Eishockey:Hernings Achterbahn

Trotz des 6:1 gegen Südkorea sind die Chancen der DEB-Auswahl aufs Weiterkommen bei der Weltmeisterschaft in Dänemark gesunken. Auch der Wunsch nach Verstärkung aus der nordamerikanischen NHL erfüllt sich nicht.

Von Johannes Schnitzler, Herning

"You can call me Jaycee", sagt Jaycee, der eigentlich Jung Chan Lee heißt. Jaycee ist TV-Reporter, einer von etwa zehn südkoreanischen Journalisten, die von der Eishockey-Weltmeisterschaft in Dänemark berichten. Südkorea ist Aufsteiger, Eishockey dort nicht ganz so populär wie Baseball ("Baseball ist die Nummer eins") oder Fußball. Aber Jaycee ist guten Mutes. Zwei Siege wären schön, meint er. Zwei Siege? Ja. "Gegen Dänemark vielleicht und ..." Dann lächelt er, zu höflich, um zu sagen: gegen Deutschland.

Am Mittwoch muss der Sportreporter Jung Chan Lee dann von einem 1:6 gegen Deutschland in die Heimat berichten, es ist die vierte Niederlage im vierten Spiel für Südkorea, aber, hey, sie haben ihr zweites Turniertor geschossen. Man kann nicht immer gewinnen.

"So isses", sagt Franz Reindl und zuckt kurz mit den Schultern. Der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) lächelt, als er am Mittwochabend nach dem Spiel zwischen Dänemark und Finnland durch die Mixed Zone in Herning läuft. WM-Gastgeber Dänemark hat, kurzfristig verstärkt mit zwei Profis aus der National Hockey League, gerade den zweimaligen Weltmeister Finnland 3:2 besiegt, der mit drei Siegen und 23:2 Toren bislang durchs Turnier geflogen war, in einem mitreißenden Spiel vor 10 800 Zuschauern in der ausverkauften Jyske Bank Boxen. Die Chancen der deutschen Mannschaft auf das Viertelfinale sind damit trotz des höchsten WM-Erfolgs seit 2005 (9:1 gegen Slowenien) von wieder vorhanden auf theoretisch gesunken. Beide Teams haben nach vier Spielen fünf Punkte, Dänemark aber den besseren direkten Vergleich und das vermeintlich leichtere Restprogramm. Der DEB-Präsident nimmt es sportlich: "So eine WM ist eine Achterbahn", sagt Reindl: "Manchmal bist du oben, manchmal unten." So isses eben.

Das Tor des NHL-Spielers Leon Draisaitl beruhigt die deutschen Nerven gegen die Südkoreaner

Sie hätten ja gewusst, dass diese WM ohne 15 Silbermedaillisten von Pyeongchang eine besondere werden würde: eine besonders schwierige für Bundestrainer Marco Sturm und sein Team. "Es ist schade, dass die Spiele so eng waren", sagte Reindl, "manchmal ist es nur ein Schuss, der rein geht oder raus". Er meinte die beiden ersten Partien gegen Dänemark und Norwegen, die das DEB-Team jeweils im Penaltyschießen verloren hat. Hätten sie wenigstens eins gewonnen ... "Das ist alles ,hatt i, dad i, war i'", sagt der Garmischer Reindl; für Nicht-Bayern in etwa: hätte, wäre, wenn. Spekulation also. Der Präsident besinnt sich auf das Positive aus dem ersten Sieg im vierten Auftritt. "Korea ist eine harte Nuss, die muss man erst knacken. Das schaut hinterher so easy aus: 6:1, mhm, nice game. Aber das ist Stress pur, das geht tief in den Magen." Wie die Mannschaft diese Stresssituation gemeistert habe, nötige ihm Respekt ab. "Hut ab", sagt Reindl.

Deutschland - Südkorea

Frederik Tiffels (rechts) aus Deutschland am Tor von Südkorea. Er trifft zum 4:0 für Deutschland.

