Eishockey:Mit neuem Besteck

Erstmals findet der Deutschland Cup in Augsburg statt. Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft will bei der Gelegenheit ihren Umbruch vorantreiben.

Von Johannes Schnitzler, Augsburg

In Augsburg haben sie das Tafelsilber blank poliert und das schwere Kristall aus der Kredenz geholt. Zwölf Kilo, ganz aus Glas, aus einer Manufaktur in Bodenmais. "Wir wollten auch damit ein Zeichen für einen Neuanfang setzen", sagt Stefan Endraß, Geschäftsführer der Eishockey Nationalmannschaft Vermarktungs-GmbH. Den gläsernen Pokal, gekrönt von einer Zirbelnuss, dem Augsburger Wahrzeichen, erhält von nun an der Sieger des Deutschland Cups, der von Freitag an erstmals in der Fuggerstadt ausgetragen wird.

In den vergangenen Tagen haben sich alle bemüht, den neuen Austragungsort für das Turnier zu loben. Die Stimmung sei "überragend" gewesen, sagte Bundestrainer Marco Sturm in der vergangenen Woche nach seiner Visite der DEL-Partie zwischen Augsburg und Iserlohn. "Augsburg ist eine Eishockey-Stadt und das Stadion ein Schmuckkästchen", findet Stürmer Patrick Reimer: "Ich freu' mich drauf."

Die Fassade des Curt-Frenzel-Stadions hat einen schicken Schriftzug verpasst bekommen, an den Außenanlagen wurde am Donnerstag noch gewerkelt, damit auch alles hübsch sauber aussieht. Der Rahmen steht. Nun müssen sie das passende Bild hineinmalen.

Nach einem Jahr der Umwälzungen - neues Präsidium, neue Satzung, neuer Bundestrainer - steht der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) kurzfristig vor großen Herausforderungen. Im Herbst 2016 spielt die Auswahl in Riga um ihre letzte Chance auf die Olympischen Spiele in Pyeongchang, 2017 ist der DEB gemeinsam mit Frankreich Ausrichter der Weltmeisterschaft. Um langfristig mehr Nachwuchs zu gewinnen, sind sie in beiden Fällen zum Erfolg verdammt. Sturms Eindruck am Donnerstag nach den ersten drei Trainingseinheiten: "Alle ziehen mit."

Sturm, 37, NHL-Ikone und Trainer-Novize, steht - ob er will oder nicht (er will nicht) - im Mittelpunkt des Interesses. "Er ist die Galionsfigur", sagt Reimer. Nach jedem gelungenen Torabschluss klatscht Sturm mit dem Schläger an die Bande, wenn ihm eine Übung nicht gefällt, lässt er sie noch mal ausführen. Bis zur WM-Vorbereitung im Frühjahr waren diese ersten drei gemeinsamen Tage seine einzige Möglichkeit, die Spieler auf nahe und ferne Ziele einzuschwören. Umso mehr setzt er auf Spieler mit Führungsqualitäten wie Felix Schütz, der aus der russischen KHL internationale Erfahrung mitbringt, auf Dennis Endras, der am Freitag gegen die Schweiz im Tor stehen wird, oder auf Reimer. "Wir wissen, worauf es die nächsten ein, zwei Jahre ankommt und wollen vorangehen", sagt Reimer. Der 32-Jährige wird das Team nach dem Rücktritt von Michael Wolf als Kapitän anführen. Die Wahl traf Sturm.

Überhaupt vermittelt der neue Bundestrainer vor Turnierbeginn einen sehr entschlossenen Eindruck. "Man spürt bei ihm keine Verunsicherung wegen seiner mangelnden Trainererfahrung", hat Reimer beobachtet. Vielmehr scheinen die Spieler dank Sturms Ausstrahlung an Selbstsicherheit zu gewinnen. "Ich freue mich, dass ich die Chance bekomme", sagt Dominik Kahun, 20, der Jüngste, der gleich einen Stammplatz in einer Powerplay-Formation einnehmen soll. Sturm will ja sehen, wie sich die Spieler auf diesem Level halten. "Nur weil einer DEL-Spieler ist, heißt das nicht, dass er auch international spielen kann", sagt Sturm. Also: mutig sein, aber nicht übermütig. "Wer glaubt, dass wir jetzt jeden Gegner 8:0 schlagen, hat nichts begriffen", sagt Felix Schütz, "wir sind immer noch Deutsche." Nur muss man deswegen nicht gleich mit gesenktem Kopf in die Halle kommen. "Wir wollen den Cup gewinnen", sagt Sturm. Aber bei aller Euphorie: Erst am Sonntag nach dem Spiel gegen die USA werden sie wissen, ob sie das Besteck dazu haben.

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