Eishockey:Erst ein Ellenbogen-Check, dann eine verhöhnende Geste

Lesezeit: 3 min

  • Wegen diverser Provokationen und Prügeleien ist Steve Pinizzotto vom EHC München wohl der am meisten polarisierende Spieler der Deutschen Eishockey Liga.
  • Im Halbfinale checkt er Mannheims Matthias Plachta übel mit dem Ellenbogen ins Gesicht - der bleibt minutenlang regungslos liegen.
  • Pinizzotto verhöhnt Plachta - und auch der Münchner Trainer fällt mit einer eigenartigen Bewertung der Szene auf.

Von Christian Bernhard, München

Um Steve Pinizzotto war es zuletzt ruhig geworden, so ruhig es eben möglich ist für einen Eishockeyspieler, der als gemeinster Schurke einer ganzen Liga gilt. Pinizzotto, 33, ist Angreifer beim EHC Red Bull München und wegen diverser Provokationen und Prügeleien wohl der am meisten polarisierende Spieler der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Zuletzt war er sowohl spielerisch als auch emotional untergetaucht. Er stand zwar auf dem Eis, fiel aber kaum auf. Doch nun, am Donnerstag, reichte ihm eine Szene, um sich negativ in den Mittelpunkt zu drängen. Womöglich könnte er es nun übertrieben haben.

Pinizzotto hatte im ersten Playoff-Halbfinalspiel zwischen München und den Mannheimer Adlern, das München mit 4:2 für sich entschied, Mannheims Nationalspieler Matthias Plachta in der 47. Spielminute übel mit dem Ellenbogen ins Gesicht gecheckt. Plachta krachte mit dem Kopf ans Plexiglas und blieb minutenlang regungslos auf dem Eis liegen. Kurzzeitig legten ihm die Betreuer eine Halskrause um, ehe er das Eis - gestützt von seinem Mitspieler, dem deutschen Nationalmannschaftskapitän Marcel Goc und Münchens Konrad Abeltshauser - zumindest auf seinen Beinen verlassen konnte.

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"Für so etwas ist im Eishockey kein Platz"

Plachta war dabei sichtlich benommen. Am Freitag teilten die Adler mit, dem Stürmer gehe es "den Umständen entsprechend". Ein weiterer Einsatz in der Serie sei aber "mehr als fraglich". Adler-Geschäftsführer Daniel Hopp schimpfte: "Pinizzotto hat bewusst versucht, einen unserer Topscorer vorsätzlich zu verletzen und aus dem Spiel zu nehmen. Das lassen wir nicht auf uns sitzen." Die DEL leitete nach dem Check, der von den Schiedsrichtern nicht geahndet worden war, auf Antrag der Mannheimer ein Ermittlungsverfahren ein - und sperrte Pinizzotto am Freitag für fünf Spiele.

Pinizzotto war erst im September aufgrund seiner zahlreichen Eskapaden von der Liga zu einem Einzelgespräch geladen worden. Genutzt hat das anscheinend nichts. Er verhielt sich auch nach dem Check grob unsportlich. Erst verhöhnte er den auf dem Eis liegenden Plachta, indem er direkt danebenstehend auf ihn einredete; dann gestikulierte er von der Strafbank aus wild in Richtung des Mannheimer Fanblocks. Zurück von der Strafbank, auf der er am Donnerstag insgesamt 12 Minuten verbrachte, versuchte er vergeblich, eine Prügelei mit Mannheims David Wolf zu provozieren. Der unrühmliche Höhepunkt: Während Plachta immer noch auf dem Eis lag, zeigte Pinizzotto mit dem Finger in dessen Richtung und deutete mit zusammengefalteten Händen an, Plachta habe sich schlafen gelegt.

"Härte gehört zum Eishockey, ich möchte auch hart spielen. Aber man muss immer fair spielen", sagte Mannheims Kapitän Markus Kink. Adler-Trainer Bill Stewart nannte die Aktion "Mist": "Für so etwas ist im Eishockey kein Platz." Er sagte, er fühle sich "von den Schiedsrichtern im Stich gelassen", sprach von einem "totalen Chaos" und einer "inakzeptablen" Leistung der Unparteiischen. "Ich nehme jegliche Strafe auf mich, das ist mir völlig egal. Denn ich bin hier, um meine Spieler zu beschützen." Und er holte weiter aus: Die Liga sei stolz gewesen auf ihre deutschen Nationalspieler und Silber bei den Olympischen Spielen - "aber wenn man Dinge wie heute sieht, dann ist das ein Witz".

Die Stimmung in der Münchner Halle nach dem Spiel war eisig. Daniel Hopp stand nur wenige Meter neben Christian Winkler, würdigte den Münchner Manager aber keines Blickes. Den Namen Pinizzotto sprach kein Mannheimer aus. Stewart nannte ihn "dieser Typ", Kink den "Spieler mit der Nummer 14".

Münchens Trainer Don Jackson - mit sieben Titeln der erfolgreichste Coach der DEL-Geschichte - machte bei der Bewertung der Szene eine unglückliche Figur. Er sprach zunächst von einem "sauberen Check" und erklärte, der Schiedsrichter hätte nicht falsch gelegen: "Er stand ja direkt davor." Erst als ihm eindringlich vermittelt wurde, dass der Check alles andere als sauber war, sagte er: "Was auch immer es ist. Wir warten ab und werden sehen."

Pinizzottos Vergehen bringt eines der größten Probleme des Sports auf die Tagesordnung: Die Checks gegen den Kopf- und Nackenbereich, die Gehirnerschütterungen und schwer einzuschätzende, langzeitliche Gesundheitsschäden zur Folge haben können. Weltweit haben Eishockey-Ligen den Umgang mit solchen Situationen im Fokus, auch die DEL setzt sich dafür ein, die Gesundheit der Spieler zu schützen. Erst vor wenigen Tagen hatte Wolfsburgs Kapitän Tyler Haskins seine Karriere nach mehreren Gehirnerschütterungen mit 31 Jahren vorzeitig beenden müssen. Es sei nicht vorhersehbar, "was passiert, wenn er sich eine weitere Gehirnerschütterung zuziehen würde", sagte Wolfsburgs Sportdirektor Karl-Heinz Fliegauf.

Mannheims Trainer Bill Stewart sagte mit Blick auf Pinizzottos Aktion, dass er von keinem seiner Spieler so etwas dulde, "und ich bin mir sicher, Donnie (Jackson, Anm.) würde nicht akzeptieren, was der Typ getan hat". Doch da täuschte er sich anscheinend. Auf die Frage, ob es für Jackson eine Option sei, Pinizzotto für das zweite Spiel der Serie am Samstag unabhängig von einer Sperre nicht aufzustellen, antwortete der Münchner Trainer entschieden: "Das würde mir niemals in den Sinn kommen. Es wird nicht passieren."

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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