Gewinn von zwei bis drei Millionen Euro bleiben.

Ziegfeld sagte: "Wir sind komplett überwältigt. Ich bin mir sicher, dass der DEB so bald wie möglich eine neue Bewerbung abgeben wird." Hier verließ Franz Reindl das Lächeln für einen kurzen Moment.

Es werde "jetzt sicher zehn, elf, zwölf Jahre dauern bis zur nächsten Heim-WM", sagte der DEB-Präsident. Die Doppel- Bewerbung von Köln und Paris sei "ein Modell für die Zukunft". Überall sei "diese Herzlichkeit" zu spüren gewesen. Rund 1,3 Milliarden TV-Zuschauer sahen weltweit bei den 64 Spielen zu. Aber so eine WM sei auch "eine große Herausforderung". Nicht nur der Etat hat sich im Vergleich zur letzten Heim-WM vor sieben Jahren mehr als verdoppelt. Auch die Ansprüche stiegen.

Canada v Germany - 2017 IIHF Ice Hockey World Championship - Quarter Final

Und jetzt? Frank Hördler und das deutsche Eishockey wollen sich nicht mehr mit verlorenen WM-Viertelfinals wie gegen Kanada zufriedengeben.

(Foto: Martin Rose/Getty)

Kleinere Malaisen managt der Präsident selbst. Als immer wieder bei Spielen der slowakischen Mannschaft Probleme mit der Eisbereitung auftauchten, ging der DEB der Sache nach. Des Rätsels Lösung: Die Slowaken benutzten zur Kühlung ein glykolhaltiges Öl, "eine Art Franzbranntwein", sagte Reindl. "Und das hast du dann überall auf dem Eis." Künftig verboten. Erledigt. In der Affäre um Thomas Greiss gab der DEB ein weniger positives Bild ab. Der Torhüter, der in Amerika lebt, hatte im US-Präsidentschaftswahlkampf im sozialen Netzwerk Instagram Beiträge unterstützt, die Hillary Clinton mit Adolf Hitler verglichen. Das Thema war zur Mitte des Turniers aufgepoppt und hatte schnell die Runde gemacht. Der DEB schickte erst am Abend vor dem Spiel gegen Dänemark Vizepräsident Marc Hindelang vor die Kameras und Mikrofone. Der TV-Kommentator, ein Medienprofi, moderierte die Causa ab und zitierte zum Thema Meinungsfreiheit Voltaire. Das klang ein wenig überspannt. Aber auch sportlich streben die Deutschen nach zwei WM-Viertelfinal-Teilnahmen und der Qualifikation für die Olympischen Spiele nach Höherem.

Verlängert Bundestrainer Marco Sturm? Schon bald soll es erste Gespräche geben

Noch in diesem Jahr sollen mit Bundestrainer Marco Sturm Gespräche über eine Verlängerung seines Vertrags über die WM 2018 hinaus stattfinden. NHL-Verteidiger Dennis Seidenberg, der zuletzt vor neun Jahren bei einer WM für Deutschland aufgelaufen war, sagte: "Er hat sehr gut gecoacht. Jeder hat Spaß gehabt. Jeder will für ihn spielen." Wer wollte, konnte das als Kritik an Sturms Vorgängern interpretieren. Reindl sagte: "Wir dürfen nicht dieselben Fehler machen wie 2010." Damals erreichte die deutsche Mannschaft bei der Heim-WM Platz vier, "hinterher wurden dann die Fehler gemacht, aber da war halt der Uwe (Krupp; d. Red.) Bundestrainer an der Stelle von Marco Sturm." Krupp war es nie gelungen, enge Bande zu den Deutschen zu knüpfen, die in der US-Profiliga NHL ihr Geld verdienen. Einen anderen Fehler kann man ihm aber nicht vorwerfen: Reindl hatte vor Tagen selbst noch mal daran erinnert, dass man in der Vergangenheit "das Geld immer zum Löcher-Stopfen verwendet" habe, anstatt es in Nachwuchskonzepte zu investieren.

Das soll sich nicht wiederholen. Reindl weiß, dass der Aufschwung eng mit Sturm und den NHL-Feuerwehrmännern wie Seidenberg und Leon Draisaitl verknüpft ist. Darum sei es "wichtig, dass man das Geld, das wir jetzt einnehmen, in die Zukunft steckt". Deshalb gebe es das Sterne-Modell für die Nachwuchsleistungszentren, das Konzept Powerplay 2026, das Talente fördern soll. "Die Programme laufen", sagt Reindl. Noch in diesem Jahr soll es wieder einen Dialogtag mit den Klubs und der Liga geben, wohl vor Beginn der Saison. Zu bereden gibt es genug. Zum Beispiel, warum die DEL nach wie vor keine Aufsteiger aus der DEL2 zulässt. Ob er selbst für eine weitere Mission zur Verfügung steht, ließ Reindl offen: "Die Wahlperiode geht bis 2018, dann schauen wir weiter."

Schweden gewinnt das Finale von Köln

Schweden hat am späten Sonntagabend in Köln das WM-Finale gewonnen und Endspielgegner Kanada den erhofften Titel-Hattrick verdorben. Die Tre Kronor siegte mit 2:1 (0:0, 1:0, 0:1, 0:0, 1:0) nach Penaltyschießen und holte ihr zehntes WM-Gold. SZ

Uwe Krupp, der erste deutsche Stanley-Cup-Sieger, wurde am Sonntag übrigens neben Joe Sakic (Kanada), Dieter Kalt (Österreich), Angela Ruggiero (USA), Saku Koivu und Teemu Selänne (beide Finnland) in einer feierlichen Zeremonie in Köln in die "IIHF Hall of Fame" aufgenommen. Ein großartiger Tag für den gebürtigen Kölner.

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