Eishockey:Voodoo mit Ketchup

Augsburg Jubel von T J Trevelyan 24 Augsburger Panther zum 1 0 beim Spiel Augsburger Panther gege

Flaschenöffner: Mit seinem Treffer zum 1:1 gab Augsburgs T.J. Trevelyan den Startschuss in eine spektakuläre Schlussphase. In den letzten sechs Minuten erzielte der AEV vier Tore.

(Foto: imago/Eibner)

Dieses DEL-Derby hätte ein Spitzenspiel sein sollen. Doch die Augsburger Panther gewinnen 4:1 gegen die Titelverteidiger aus München.

Von Johannes Schnitzler

Konrad Abeltshauser trug am Dienstag einen Helm mit Vollvisier. Der Nationalverteidiger des EHC Red Bull München hat vergangene Woche im Training einen Nasenbeinbruch erlitten, das Spezialvisier ist eine Vorsichtsmaßnahme. Nichts, was einen Eishockeyprofi wie den Tölzer Abeltshauser, 1,95 Meter groß, aus der Fassung bringen könnte. Aus Sicht der Augsburger Panther aber war es ein Zeichen, dass sie vielleicht doch verwundbar sind, diese Münchner. In schwierigen Zeiten klammert man sich gern an jedes noch so kleine Omen. Mut machen sollte den Panthern auch, dass Drew LeBlanc Einsatzbereitschaft signalisierte. Augsburgs Topscorer war am Sonntag von einem Puck im Gesicht getroffen worden, auch der Amerikaner spielte mit Vollvisier. Ein Zeichen des Willens.

Eigentlich hätte dieses Derby am 45. Spieltag der Deutschen Eishockey Liga ein Spitzenspiel sein sollen. Augsburg hatte fünf seiner sieben Partien im Kalenderjahr 2018 gewonnen, zuletzt mit 7:1 gegen Krefeld den höchsten Saisonsieg gefeiert, München gar 14 seiner letzten 16 Spiele für sich entschieden. Tatsächlich war es vor 4792 Zuschauern im Curt-Frenzel-Stadion aber das Spiel des Tabellenzwölften Augsburg, der acht Spieltage vor Ende der Hauptrunde vier Punkte Rückstand auf einen Playoff-Platz hatte, gegen den Titelverteidiger und Tabellenführer aus München, der neun der letzten zehn direkten Duelle gewann; in dieser Saison alle drei. Das vierte ging nach einer Nervenschlacht an Augsburg: Alle vier Treffer zum 4:1 (0:0, 0:1, 4:0) für die Panther fielen in den letzten sechs Minuten. "Die Punkte sind sehr, sehr wichtig für uns", sagte Trainer Mike Stewart.

Augsburg hatte nichts unversucht gelassen. Vor dem Spiel zeigte die Stadionregie noch einmal alle sieben Treffer vom Sonntag auf dem Videowürfel, ein bisschen Voodoo für das Selbstvertrauen. München schoss zwar öfter aufs Tor (15:10 Versuche im ersten Drittel), doch AEV-Schlussmann Olivier Roy hielt gegen Jaffray (7.) und Kahun (14.) das 0:0. Augsburgs Fans sangen "Kämpfen für die Playoffs". Dann eröffnete sich den Panthern die erste Gelegenheit zum Überzahlspiel, ihre Lieblingsdisziplin: Mit einer Erfolgsquote von 23,8 Prozent hat Augsburg das erfolgreichste Powerplay der Liga. Nun hielt EHC-Goalie David Leggio das 0:0.

Und plötzlich war München vorn. Ein Stockfehler von Verteidiger Brady Lamb, Dominik Kahun legte quer auf Frank Mauer, und der schob frei zum 0:1 ein (28.).

Der Schlussabschnitt begann mit 28 Sekunden doppelter Unterzahl für den EHC, Yannic Seidenberg und Derek Joslin saßen auf der Strafbank. Kaum war Seidenberg zurück auf dem Eis, musste Keith Aulie raus. Fast fünf Minuten Überzahl für Augsburg: Doch ohne ihren an der Hand verletzten Top-Torschützen Trevor Parkes (21 Saisontreffer) und Michael Davies, für den die Saison nach einer Knieblessur beendet ist, fehlte dem Augsburger Powerplay zunächst die gewohnte Konsequenz. Die EHC-Fans sangen: "Playoffs ohne Augsburg". Noch einmal durften die Panther mit zwei Mann mehr ran. Und endlich, im gefühlt 300. Versuch, brachte T.J. Trevelyan den Puck an Leggio vorbei im Tor unter (55.). Trevelyan, ausgerechnet, der wochenlang als überzähliger Ausländer auf der Tribüne hatte schmachten müssen.

Wie aus einer zuvor verstopften Ketchupflasche ergossen sich nun die Tore : Daniel Schmölz brachte den AEV in der 56. Minute in Führung, 32 Sekunden später erhöhte Matt White auf 3:1. Und als EHC-Coach Don Jackson Leggio für einen sechsten Feldspieler vom Eis nahm, schickte abermals Schmölz den Puck zum 4:1 ins leere Tor (58.). "Wir hatten am Ende keine Antwort und keine Disziplin", sagte Jackson. Sie sind wohl doch verwundbar, diese Münchner.

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