Eishockey in Deutschland:E-Mail aus Los Angeles

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Ehrbarer Versuch, aber gescheitert: Christoph Schubert gehörte zu den Drahtziehern des Rettungsplans für die Hamburg Freezers. (Foto: Joern Pollex/Bongarts/Getty Images)

Eine Firma wollte jährlich 550000 Euro beisteuern, 20 Unternehmen wollten sich zudem finanziell beteiligen. Dennoch darf Hamburg nicht mehr in der DEL antreten.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Auch die größte Crowdfunding-Aktion im deutschen Sport und ein Sponsor für die nächsten zehn Jahre haben den Eishockey-Klub Freezers Hamburg nicht retten können. 532 952 Euro hatten 3319 Unterstützer bei ihrer Mission "Rettet die Freezers" zusammengebracht. Eine Firma wollte als Hauptsponsor jährlich 550 000 Euro hineinschießen, und 20 Unternehmen hatten Absichtserklärungen über weitere 650 000 Euro gezeichnet. Auch ein Interessent aus Dubai wollte sich anscheinend engagieren. Doch selbst diese Zahlen, die innerhalb von fünf Tagen aufgetrieben wurden, haben im fernen Los Angeles nur bedingt Eindruck gemacht. Dort ist der Sitz des bisherigen Freezers-Eigners Anschutz Entertainment Group (AEG).

51 Minuten vor Ablauf der Frist, in welcher der Hamburger Franchise-Betrieb doch noch die Lizenz für die kommenden Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hätte beantragen können, kam in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch an Freezers-Geschäftsführer Uwe Frommhold die E-Mail vom endgültigen Aus. Tom Miserendino, Europa-Boss der AEG, teilte recht kühl mit, man habe weiterhin keinen strategischen Partner gefunden und sei nicht länger bereit, "wie in den vergangenen 14 Jahren alleinig alle Verluste zu schultern". Rechnet man die jährlichen Defizite hoch, die angeblich zwischen 2,5 und drei Millionen Euro betrugen, kommt man auf mindestens 40 Millionen Euro, die das US-Unternehmen ins Projekt gesteckt hat.

In der kommenden Saison hätte der Verlust, dank der Hamburger Vorleistungen der vergangenen Tage, wohl eher 1,5 Millionen Euro betragen, zumal die Profis offenbar bereit waren, auf zehn Prozent ihres Gehalts zu verzichten. Der Anführer der Profis, Kapitän Christoph Schubert, hatte zusammen mit seiner Frau alles in Bewegung gesetzt, um den Klub zu retten. Er hatte bei Firmen Geld gesammelt und so auch den Fans Hoffnung gegeben, die sich oft vor der Arena versammelten. Am Schluss hatte der gebürtige Bayer, den die Anhänger wegen seiner außergewöhnlichen Bemühungen zum Idol ausriefen, nur noch einige Fragen an seinen früheren Arbeitgeber, der den 18 Geschäftsstellen-Mitarbeitern und den 22 Profis kündigte.

"Warum wird ein mögliches Aus erst sechs Tage vor der Deadline kommuniziert? Warum wird dem Klub nicht eine Frist von Wochen oder gar Monaten gegeben?", wollten Schubert und sein Mitkämpfer Moritz Fürste, zweimaliger Hockey-Olympiasieger, wissen. "Wir müssen leider bilanzieren: Eine echte Chance wurde weder uns noch den Hamburg Freezers gegeben", sagte Schubert. Die Spenden werden, wenn gewünscht, zurückgezahlt oder für einen anderen Zweck im Sport verwendet. Zum Beispiel, um den Nachwuchs zu stärken und eventuell die Volksbank-Arena zu halten - in der Halle hatten neben den Eis-cracks auch die Handballer des insolvent gegangenen HSV Hamburg trainiert.

Festzuhalten bleibt, dass Profi-Eishockey in Deutschland im Vergleich zu den Einnahmen wohl zu teuer ist. 285 000 Euro an TV-Geldern sowie die Einnahmen aus Sponsoring und Ticketverkauf werden auch künftig bei den wenigsten Vereinen zur Kostendeckung reichen. Selbst die Eisbären Berlin, die als Branchenführer seit 2005 siebenmal Meister wurden und mit einem Zuschauerschnitt von 13 000 den zweithöchsten in Europa haben, schreiben rote Zahlen. Trotzdem will die AEG, die bisher zwei Teams in der Bundesliga besaß, am Berliner Projekt festhalten.

Den DEL-Platz der Hamburger wird nun wohl der bisherige Kooperationspartner der Freezers übernehmen. Die Fischtown Pinguins Bremerhaven haben bislang offenbar als einziger Zweitligist einen Lizenzantrag für die DEL hinterlegt. "Niemand sollte sich über das sportliche Aus eines Klubs freuen", sagte Teammanager Alfred Prey dem Sportinformationsdienst. Aber wenn man die Chance bekomme, diesen freien Platz zu belegen, müsse man sie auch ergreifen. "Diesen Schritt sind wir unserer Stadt und unseren Fans schuldig", sagte Prey. Dennoch ist man in der Branche traurig über den Verlust. DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke versprach, man werde bei einer neuen Konzeption "alles tun, um den Standort Hamburg wieder aufzunehmen".

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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