Eishockey:Nur noch Englisch

Aufregung auf der Straubinger Bank um Larry Mitchell Trainer Straubing Tigers Augsburger Panther

Hat nicht nur seinen Spielern oft viel zu sagen: Straubings Trainer Larry Mitchell (im Anzug) beim Spiel am Sonntag gegen die Augsburger Panther.

(Foto: Krieger/imago)

Straubings Trainer Larry Mitchell äußert sich plötzlich nicht mehr auf Deutsch. Über den Grund dafür schweigt er.

Von Johannes Schnitzler

Eishockey ist ein Sport, in dem schon mal auf eine Art kommuniziert wird, die Donald Trump wohl meinte, als er von "locker room talk" sprach. Man könnte sagen, in einer Eishockey-Kabine geht es nicht immer jugendfrei zu. Larry Mitchell ist Eishockey-Trainer, er verbringt viel Zeit in Umkleidekabinen und ganz sicher kennt er eine gut sortierte Auswahl von Schimpfwörtern und Anzüglichkeiten. Er hat auch schon Geldstrafen dafür bezahlt, dass er Schiedsrichtern gegenüber nicht immer die feine verbale Klinge führte. Dass ihn das unschuldige deutsche Wort "Geschenk" einmal teurer zu stehen kommen könnte, das hat der Deutsch-Kanadier aber nicht geahnt.

Mitchell, der wie seine Kollegen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) stets korrekt in Anzug und Krawatte zur Arbeit auf der Bank erscheint, wurde vor 49 Jahren als Sohn eines kanadischen Soldaten in Zweibrücken geboren, rheinland-pfälzische Provinz. Als die Royal Air Force 1969 Zweibrücken verließ, zog die Familie nach Nordamerika. 1990 kehrte Mitchell nach Deutschland zurück und lernte als Eishockey-Profi unter anderem in Wedemark, Grefrath und Kempten viele Dialekte der Republik kennen. Als Trainer wechselte er 2007 aus Landsberg in die DEL, erreichte 2010 mit Augsburg das Finale und galt zeitweise als Bundestrainer-Kandidat - neben seiner fachlichen Qualifikation galt sein perfektes Deutsch als Pluspunkt. Zwar wurde er dann nicht Bundestrainer. Aber hervorragend deutsch sprach Mitchell immer noch. Bis zur vergangenen Woche.

Im sogenannten Vorlauf zum Spiel an seiner alter Wirkungsstätte in Augsburg sollte Mitchell, seit Dezember 2014 Trainer der Straubing Tigers, dem übertragenden Sender ein bisschen was über das Duell, den Gegner und seine Taktik verraten. Mitchell tat das, mit den Händen in der Tasche, auf Englisch. Auch in der Pressekonferenz nach dem Spiel - die Tigers unterlagen 3:5 - sprach Mitchell kein Wort Deutsch. Die Journalisten reagierten irritiert, Augsburger Fans posteten Begriffe von "unsportlich" bis "peinlich". Eine Erklärung dafür gab es nicht.

Nun kommt es vor, dass Menschen nach einem traumatischen Erlebnis in fremden Zungen sprechen. Aber Mitchell hat schon mehr als ein DEL-Spiel verloren. Seine Sprache verloren hat er danach nie. Bis zur vergangenen Woche. Wie aus Ligakreisen zu hören ist, hat die DEL Mitchell mit einer Geldbuße belegt. Die Rede ist von einer mittleren vierstelligen Summe - angeblich, weil er eine Schiedsrichterentscheidung als "Geschenk" bezeichnet hat.

Das kam so: Eine Woche vor dem Spiel in Augsburg gastierte Straubing in Schwenningen. Knackpunkt der Partie war der Ausschluss von Straubings Verteidiger Mike Cornell, der sich ebenso ungeschickt wie eindeutig eine Spieldauerstrafe einhandelte. Schwenningen nutzte die folgende Überzahl zu zwei Treffern, Straubing verlor 2:4. In der Pressekonferenz danach sagte Mitchell - auf Deutsch - die Strafe sei ein "Geschenk" für den Gegner gewesen, das Schwenningen angenommen habe. Er habe sich darüber "geärgert". Schwenningens Coach Pat Cortina sagte, er respektiere Mitchells Meinung, sprach aber nicht von einem Geschenk, sondern lieber von einem "Momentum", das sein Team "gut benutzt" habe. Vermutlich sprach aus Mitchell mehr der Frust über den Fehler seines Spielers als der Schiedsrichterfresser. Allerdings wurden die Klubs vor der Saison explizit darauf hingewiesen, dass Kommentare zu Entscheidungen, die die Objektivität der Unparteiischen in Zweifel ziehen könnten, sanktioniert werden. Das bestätigt DEL-Spielbetriebsleiter Jörg von Ameln. Disziplinarverfahren gebe es in dem Zusammenhang jedes Jahr. In der laufenden Saison seien vier Trainer betroffen.

Geht es um ein Wort Richtung Referee? Es wäre nicht sein erstes

Namen nennt Ameln nicht. Mitchell steht aber als Wiederholungstäter unter Rückfallverdacht. Einen Schiedsrichter fragte er einmal sinngemäß, ob der ihn besonders lieb habe, weil er ihm immer so zu Leibe rücke. Tatsächlich wählte Mitchell explizitere Wörter. Man weiß das, weil der Unparteiische eine Zusatzmeldung verfasste. Mitchell bezahlte damals eine niedrige vierstellige Strafe - und räumte einen Fehler ein: "Was ich gesagt habe, war nicht in Ordnung."

Die aktuelle Geldstrafe ist laut Branchenkennern offenbar zur Bewährung ausgesetzt. Bleibt der Trainer bis zum Saisonende unauffällig, kommt er noch einmal glimpflich davon. Mitchells Motiv zum fliegenden Wechsel in seine Muttersprache scheint also Schadensbegrenzung zu sein. Um Missverständnissen vorzubeugen, werde er Pressekonferenzen und Interviews künftig in seiner Muttersprache geben, soll der Coach intern angekündigt haben. Dagegen wäre nichts einzuwenden, sagt Ameln. Mitchell selbst will sich - trotz mehrerer Anfragen - nicht zu der Causa äußern. Weder auf Deutsch, noch auf Englisch.

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