(Foto: Petr David Josek/dpa)

14:8 Schüsse gaben die Deutschen im ersten Drittel ab, aber das Ergebnis nach 20 Minuten war ein mageres 1:0 durch einen abgefälschten Schuss von Leon Draisaitl (11.). Statt den fahrigen Matt Dalton, einen von sechs eingebürgerten Nordamerikanern im Team der Südkoreaner, mit Schüssen zu beschäftigen, wählte das deutsche Team oft noch einen Pass und noch einen; nur landeten die Pässe allzu oft statt auf dem Schläger des Nebenmanns in dessen Kufen. "Wir können geradliniger spielen, mehr Schüsse zum Tor bringen", sagte Verteidiger Korbinian Holzer hinterher. "Wir haben am Anfang ein bisschen schlampig gespielt", räumte Stürmer Patrick Hager ein. Der Druck sei hoch gewesen, ein Erfolg gegen Südkorea "immens wichtig, um sich nach hinten keine Gedanken machen zu müssen". Immerhin: Die Abstiegsgefahr ist gebannt.

"Wir wussten, dass sie abhauen, dass sie versuchen, mit zwei, drei Mann hinter unsere Verteidiger zu kommen, deshalb mussten wir aufpassen, dass wir an der Blauen Linie keine Scheibenverluste haben", sagte Verteidiger Yannic Seidenberg. Deshalb der vorsichtige Beginn. "Am Anfang waren Nerven dabei", gab Holzer zu, mit 30 Jahren einer der Erfahreneren im Team. "Aber wird sind geduldig geblieben. Die können schon spielen." Marco Sturm sagte: "Im ersten Drittel spielen die Südkoreaner immer gut mit, da kommt immer mal ein Konter aus dem Nichts. Deshalb bin ich froh, dass wir das 1:0 gemacht haben." Draisaitls Führungstor beruhigte die Nerven. Danach spielten die Deutschen ihr Tempo und ihre Technik aus und kamen zu weiteren Treffern von Yasin Ehliz (2), Hager, Seidenberg und Frederik Tiffels.

Draisaitl, nach vier Spielen mit acht Punkten bester deutscher Scorer, hakte den Sieg schnell ab: "Ich möchte nicht respektlos sein", sagte der 22-Jährige, der in der NHL 8,5 Millionen Dollar pro Jahr verdient: "Aber das war ein Spiel, das wir gewinnen mussten. Südkorea ist sehr unangenehm zu spielen, wir haben das größtenteils sehr solide gemacht. Wir wollen jetzt so viele Punkte wie möglich mitnehmen. Das beginnt am Samstag." Dann heißt der Gegner Lettland, ein direkter Konkurrent, wenn die Deutschen ihre Minimalchance aufs Viertelfinale am Leben erhalten wollen. "Das Turnier ist nicht vorbei", wiederholte Seidenberg. "Wenn wir gegen Lettland Punkte holen, dann schauen wir, ob es fürs Viertelfinale reicht oder nicht."

Sturm gab dem Team am Donnerstag frei, die Spieler unternahmen einen Ausflug nach Aarhus. "Es ist alles sehr eng hier", sagte der Bundestrainer, "und es wird auch in Zukunft ein harter Kampf werden." Der Kampf, sich in der Weltspitze zu halten. Anders als etwa die Dänen erhält Sturm keine Unterstützung mehr aus der NHL. Als letzte Option sagte am Mittwoch Stürmer Tom Kühnhackl (Pittsburgh) ab. "Ich gebe jedem die Chance, eine Weltmeisterschaft zu spielen", sagte Sturm. "Leider hat er abgesagt. Aber es ist verständlich. Er ist angeschlagen und ohne Vertrag. Es hat nicht sollen sein." Das Viertelfinale sei "momentan" kein Thema: "Das einzige Thema, das uns interessiert, ist Lettland."

Der Bundestrainer klang dabei so ähnlich wie ein gewisser südkoreanischer TV-Reporter, der in die Heimat berichten muss, dass man halt nicht immer gewinnen kann.

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