Eishockey in Deutschland:Wie Buben auf einem zugefrorenen Weiher

Schwenninger Wild Wings - Adler Mannheim

Stimmungsvolles Ambiente: Die Eishockey-Profis aus Mannheim und Schwenningen schwärmten vom Auftritt im Fußballstadion der TSG Hoffenheim.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Das dritte Freiluftspiel der Deutschen Eishockey Liga vermittelt so etwas wie den ursprünglichen Reiz dieser Sportart.

Von Johannes Schnitzler, Sinsheim/München

Am Ende war Gruppenkuscheln angesagt. Nicht weil es so kalt gewesen wäre. Kalt war es zwar, minus fünf Grad. Aber vor allem galt es, ein irgendwie historisches Ereignis festzuhalten. Und so schmiegten sich die Spieler der Adler Mannheim nach ihrem 7:3-Erfolg gegen die Schwenninger Wild Wings für ein Mannschaftsfoto aneinander. Fast alle hatten sich schwarze Striche unter die Augen gemalt wie Komantschen auf dem Kriegspfad, manche trugen Pudelmützen über dem Helm. "Das ist schon etwas ganz Besonderes hier", sagte Marcel Goc.

Schwenningen beweist, wie eng es in der Liga tatsächlich zugeht

Goc, 33, hat 699 Mal in der nordamerikanischen Profiliga NHL gespielt, dazu 275 Partien in der Deutschen Eishockey Liga (DEL), er trug bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen das Nationaltrikot, auch beim Eröffnungsspiel der WM 2010 vor 77 000 Zuschauern in der Arena auf Schalke. Aber dieses Spiel vor 25 022 Zuschauern im Stadion des Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim, sein 276. DEL-Spiel, war nicht nur für Goc ein besonderes. "Es war, wie früher als kleiner Bub auf einem See zu spielen", sagte er. Seine Augen leuchteten, sein Lächeln entblößte eine Zahnlücke: "In zehn, zwanzig Jahren werden wir noch darüber reden."

The good old Hockey Game, das war das Motto für das dritte "DEL Winter Game" gewesen, zurück zu den Wurzeln sollte es gehen. Darum ließen die Organisatoren mitten im Fußballstadion einen Eisring installieren, überzogen die Bande mit einer Kunststofffolie in Holzoptik und ließen darum herum die Attrappe eines zugefrorenen Weihers anlegen, samt Ruderbooten und Schilfpflanzen. Natürlich war das Ganze ein großes Event mit Pyroshow und den Guano Apes als Vorband; die nicht alltägliche Inszenierung macht ja einen erheblichen Teil eines solchen Ereignisses aus. Und dennoch gelang es den Beteiligten, tatsächlich so etwas wie den ursprünglichen Reiz der Sportart zu vermitteln.

Die ersten beiden Auflagen 2013 in Nürnberg und 2015 in Düsseldorf vor jeweils 50 000 Zuschauern waren gigantische Muskelspiele. Mal regnete es, mal stürmte es, mal waren die Zuschauer zu weit weg vom Spielfeld. Dann war es wieder zu warm und das Eis verschwamm den Spielern unter den Kufen. Ausgerechnet in der Hoffenheimer Arena, wo sonst der Vorwurf der Künstlichkeit und des Traditionsmangels Usus ist, entwickelte sich an diesem Samstag ein geradezu idealtypisches Eishockeyspiel, hart, spektakulär, schnell. Und das auch, weil das Eis unter freiem Himmel so schön hart war, anders als in den wohltemperierten DEL-Hallen.

Der Tabellenvorletzte Schwenningen zeigte, dass die Liga tatsächlich so eng ist, wie alle behaupten. Zu Beginn des zweiten Drittels führte das Team des ehemaligen Bundestrainers Pat Cortina 2:1, ehe Mannheim, Meister von 2015, seine individuelle Klasse ausspielte. Höhepunkt war das 6:3 von Nationalspieler Matthias Plachta, das Brent Raedeke nach einem Doppelpass mit sich selbst via Bande mit einem No-look-Rückhandpass vorbereitete, kurioser Schluss das 7:3 durch Adler-Kapitän Marcus Kink, dem beim Schuss ins leere Tor der Stock brach. "Es war eine unglaubliche Atmosphäre und ein perfektes Event", fand Mannheims Trainer Sean Simpson: "Schwenningen war im letzten Drittel nah am Ausgleich, aber Dennis Endras hat die Führung mit klasse Paraden festgehalten."

Am Ende, als auch noch Schnee vom Himmel rieselte, wurde es fast kitschig. Simpson dankte "allen Fans, die für diese tolle Kulisse gesorgt haben". Für die DEL und den Deutschen Eishockey-Bund war das Bilderbuch-Spiel im Jahr der Heim-WM beste Werbung. Für die vierte Auflage 2019 ist unter anderem das Duell Augsburg gegen München im Gespräch. Ein gutes altes Derby.

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