Eishockey-WM: Deutschland - Russland:Erster Sieg im 38. Versuch

Wie zum Teufel gewinnt man mit Deutschland gegen Russland? Das Team von Bundestrainer Uwe Krupp zeigt, wie es geht - und bezwingt den übergroßen Favoriten zum WM-Auftakt tatsächlich 2:0.

Michael Neudecker, Bratislava

Zunächst war da diese Zahl, wie ein großes, unumstößliches Ausrufezeichen: 37 Mal hatte Deutschland bei einer Eishockey-Weltmeisterschaft gegen Russland gespielt, 37 Mal hatte es verloren. In Bratislava, zum Auftakt der WM 2011, stand am Freitag Vergleich Nummer 38 bevor, und, gewiss, Russland trat ohne die Puckzauberer Alexander Owetschkin und Jewgeni Malkin an, die noch vergangenes Jahr bei der WM in Deutschland dabei gewesen waren.

Germany's Reimer celebrates with team mate Gogulla after scoring against Russia during IIHF World Championship match in Bratislava

Tor für Deutschland: Patrick Reimer (rechts) feiert mit Philip Gogulla.

(Foto: REUTERS)

Aber nun: Russland hat so viele Puckzauberer, Ilya Kowaltschuk zum Beispiel, der bei den New Jersey Devils die nächsten 15 Jahre insgesamt rund 100 Millionen Dollar verdient. Dass es jetzt also in Bratislava anders kommen könnte, dass die unheimliche Serie unterbrochen werden könnte: Es gab keinen Grund, daran zu glauben.

Und dann fuhr Thomas Greilinger vor das russische Tor, führte den Puck, drei, vier Meter, und dann schoss er. Der Puck flog, Russlands Torhüter Jewgeni Nabokow ging in die Knie, der Puck streifte ihn am Ärmel. Und trudelte über die Linie. Die Uhr hielt bei 24 Minuten und 19 Sekunden, Deutschland führte 1:0.

Auf der Bank stand Bundestrainer Uwe Krupp, er schmunzelte, es war so ein anerkennendes Schmunzeln, ein etwas ungläubiges auch. Russland ist hier einer der Titelfavoriten, wie immer, Deutschland ist Außenseiter, wie immer. Als die Uhr schließlich bei null hielt, war dieser Spielstand nicht mehr da oben auf dem riesigen Videowürfel zu lesen. Jetzt stand da: Deutschland 2, Russland 0.

Wenn man ganz oben saß in der Arena in Bratislava, dort, wo die Gruppe der deutschen Fans platziert war, dann war es ein bisschen so wie 2010. Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft wurde ja auch frenetisch bejubelt damals. Auch gegen Russland.

Kein Tag vergehe zurzeit, hat der Torhüter Dennis Endras kürzlich erzählt, an dem er nicht an diese 17 Tage im Mai 2010 denke, an denen das deutsche Eishockey für einen kurzen Moment so tat, als sei es keine Randsportart. Die Deutschen standen im Halbfinale damals, gegen Russland, eine übermächtige Auswahl, und sie waren nah dran, dieses übermächtige Russland zu bezwingen.

Sie verloren dann doch 1:2, aber dieses Halbfinale 2010 hat Deutschlands Nationalspielern Selbstbewusstsein gegeben. "Wir haben noch die breite Brust vom letzten Jahr gehabt", sagt Endras, als er nach dem Spiel in den Katakomben steht. Er wird von Reportern umlagert, slowakischen, russischen, englischsprachigen, und alle wollen sie von ihm, der zum besten Spieler des Abends gekürt worden war, vor allem eines wissen: Wie zum Teufel gewinnt man mit Deutschland gegen Russland?

Eine Schmach

Er habe immer das gleiche geantwortet, sagt Endras: "Wir waren über vierzig Minuten das bessere und über sechzig Minuten das härter arbeitende Team." Eine sachlich klingende Analyse, die aber doch auch irgendwie zutraf. Russland agierte zwar durchaus druckvoll, kam zu Torchancen. Deutschland aber spielte mit, zumindest auf Augenhöhe, frech, unbekümmert, und als Kai Hospelt in der 44. Minute den Pfosten traf, da schüttelten einige der zahlreichen russischen Fans in der Arena den Kopf. Das 2:0 wäre ja nicht einmal unverdient gewesen - nach zwei Dritteln hatten die Statistiker 22 Schüsse für Deutschland gezählt, 19 für Russland.

"Die Russen waren nicht scharf heute", sagt Bundestrainer Krupp, als Endras längst duschen ist, "sie haben unter ihren Möglichkeiten gespielt." Auch das traf zu, allerdings: Eine Niederlage gegen Deutschland? Eine Schmach, die die Russen nicht zulassen wollten. Im letzten Drittel warfen sie alles nach vorne.

Kowaltschuk zum Beispiel, er dribbelte, dribbelte, elegant sah das aus, und manchmal schoss er auch. Aber dann war da Endras, immer Endras, auch das war: wie 2010. Der Torhüter war vor einem Jahr zu einer Art Held des deutschen Eishockeys geworden, an diesem Freitag in Bratislava bewies er, dass man so einen Status immer wieder unterstreichen kann.

Sechs Minuten vor dem Ende musste Patrick Reimer auf die Strafbank, zwei Minuten Überzahl für Russland, die große Chance zum Ausgleich. Zwei Minuten später kam Reimer von der Strafbank zurück, und weitere zwei Minuten danach gelangte der Puck irgendwie zu ihm, er lief schneller als alle Russen, dann war er allein vor Torhüter Nabokow.

"Da denkt man schon dran, dass man das Spiel jetzt entscheiden kann", erzählt Reimer später, aber zu viel dürfe man ja auch nicht denken. "Ich habe einfach versucht, irgendeine Bewegung zu machen, um ihn auszutricksen", sagt Reimer, er grinst, "das hat funktioniert." Er legte sich den Puck auf die Rückhand, Nabokow ging zu Boden, und Reimer hob den Puck über ihn hinweg ins Tor.

Es war jetzt nicht mehr wie 2010. Es war besser.

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