Eishockey-Nationalmannschaft:Marco Sturm kam, lächelte - und lieferte

Pyeongchang 2018 Winter Olympics

Eishockey-Nationaltrainer Marco Sturm.

(Foto: REUTERS)

Der Eishockey-Bundestrainer hat das deutsche Team wieder zum Aushängeschild aufpoliert, das zeigt der Einzug ins Olympia-Halbfinale. Sturm verfolgt mit aller Konsequenz ein langfristiges Ziel.

Kommentar von Johannes Schnitzler

Nach seinem Siegtor gegen die Schweiz wollte ein Reporter von Yannic Seidenberg wissen, was nun tags darauf zu tun sei, im Viertelfinale gegen Schweden. Wann?, fragte Seidenberg einigermaßen verblüfft zurück: Morgen schon wieder? Puh. Auch recht.

Seidenbergs Überraschung mochte echt sein oder gespielt. In jedem Fall drückte sie dieses Wir-leben-im-Moment-Gefühl aus, das die deutsche Mannschaft durchs olympische Eishockey-Turnier trägt. So wie es Bundestrainer Marco Sturm immer predigt: Gestern war gestern, heute ist heute, morgen ist morgen. Und selbst wenn morgen der Weltmeister wartet: von Spiel zu Spiel denken. Eine Floskel, sicher. Aber es spricht viel dafür, dass seine Mannschaft sich exakt daran hält. Das 4:3 gegen Schweden, der Einzug ins Halbfinale von Pyeongchang, ist der größte olympische Erfolg eines DEB-Teams seit der Bronzemedaille 1976.

Bevor Sturm 2015 den exponiertesten Job im deutschen Eishockey übernahm, hatte das Nationalteam die Spiele in Sotschi verpasst, war in der Weltrangliste auf Rang 13 abgerutscht, vor internationalen Turnieren hagelte es 20 Absagen und mehr. Das Heute drohte das Morgen aufzufressen. Ein Himmelfahrtskommando. DEB-Präsident Franz Reindl setzte in dieser existenziell wichtigen Situation auf den als Trainer völlig unerfahrenen Ex-Profi Sturm, auf dessen Reputation aus 1006 Spielen in der nordamerikanischen NHL. Sturm kam, er sah und - lächelte. Er lächelte über sportliche und strukturelle Defizite hinweg. Und lieferte. WM-Viertelfinale 2016. Viertelfinale bei der Heim-WM 2017. Qualifikation für Olympia 2018. Nun das Halbfinale, ein Highlight, aber noch nicht unbedingt der Höhepunkt. "Der Weg ist noch nicht zu Ende", sagte Patrick Reimer, Siegtorschütze gegen Schweden.

Bundestrainer Sturm hat das Image wieder aufpoliert

Ehe Sturm vor dem Abflug nach Südkorea seinen Vertrag bis 2022 verlängerte, hat er noch einmal betont, dass er auf Dauer nicht alles weglächeln will und kann. Er will gewinnen. Mit aller Konsequenz hat er, protegiert von Reindl, die Nationalmannschaft wieder zum Aushängeschild aufpoliert, auch personelle Härten scheut er nicht. Liga und Verband, jahrelang mehr Gegner als Partner, haben sich einander angenähert. "In der Vergangenheit hat oft der Glaube gefehlt", sagte Sturm nach dem Triumph gegen Schweden. Die alte Verzagtheit ist weg.

Natürlich ist nicht auf einmal alles gut im deutschen Eishockey. Auf- und Abstieg zwischen erster und zweiter Liga, Nachwuchsförderung, mediale Präsenz: Nach der Konsolidierung beginnt jetzt die eigentliche Aufbauarbeit. Das Programm "Powerplay26", die Chance, regelmäßig um Medaillen mitspielen zu können, ist quasi der Grundlagenvertrag zwischen Trainer und Verband. "Die Spieler dafür sind schon geboren", sagt Reindl. Spieler wie Dominik Kahun, 22, in Pyeongchang einer der Leistungsträger. Sturm wird seine Forderungen selbst mit Leben erfüllen und die nächsten Talente einbauen müssen, vermutlich schon bei der WM im Mai. Das 4:3 gegen Schweden ist nicht als singuläres "Miracle on Ice" zu lesen. Der Einzug ins Halbfinale ist der Erfolg, nach dem sich das deutsche Eishockey jahrzehntelang gesehnt hat, Motivation und funkelnde Momentaufnahme. Bevor es morgen weitergeht.

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