Eishockey:Ein wenig Luft zum Atmen

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Zehn Spieltage vor Beginn der Playoffs startet der EHC einen womöglich entscheidenden Zwischensprint für den Hauptrunden-Sieg. Die Münchner dominieren die Deutsche Eishockey Liga wieder.

Von Christian Bernhard

Das Spiel war vorbei, eigentlich wäre Jon Matsumoto längst in der Kabine bei seinem Team. Aber der Stürmer des EHC Red Bull München hatte gerade einen erfolgreichen Arbeitstag hinter sich, und von seiner guten Laune sollte auch sein Sohn Chase etwas abbekommen. Also packte Matsumoto den knapp Dreijährigen auf eine orangefarbene Plastikrobbe, mit der Kinder normalerweise Schlittschuhlaufen lernen, und sauste mit ihm quer übers Eis. Vor der Nordkurve der Münchner Olympia-Eishalle jubelte und applaudierte Chase den noch verbliebenen Münchner Fans zu - so, wie es der Papa kurz zuvor im Kreise seiner Mannschaftskollegen getan hatte.

Matsumoto hatte am Sonntag mit einem Treffer dazu beigetragen, dass der EHC das enge und emotionale Spitzenspiel der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gegen die Nürnberg Ice Tigers mit 4:3 gewann. Der Sieg gebe dem EHC "ein wenig Luft zum Atmen", sagte Matsumoto.

Statt Platz eins hinterherzujagen, hat der EHC nun einige Punkte Vorsprung auf seine Konkurrenz

In Wirklichkeit raubte er der Konkurrenz den Atem. Denn während Nürnberg und die Eisbären Berlin - Münchens Konkurrenten um Platz eins - ihre Spiele am Wochenende verloren, siegte der EHC zweimal. Statt der Tabellenspitze hinterherzujagen, hat das Team von Trainer Don Jackson plötzlich fünf Punkte Vorsprung auf die Franken und sieben auf die Eisbären.

"Natürlich wollten wir heute ein Statement setzen", sagte Kapitän Michael Wolf. Der Sieg sei ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung" gewesen. Er war wohl mehr als das. Zehn Spieltage vor Beginn der Playoffs könnte dieses Wochenende ein entscheidender Zwischensprint in Richtung Hauptrunden-Sieg gewesen sein, den sich der EHC bereits in den vergangenen zwei Spielzeiten sichern konnte.

Die Gründe für die erneute Dominanz sind vielfältig. Zum einen stehen Trainer Jackson mit Ausnahme des verletzten Verteidigers Markus Lauridsen alle Spieler zur Verfügung. Der Verein mit dem tiefsten Kader der Liga kann in der entscheidenden Phase auf alle Leistungsträger zählen. Gut für München, schlecht für die Konkurrenz. Die Nürnberger zeigten am Sonntag erneut, dass sie dem EHC die meisten Probleme bereiten können. Doch: "Wir versuchen, auf das Level der Münchner zu kommen. Wir sind noch nicht da", sagte Nürnbergs Trainer Rob Wilson.

Am Sonntag waren die Franken nah dran, speziell im Mitteldrittel, als sie deutlich stärker als die Münchner waren und mehrere Chancen auf das 3:1 hatten. Sie nützten sie aber nicht - und der EHC traf zu Beginn des Schlussdrittels zweimal.

"Das ist der Grund, warum sie die sind, die sie sind", sagte Wilson. Er meinte damit: der Meister der vergangenen zwei Jahre. "Du darfst gegen sie nicht nachlassen. Niemals." Stichwort Konstanz. In den vergangenen 16 Partien blieb der EHC nur einmal ohne Punkte, 14 dieser Spiele gewann er, darunter zwei Mal knapp gegen Nürnberg und ein Mal deutlich gegen Berlin. "Wir spielen eine wirklich beständige Saison", betonte Jackson, "es sagt viel über den Charakter der Mannschaft aus, dass wir fast immer punkten."

Kein Team der DEL kommt auf so viele verschiedene zweistellige Torschützen wie München

Das wiederum stärkt das ohnehin große Selbstbewusstsein. Selbst wenn die Münchner zurückliegen, bleiben sie ruhig und konzentrieren sich auf ihre Stärken. "Die Mannschaft hat so viel Potenzial und in den letzten Jahren so viel Selbstvertrauen gesammelt, dass ich sagen kann: Wir können jedes Spiel drehen", sagte Wolf. Und das auf unterschiedlichste Art: Acht EHC-Spieler haben zehn Tore oder mehr auf ihrem Konto, kein anderes DEL-Team kommt auch nur annähernd auf so viele verschiedene zweistellige Torschützen. Das sind fast drei volle Angriffsreihen.

Aus dem Kollektiv ragen zwei Spieler heraus. Der 39-jährige Keith Aucoin ist mit 53 Punkten der beste Scorer der Liga, im Schnitt verbucht er mehr als eine Torvorlage pro Spiel (43 in 42 Spielen). "Manchmal findet er mich, obwohl ich nicht einmal einen Passweg für möglich gehalten hätte", sagte Brooks Macek. Aucoins Nebenmann ist der größte Profiteur von dessen Übersicht, nicht zufällig erzielte Macek gegen Nürnberg seine Saisontore Nummer 20 und 21. Nur Berlins Sean Backman hat ligaweit einmal öfter getroffen. Gegen den Tabellenzehnten aus Düsseldorf (Freitag) und den Letzten Straubing (Sonntag) dürften am Wochenende weitere Punkte auf ihr Konto dazukommen.

Als Matsumoto am Sonntag irgendwann dann auch in die Kabine kam, saßen die Trainer längst bei der Pressekonferenz. "Wir haben noch Arbeit vor uns", sagte Wilson. Und Jackson antwortete: "Rob, dein Team war über einige Strecken besser. Wir haben auch noch viel zu tun." Es klang wie eine Drohung an den Rest der Liga.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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