Eishockey:Wechsel zur Geisterstunde

Eishockey: „Atmosphärische Störungen“: Am Montag nach der 2:6-Heimpleite gegen München haben die Kölner Haie Trainer Cory Clouston (oben) entlassen. Für Nachfolger Peter Draisaitl wird ein Traum wahr: Er war schon als Spieler Meister mit den Haien, im Jahr 1995.

„Atmosphärische Störungen“: Am Montag nach der 2:6-Heimpleite gegen München haben die Kölner Haie Trainer Cory Clouston (oben) entlassen. Für Nachfolger Peter Draisaitl wird ein Traum wahr: Er war schon als Spieler Meister mit den Haien, im Jahr 1995.

(Foto: Caroline Seidel/dpa; Roth/Augenklick)

Zwölf Saisonniederlagen, schlechte Stimmung, mentale Blockaden auf dem Eis - die kriselnden Haie reagieren nun doch und holen Peter Draisaitl als Trainer.

Von Johannes Schnitzler, Köln/München

Klack. Klack. Klack. Wenn ein Puck auf einen Eishockeyschläger trifft, erzeugt das ein helles, klackendes Geräusch. Ein Geräusch, das normalerweise untergeht, wenn in einer Halle mehr als 14 000 Menschen singen und klatschen und sich freuen. In der Kölner Lanxess- Arena waren am Sonntagnachmittag offiziell 14 411 Zuschauer. Aber zu hören war jedes Klack-klack-klack. Mitte des ersten Drittels führten die Haie 2:0, was sich danach abspielte, beschrieb Kapitän Christian Ehrhoff so: "Wir haben uns wieder selbst in den Fuß geschossen." Köln verlor gegen den deutschen Meister München 2:6, es war die sechste Niederlage in den vergangenen acht Partien, die zwölfte in dieser Saison. Augenzeugen beschrieben die Stimmung in der Halle als "gespenstisch". Erst verstummten die Haie-Fans. Dann begannen sie, Tore der Münchner zu beklatschen. Am Ende pfiffen sie ihre Mannschaft aus. Und am Montag war Cory Clouston nicht mehr Trainer der Haie.

Knapp zwei Jahre, nachdem der Kanadier sein Amt in Köln angetreten hat (mit einer 0:3-Niederlage in München), beurlaubte der achtmalige deutsche Meister den 48-Jährigen. Sein Nachfolger ist Peter Draisaitl, 51, ehemaliger Nationalspieler und der Vater von NHL-Profi Leon Draisaitl.

Nach "langen Gesprächen in der vergangenen Nacht und einer umfassenden Analyse der sportlichen Situation" sei man zu dem Entschluss gekommen, handeln zu müssen, um der Mannschaft einen "neuen Impuls" zu geben, erklärte Sportdirektor Mark Mahon am Montag in einer Mitteilung des Klubs. Dem Portal haimspiel.de sagte Mahon: "Man sieht, dass es eine mentale Blockade bei den Jungs ist. Sie kämpfen nicht." Die Verteidigung bot gegen München - wie schon beim 4:7 am Freitag in Augsburg - ein Bild wie eine Palmeninsel nach einem Tropensturm. Spieler wie Shawn Lalonde, der Mann mit dem härtesten Schuss der Liga, wirkten standhaft wie Gummibäume. "Letzte Saison waren wir defensiv das stärkste Team der Liga. In dieser Saison haben wir die meisten Gegentore", sagte Mahon. "Es gibt keine Balance, keine Konstanz. Aber der mentale Zustand der Mannschaft ist meine größte Sorge."

Von "atmosphärischen Störungen" murmelten vereinsinterne Quellen seit Monaten. Ende der vergangenen Saison führten die Spannungen zur Suspendierung von Mittelstürmer Patrick Hager, der nun für München spielt und am Sonntag den 2:2-Ausgleich erzielte. "Ich hätte gehofft, dass wir vor der Länderspielpause unseren Tiefpunkt hatten", sagte Christian Ehrhoff nach dem 2:6. "Aber heute haben wir uns noch tiefer in unser Loch gegraben." Der ehemalige NHL-Profi war für den Deutschland Cup nicht nominiert worden. In Köln wurde der Kapitän zum Krisenmanagement dringender gebraucht.

Die Unzufriedenheit mit Clouston wuchs ständig. Aus der Kabine kam der Vorwurf, der einstige Chefcoach der Ottawa Senators habe ein Kommunikationsdefizit. Als Clouston vergangene Woche in einer Presserunde gefragt wurde, ob ihn die dauernde Kritik berühre, ob er sich auch selbst hinterfrage, antwortete er: "No."

Die Haie, das Team mit dem drittbesten Zuschauerschnitt in Europa (12 662), in der Deutschen Eishockey Liga mit einem Etat von knapp zwölf Millionen Euro ebenfalls unter den Top 3, sind in der DEL auf Rang neun abgerutscht, nur noch fünf Punkte vor dem Vorletzten aus Krefeld. Kurzfristig konnte daran weder die Rückkehr des ehemaligen Geschäftsführers Thomas Eichin, zuletzt Sportdirektor beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, in den Verwaltungsrat etwas ändern - in Eichins Ägide fällt die letzte Kölner Meisterschaft 2002 -, noch viele Gespräche während der Länderspielpause. Am Ende erreichte der zunehmend verkniffen wirkende Clouston in der Karnevalshochburg Köln niemanden mehr. Weder Team noch Fans.

Nur einer kämpfte am Sonntag noch: Moritz Müller. Der Nationalverteidiger sagte in der zweiten Pause gegen München: "Wir müssen jetzt Eier zeigen." Kurz danach prügelte sich der vormalige Kapitän mit Münchens Box-Experte Steve Pinizzotto. Müller wollte, wie man in der Branche sagt, ein Zeichen setzen. Ein Akt purer Verzweiflung. Müller nahm an seinem 31. Geburtstag eine Platzwunde am linken Auge in Kauf, ließ sich in der Kabine zusammenflicken, kehrte aufs Eis zurück - und stellte fest, dass doch niemand seinen Notruf gehört hatte.

Das letzte Mal, als Müller die Fäuste für sich sprechen ließ, war im Januar 2016 gewesen, in einer ähnlichen Situation. Die Haie hatten 1:6 verloren und waren auf den zehnten Platz abgeschmiert. Niklas Sundblad musste gehen, Clouston kam. Der Gegner damals hieß Iserlohn. An diesem Mittwoch müssen die Haie wieder ins Sauerland. Der neue Trainer diesmal heißt Peter Draisaitl. Der 51 Jahre alte ehemalige Nationalspieler war bis September 2016 Trainer beim HC Dynamo Pardubice in der tschechischen Extraliga. Er wird bereits am Dienstag das Training übernehmen und am Mittwoch an der Bande stehen. Sportdirektor Mahon ist überzeugt: "Peter bringt eine Menge Erfahrung mit und sicherlich auch den Köln-Faktor." Als Spieler war Draisaitl 1995 Meister mit den Haien, er lebt in Köln. 2016 galt er bereits als Kandidat für die Nachfolge Sundblads, ging aber, weil die Haie zu lange zögerten, in die Extraliga. "Für mich als jemanden, der schon mal Teil der Haie-Familie war, ist diese Aufgabe natürlich etwas ganz Besonderes", sagte Draisaitl nun. "Wenn ich ehrlich bin, war es für mich immer schon ein Traum, hier als Cheftrainer arbeiten zu dürfen. Jetzt ist es soweit."

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