Eishockey:Wichtiger als der Stanley-Cup

Von der Qualifikation für Olympia in Vancouver erhofft sich deutsche Eishockey-Auswahl einen Schub für die Heim-WM 2010. Es gilt, die Wunden der Vergangenheit zu heilen.

Jörg Marwedel

Wer Uwe Krupp, 43, bislang nach dem bedeutendsten Spiel seiner Eishockey-Karriere fragte, konnte sicher sein, dass er den Gewinn des Stanley-Cups 1996 mit den Colorado Avalanche über die Florida Panthers anführte. Schließlich hatte er in der dritten Verlängerung des vierten Finalspiels um den nordamerikanischen Meisterpokal sogar den 1:0-Siegtreffer erzielt.

Eishockey: Deutsche Eishockey-Nationalmannschaft nach dem entscheidenden Sieg gegen Österreich: Tränen in den Augen

Deutsche Eishockey-Nationalmannschaft nach dem entscheidenden Sieg gegen Österreich: Tränen in den Augen

(Foto: Foto: dpa)

Seit Samstag aber muss der Geschichte des gebürtigen Kölners ein neues Kapitel bedeutenden Inhalts hinzugefügt werden. "Das war das wichtigste Spiel in meinem ganzen Leben", erklärte er jetzt und fügte noch an: "Wichtiger als der Stanley-Cup."

Das wichtigste Spiel für ihn ist nun das vom Samstag, 7.Februar 2009, mit dem Nachbarn Österreich in Hannover. Krupp ist kein Spieler mehr, sondern Bundestrainer, der "für die ganze Linie" zuständig ist. Das hart umkämpfte 2:1 hat dem deutschen Nationalteam die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver beschert.

Selten haben die gewiss nicht zimperlichen Eishockey-Profis derart viele Gefühle herausgelassen wie nach dieser 16.Olympia-Qualifikation. Der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), Uwe Harnos, hatte ebenso wie mancher Spieler Tränen in den Augen, der Deutsch-Kanadier Sven Butenschoen rief sofort bei seinen Eltern in Vancouver an, und DEB-Vize Erich Kühnhackl fand "keine Worte dafür, wie wichtig das für das deutsche Eishockey ist". Das deutsche Eishockey hatte ja in den vergangenen Jahren soviel Kredit verspielt, dass man sich, wie Generalsekretär Franz Reindl meinte, schon auf dem Weg befand zu einer "grauen Sportart".

So spannend wie ein Bestseller

Auch deshalb durfte das Bier, das nach dem Sieg in die Kabine geschmuggelt wurde, nur dezent konsumiert werden. Am Sonntag folgte ja noch das Spiel gegen die Slowenen, die sich mit einem 4:5 nach Verlängerung gegen Japan um ihre letzte Chance gebracht hatten. Die Partie wurde im Fernsehen übertragen, war also eine weitere Werbemaßnahme für das deutsche Eishockey, weshalb ihr 2:1 (1:0, 1:0, 0:1), zu dem Michael Hackert (13.) und Travis Mulock (22.) die deutschen Tore beisteuerten, keineswegs so unwichtig war, wie es aussah.

Das Spiel gegen die Österreicher war jedenfalls so spannend wie ein Bestseller. "Wir waren spielerisch besser, aber die Deutschen waren effektiver", sagte Österreichs Trainers Lars Bergström. Überraschend war, wie weit sich die deutsche Mannschaft oft zurückzog.

Zweimal traf der Gegner den Pfosten, zuletzt in der 52. Minute durch Dieter Kalt. Ja, sagte der frühere Verteidiger Uwe Krupp, "Defensive ist harte Arbeit, und wir haben so hart gearbeitet wie man nur arbeiten kann". Zudem habe die Über- und Unterzahl gut funktioniert. So kam nach dem Treffer von Yannic Seidenberg (23.) das 2:1 durch John Tripp (34.) in Überzahl zustande. "Du machst dir auch dein Glück", sagte der Philosoph Krupp.

Erfolge für die Wundheilung

Dass Krupp die Partie so hoch hängt, hat auch mit der öffentlichen Wahrnehmung zu tun. "Du brauchst nur die Zeitung aufzuschlagen, um zu wissen, was Druck ist", sagt er. Debattiert wurde etwa über die Ausbootung des früheren Kapitäns Daniel Kreutzer oder die Nominierung von fünf Deutsch-Kanadiern, von denen Mulock auch noch bei Zweitligist Tölzer Löwen spielt. Neuling Mulock erwies sich beim "Penalty Killing" in Unterzahl als exzellente Kraft. Der Erfolg, sagte Präsident Harnos, sei extrem wichtig auch für Krupp, weil er "sich bewiesen habe, als es um etwas ging".

Doch auch für den Juristen Harnos ging es um einiges, "nachdem wir ja ziemlich viel auf den Kopf gekriegt haben". Erst hatte das mit sportlichen Misserfolgen zu tun, denn 2006 durfte das Team nur an der B-Weltmeisterschaft teilnehmen, derzeit nimmt es in der Weltrangliste lediglich Rang zehn ein.

Vergangenes Jahr gab es außerdem recht unschöne Schlagzeilen, weil der Verband den Berliner Florian Busch trotz verweigerter Dopingkontrolle nicht sperrte und mit zur WM nach Kanada nahm. Das Bundesinnenministerium strich dem DEB daraufhin 130.000 Euro von den 370.000 Euro Fördermitteln. Jetzt, glaubt Franz Reindl, "heilen einige Wunden schneller". Der Erfolg helfe auch, die angeschobenen Nachwuchsprojekte voranzutreiben, Eishockey werde künftig wieder mehr wahrgenommen.

"Schon mal in Braunlage gewesen?"

Man könne nun besseres Marketing für die WM 2010 machen, die in Deutschland ausgetragen wird und mit dem Spiel in der Schalke-Arena die höchste Zuschauerzahl der Eishockey-Geschichte bringen soll. Zumindest in Hannover, immerhin die Stadt des DEL-Tabellenführers Scorpions, haben auch Gewinnspiele bei Zeitungen und im Radio, Flyer-Aktionen und Ähnliches nichts gebracht.

Beim Spiel gegen Österreich kamen nur 5034 Zuschauer, kaum mehr als am Tag zuvor gegen Japan. Etliche kamen gar aus Wolfsburg und Braunlage. "Schön hier, aber seid ihr schon mal in Braunlage gewesen?", frotzelten die Fans auf einem Plakat. Hannover, kündigte Reindl an, werde vorerst keine Länderspiele mehr bekommen.

Auch der Bundestrainer muss bald wieder eine schwierige Aufgabe lösen. Mehr als ein Dutzend deutscher NHL-Spieler (etwa Alexander Sulzer, Christian Ehrhoff, Christoph Schubert, Marco Sturm, Marcel Goc oder Jochen Hecht) könnten bei Olympia ein Thema sein. Dann müsste er das jetzige Team wieder auseinanderreißen. Manager Reindl sagt, Krupp werde "neutral entscheiden". Er gebe "nicht einfach Stimmungen nach". Was immer das auch heißt.

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