Eishockey-WM: Fazit:Einstein. Endras. Granlund.

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Die Eishockey-WM in der Slowakei hat Momente hervorgebracht, an die man sich noch länger erinnern wird. Darunter ein deutscher Torwart, ein finnischer Schaufel-Artist und ein russischer Rüpel.

Michael Neudecker

Die Eishockey-WM in Kosice und Bratislava ging am späten Sonntagabend zu Ende. Es war aus deutscher Sicht eine erfolgreiche Veranstaltung, aber auch sonst eine interessante WM - fünf Gründe, warum man sich an dieses Turnier erinnern wird.

Fans.  (Foto: REUTERS)

My sme tu doma

Jede Fangemeinde hat ihre Schlachtrufe, und was die Slowaken betrifft, so hatten sie während dieser WM zwei, die täglich in einer wirklich beeindruckenden Lautstärke und Geschlossenheit in die Arena in Bratislava gebrüllt wurden. "Slovenskooo, heja, heja, heja Slovenskooo", das war der eine, eher typisch für Sporthallen, eingänglich in Melodie und Text.

Der andere war ein Sprechgesang, was die Wucht seiner Aussage noch verstärkte: "My sme tu doma!", das bedeutet in etwa: "Wir sind hier zuhause!" Die Slowaken riefen das immer, auch wenn die slowakische Mannschaft a) mal wieder zurücklag oder b) gar nicht spielte.

Dass sie ausgerechnet jetzt, zuhause, in Glen Hanlon einen komischen kanadischen Kauz als Cheftrainer hatten, den sie natürlich auch für das mäßige Abschneiden (Aus nach der Zwischenrunde) verantwortlich machten, war aber nicht so schön.

Auch nicht schön: Am Ende riefen die ebenfalls zahlreichen und die beinahe gleiche Sprache sprechenden tschechischen Fans dauernd "My sme tu doma". Da waren die Slowaken schon raus und die Tschechen im Halbfinale.

Eishockey-WM: Viertelfinale
:Zurück in der Eishockey-Welt

Nach dem besten Start in eine WM seit 1930 stiegen die Hoffnungen der deutschen Eishockey-Auswahl in unbekannte Sphären. Doch im Viertelfinale waren die Schweden zu stark. Deutschland verliert 2:5.

Das Spiel in Bildern

Das Denkmal und das Biest

Jewgeni Artjuchin (oben).  (Foto: REUTERS)

Nach einer Weltmeisterschaft erinnert man sich immer auch an die Spieler, die auffielen; in der Slowakei drängten sich zuvorderst zwei Akteure auf, in unterschiedlicher Weise. Zum einen der Russe Jewgeni Artjuchin, 1,96 Meter groß und 116 Kilo schwer ist er, und er wirkt in Aktion wie ein Eishockeyspieler gewordenes Tier.

Artjuchin hatte sich schon vorher in der Branche einen Namen als rücksichtsloser Rüpel gemacht, bei der WM in der Slowakei aber übertraf er sich selbst. Allein gegen die Tschechen verletzte er mit zwei heftigen Bodychecks innerhalb weniger Minuten zwei Spieler, der eine musste wegen einer Gehirnerschütterung mehrere Tage pausieren, der andere verließ die Partie mit einer Platzwunde am Hinterkopf.

Artjuchin war der unbeliebteste Spieler der WM, weshalb er in etwa das Gegenteil des anderen auffälligen Akteurs darstellte: Jaromir Jagr, 39 Jahre alt, ein Denkmal gewordener Eishockeyspieler. Jagr zeigte, dass man auch mit fast 40 noch spielen kann wie ein junger Gott. Mit seinem Team Tschechien gewann er Bronze (7:4 im Spiel um Platz drei gegen Russland), außerdem gelangen ihm fünf Tore, darunter ein Hattrick und zwei sogenannte Game winning goals: Respekt.

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Nemeckoooo

Der Weltverband IIHF veröffentlicht regelmäßig ein so genanntes Power Ranking, eine humorvoll geschriebene Auflistung der weltbesten Teams. Nach dem historischen Sieg der Deutschen gegen Russland - dem Auftakt einer historisch guten WM für Deutschland - wurde das Team von Bundestrainer Uwe Krupp mit seinem Torhüter Dennis Endras auf Rang drei geführt, Begründung: "Einstein. Beethoven. Endras."

Nach dem Sieg gegen die Slowaken sagte dann Jaromir Jagr, wer geglaubt habe, die Slowakei könne diese Deutschen schlagen, der sei verrückt. Im Viertelfinale gegen Schweden (das Deutschland verlor) wurden schließlich ein paar slowakische Fans in der Arena erwischt, wie sie "Heja, heja, heja Nemeckoooo" sangen. Nemecko ist slowakisch für Deutschland, das hat bei dieser WM jeder gelernt .

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Historia!

Das zweite Halbfinale, Finnland gegen Russland, 25 Minuten sind gerade vorbei, es folgt: eine Sternstunde des Eishockeys. Mikael Granlund aus Helsinki, 19 Jahre alt, steht hinter dem Tor der Russen, die mit Alexander Owetschkin aufliefen, einem der beiden besten Eishockeyspieler der Gegenwart, weshalb die Russen zu den Goldfavoriten zählten; Granlund aber hat keinen Respekt.

Er legt den Puck auf seine Schlägerschaufel, fährt um das Tor herum, die Scheibe liegt immer noch auf seiner Schaufel, Granlund hebt den Schläger und schleudert den Puck über der Schulter des Torhüters ins Netz.

Man hat so ein Tor schon mal gesehen, auf Youtube oder bei kanadischen Juniorenspielen, dort einmal sogar vom heutigen kanadischen Olympiahelden Sidney Crosby - aber im Halbfinale einer WM?

Im finnischen Fernsehen rastet der Kommentator vollkommen aus, er schreit, als müsste er nie atmen, und man hört zwischen all den finnischen ä- und r-Lauten immer wieder zwei Worte: Granlund! Historia! Finnland gewinnt 3:0 und kommt zum dritten Mal in den vergangenen zehn Jahren in ein WM-Finale. Es muss also nun heißen: Einstein. Endras. Granlund.

Hier gehts zum Tor von Granlund und dem finnischen Kommentator

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Freude, Freude, Freude

Noch mal zu den Slowaken. Überall in Bratislava hingen slowakische Fahnen und Plakate von Eishockeyspielern, in fast jedem Laden konnte man Fanartikel kaufen, die Altstadt war voller Menschen in Eishockeytrikots, und so ziemlich jeder hier trug etwas zur WM bei, Kellner, Taxifahrer, Zeitungsverkäufer.

Und dann das: Die WM war etwa eine Woche alt, da stand diese alte Frau auf einem Platz in der Altstadt und sagte - auf Deutsch, weil in Bratislava fast alle älteren Menschen Deutsch sprechen - sie habe schon davon gehört, ja, dass diese WM hier stattfinde, aber, Verzeihung, das interessiere sie nun überhaupt nicht.

Die ansonsten sehr nette Dame blieb mit dieser Meinung aber weitgehend allein, auch in der zweiten Woche. Die Freude der Slowaken darüber, erstmals eine WM austragen zu dürfen, war an jeder Ecke zu spüren, und nichts konnte diese Freude bis zum letzten Tag trüben. Nicht mal Glen Hanlon.

© SZ vom 16.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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