Eishockey:Dreijahresplan mit Treppenwitz

Tölz - Landshut

Treffen der Altmeister: Bad Tölz (in schwarz-gelb) verliert das dramatische Derby gegen Landshut 1:2 nach Verlängerung.

(Foto: Natascha Eymold)

Bad Tölz und Landshut sind stolz auf ihre Vergangenheit - das Problem ist die Zukunft.

Von Sebastian Fischer

Spät am Abend füllt sich im Tölzer Eisstadion der Vip-Raum, natürlich gibt es den auch in der Oberliga. Der EC Bad Tölz hat gegen den EV Landshut in einem dramatischen Eishockeyspiel 1:2 nach Verlängerung verloren. Doch im Vip-Raum, wo nach dem Spiel auch die Pressekonferenz stattfindet und jeder, der möchte, zuhören darf, handeln die Gespräche von einem anderen Thema. Am Fernseher ist der Videotext eingeschaltet, die Ergebnisse der Oberliga Süd flimmern über den Bildschirm: "Glaubst' des?", meint einer zum anderen: "Schönheide schlägt Deggendorf!" Das ist der Stoff, aus dem im Dezember 2015 in Tölz und in Landshut die Gespräche sind. Bei zwei der traditionsreichsten Eishockeyklubs in Deutschland.

Aus alter Gewohnheit ist das Publikum in Tölz anspruchsvoll

Es ist kein gewöhnliches Drittligaspiel gewesen am vergangenen Sonntagabend. Tölz gegen Landshut, das ist auch das Duell des deutschen Meisters von 1962 und 1966 gegen den Meister von 1970 und 1983. Bevor Eishockey ein Sport für Konzerthallen war, die nach Nachos mit Käse riechen, spielten hier die Besten: Lorenz Funk und Erich Kühnhackl, Olympiabronzemedaillengewinner von 1976, um nur zwei Namen zu nennen. Noch immer werden an beiden Standorten herausragende Talente ausgebildet, Tölz und Landshut sind zwei von drei Oberligisten, deren Nachwuchs in der höchsten Liga spielt. Stürmer Tobias Rieder war der letzte Landshuter, der es in die NHL schaffte. In der Ahnengalerie im Treppenhaus des Tölzer Stadions zeigt das letzte Bild Verteidiger Korbinian Holzer, 27, der bei den Anaheim Ducks in der NHL unter Vertrag steht. Sie sind zurecht stolz auf die Vergangenheit in Tölz und Landshut. Das Problem ist die Zukunft.

"In den nächsten zwei, drei Jahren sollten wir das schaffen", sagt Thomas Maban. Der Geschäftsführer der Tölzer Löwen meint den Aufstieg in die zweite Liga. 2009 haben sie dort zuletzt gespielt, dann drohte die Insolvenz. Seitdem treten sie in der Oberliga gegen Deggendorf an, oder gegen Schönheide aus dem Erzgebirge. Maban sagt: "Auf Dauer wird das uninteressant." Das Publikum in Tölz ist aus alter Gewohnheit anspruchsvoll. Als der Start in die laufende Saison schiefging, kamen nur noch ein paar Hundert Menschen zu den Heimspielen. Auch gegen Landshut sind mehr Sitze freigeblieben, als sich Maban gewünscht hatte. Immerhin rund 1300 sind da. Sie sind gut gelaunt, Tölz spielt besser als der Favorit aus Landshut. Sie werden laut, als Klaus Kathan das 1:0 schießt.

Der frühere Nationalspieler Kathan, 38, lässt in der Tölzer Heimat die Karriere ausklingen. Sein Bild hängt schon jetzt in der Ahnengalerie. Das Produkt Eishockey in Tölz modern an Fans und Sponsoren zu verkaufen, bereitet Maban durchaus Mühe. Sie werden es bald wieder mit einer Ladies-Night versuchen, sagt er. Das Spiel gegen Landshut war am Nikolaus-Day.

"Da müssen wir noch dazulernen", sagt Maban. Er weiß auch schon, von wem auf gar keinen Fall: vom EV Landshut.

