Eishockey:Träger des Pepita-Ordens

Deutschland - Slowakei

Nationalspieler Patrick Hager (vorne) lauert beim 4:2-Erfolg der deutschen Eishockey-Auswahl vor dem von Michal Dzubina (rechts) gehüteten Tor der Slowakei.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Beim Deutschland-Cup, seinem Debüt als Bundestrainer, sorgt Marco Sturm für einen spürbaren Klimawandel im Team.

Von Johannes Schnitzler, Augsburg

Die kompakteste Analyse des Wochenendes lieferte der Mannheimer Kai Hospelt: "Philip hat'n Hutgesicht." Philip, der Kölner Philip Gogulla, stand derweil ein paar Meter weiter und sagte: "Natürlich bin ich stolz darauf, gar keine Frage." Was die beiden Nationalspieler diskutierten, war weniger das Für und Wider der Kopfbedeckung im Allgemeinen. Es ging um den Hut. Xaver Unsinns Hut. Unter Unsinn, dem dienstältesten Eishockey-Bundestrainer der Geschichte, hat die deutsche Auswahl 1976 ihren größten Erfolg gefeiert, Olympia-Bronze in Innsbruck. 2026, ein halbes Jahrhundert später, soll sie wieder um Medaillen spielen. So lange wird der Neuaufbau nach vielen dürren Jahren dauern, darin sind die Experten einig. Ebenso einig waren sie sich beim Deutschland-Cup in Augsburg noch vor dem letzten Spiel gegen die USA, dass Marco Sturm, der neue Bundestrainer, der richtige Mann dafür ist. "Er hat seine Aufgabe fest im Griff", sagt Präsident Franz Reindl. Die Idee, nach Siegen den besten Spieler mit Unsinns Pepita-Hut zu dekorieren, mithin den Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft zu spannen, kam von Sturm.

"Wenn einer wie Marco den Hörer in die Hand nimmt, dann geht auch jemand ran", sagt Reindl

Philip Gogulla war am Samstag also der erste Träger des Pepita-Ordens. Der 28-Jährige, 2008 Schütze des entscheidenden 5:4 für Köln gegen Mannheim im längsten Spiel der DEL-Geschichte (168:16 Minuten, sechs Verlängerungen), hat offenbar nicht nur ein Hutgesicht, sondern auch ein Händchen für historische Momente. Am Freitag beim 2:3 gegen die Schweiz hatte Gogulla das 1:0 erzielt, am Samstag führte er das Team des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) zum 4:2 über die Slowakei, dem ersten Sieg unter Sturms Ägide. Gogulla bereitete das 1:0 von Brooks Macek, dem einzigen Neuling, vor, er erzielte das 4:0 selbst, und auch am dritten Treffer, der Benedikt Kohl gutgeschrieben wurde, war Gogulla beteiligt. Das Augsburger Publikum war verzückt, nicht nur von diesem rothaarigen Kölner Hutgesicht.

Den größten Anteil am Erfolg trug indes Sturm. Der 37-Jährige, der formal alle Qualifikationen als Trainer mitbringt, praktische Erfahrung bislang aber nur als Coach der Nachwuchsmannschaft seines Sohnes Mason sammelte, hatte im Vergleich zum Vorabend umgestellt - die Hamburger Wolf und Flaake etwa blieben draußen, Kohl und Hospelt rotierten rein. Der Zug ging auf. Die neu komponierte Reihe mit Gogulla, Macek und Russland-Legionär Felix Schütz erzielte drei der vier deutschen Treffer. "Wenn dir der Trainer das Vertrauen schenkt, kannst du der Mannschaft helfen", sagte Macek; "und wir zahlen dieses Vertrauen zurück, indem wir uns den Arsch aufreißen", ergänzte Gogulla.

Soweit die Tage von Augsburg einen ersten Schluss zulassen, dann eben diesen, dass die Spieler gewillt sind, nicht nur ihren Kopf hinzuhalten, um ein Hütchen aufzusetzen, sondern sich mit vollem Körpereinsatz einzubringen.

Die Spieler haben in Augsburg einen Klimawandel ausgemacht. "Marco bringt positive Stimmung rein, er ist heiß auf den Job", sagt Gogulla: "Das spürt die Mannschaft." Nicht nur nach dem schwachen zweiten Drittel gegen die Schweiz habe es "klare Ansagen" gegeben, sagt Kapitän Patrick Reimer, "wir wissen, worum es geht". Und das wohl nicht nur, weil Sturms Ansagen laut und auf Deutsch kommen. Das Team stehe "voll und ganz hinter dem Trainer", versichert Reimer, und weil das vielleicht so klingen könnte, als habe die Mannschaft nicht immer voll und ganz hinter Sturms Vorgänger Pat Cortina gestanden, sagt Reimer noch: "Wir blicken nicht mehr zurück, sondern nach vorn." Denn dort vorn warten die eigentlichen Aufgaben.

Nach der WM im kommenden Mai wird es vor allem die Olympia-Qualifikation Anfang September in Riga sein, die über Sturms Wirken ein Zeugnis liefern muss. Auf seiner Liste stünden "60 Spieler, wenn überhaupt", sagt Sturm, und die Ergebnisse in der Champions League zeigten, "wo wir international stehen" - in Berlin steht der einzige deutsche Achtelfinalist in dieser Woche vor dem Aus. "Die Breite an der Basis ist schwer zu verstehen. Wenn man sieht, wie wenige Spieler wir haben, das öffnet dir schon die Augen", sagt Sturm. Für die langfristige Mission Powerplay 2026 "brauchen wir mehr Spieler". Aber auf dem Weg dorthin "brauchst du Ergebnisse", sagt DEB-Präsident Reindl. Falls Sturm Zweifel haben sollte, lässt er sie jedenfalls nicht erkennen: "Ich bin mit Leib und Seele dabei, das weiß der Franz." Sturm selbst weiß, dass das nicht reichen wird. Er muss aus demselben Pool wie seine Vorgänger fischen und hoffen, dass ihm mal der eine oder andere kapitale NHL-Brocken ins Netz geht. Reindl ist sicher: "Wenn ein Marco Sturm den Hörer in die Hand nimmt, dann geht auch jemand ran." Unter Cortina hatte es zuletzt Absagen gehagelt.

Der Teamplayer Sturm sagt: "Alles auf Pat Cortina zu schieben, wäre sicher nicht fair, er hat es nicht leicht gehabt. Aber so viele Absagen wie zuletzt - das muss sich ändern." Darum sei der Deutschland-Cup "enorm wichtig", denn er bietet Sturm vor der WM die einzige Chance zu erforschen, wer bereit ist, "für die Mannschaft, für mich, für das deutsche Eishockey alles zu geben". Wer den Hut aufhat, ist klar. "Das Sagen habe ich", sagt Marco Sturm.

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