Die junge Geschichte des EVL taugt als Schreckensbeispiel. Der EVL hatte sein Schicksal in die Hände eines Münchner Immobilienhändlers gegeben, das Ende ist bekannt: Rainer Beck versprach die große Zukunft, war Alleingesellschafter, investierte. Landshut spielte in der zweiten Liga recht erfolgreich - doch dann waren die Kassen leer und kein Ausweg in Sicht. Der Absturz in die Bezirksliga wurde noch abgewendet, es ging zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte in der Oberliga weiter. "Wir brauchen in Tölz mehrere Sponsoren", sagt Maban daher, keinen Gönner: "Sonst stehen wir plötzlich vor einem Scherbenhaufen." Was im Eishockey seiner Meinung nach nicht so ungewöhnlich ist: "Es erwischt alle Jahre wieder einen." Mabans Landshuter Kollege heißt Robert Altinger. Der hauptberufliche Prokurist ist kommissarischer Geschäftsführer der Eishockey GmbH. Er steht am Sonntagabend im Vip-Raum und verfolgt das Spiel durch die Plexiglasscheibe, seine Mannschaft liegt zurück. Es gehe für den EVL in dieser Saison ums Überleben, Monat für Monat, sagt er. Den Verein drücken Schulden bei der Stadt im hohen fünfstelligen Bereich, dazu kommen Schulden bei mehreren Gläubigern, auch mit Beck sind noch Rechnungen offen. Knapp 40 000 Euro muss der EVL monatlich abbezahlen. Es darf sich eigentlich niemand verletzen, die Mannschaft darf nie mehrere Spiele hintereinander verlieren, denn das kostet Zuschauer und damit viel Geld. Mit 1800 Gästen kalkulieren sie pro Heimspiel. Der Plan ist, in zwei Jahren schuldenfrei zu sein.

Altinger gibt sich Mühe, Zuversicht auszustrahlen. Es müsse nun wieder Ruhe einkehren in Landshut, es müsse wieder um Eishockey gehen. Wären die Schulden nicht, würde der EVL gerade Überschüsse erwirtschaften, sagt er. Das Vertrauen in den EV Landshut scheint ungebrochen: Als im November die Rate bei der Stadt nicht bezahlt werden konnte, weil der Spielplan zu wenige Heimspiele vorsah, sagten sie kurz dem Bürgermeister Bescheid, man ist per Du, kein Problem.

25 Prozent der Anteile an der Eishockey GmbH sollen bald wieder dem Stammverein gehören. Und wenn es irgendwie geht, soll natürlich der talentierte Nachwuchs bleiben. Zumindest sollen die ausgebildeten Talente Geld bringen, wenn sie gehen. Es geht ja nicht nur um Spieler wie Rieder , die es irgendwann nach Nordamerika zieht. Die anderen wechseln eben in die DEL. In Tölz ist Junioren-Nationalspieler Tobias Eder, 17, einer der besten Spieler. Die Rechte an ihm liegen beim EHC München. Ausbildungsentschädigungen wie im Fußball sind im Eishockey eine Utopie, sie gibt es einfach nicht. Gerade würden sie an einer entsprechenden Klausel in den Verträgen arbeiten, sagt Altinger.

Zum vergangenen Spiel kamen 4500 Zuschauer nach Landshut

Bei allen hehren Zielen bleibt die Gegenwart kompliziert. Der im Sommer abberufene Geschäftsführer Christian Donbeck arbeitet noch in der EVL-Geschäftsstelle. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Betrugs und Insolvenzverschleppung, sie erwartet seine Verteidigung. Noch schwerer wiegt, dass der Kader in großen Teilen noch Zweitligagehälter verdient, also viel zu teuer ist. Die Mannschaft soll am besten schon in diesem Jahr wieder aufsteigen. Gerade ist sie Siebter. Die Spieler ziehen den Druck wie schwere Schlitten auf dem Eis hinter sich her.

Auf die Frage nach der Zukunft in alten Eishockey-Hochburgen wie Tölz und Landshut gibt es zwei Antworten. Die eine oben, im Vip-Raum. Der Tölzer Trainer Axel Kammerer sagt: "Das heute war ein Spiel, über das die Leute mal wieder reden." Die Leute haben jede seiner Aussagen auf der Pressekonferenz beklatscht. Sogar Ottfried Fischer war da, der Bulle von Tölz, mit gelbem Eishockeyschal. Kammerer klingt zufrieden, trotz Niederlage. Dann spricht er über den Dreijahresplan, der Tölz in die zweite Liga führen soll. Kammerer zögert, er verzieht das Gesicht. Ohne zu wissen, dass er damit den Treppenwitz dieser Geschichte liefert, sagt er: "Wir brauchen einen Gönner." Ohne geht's offenbar nicht. Doch dann ist da noch die Antwort, die der Sport gibt. Zum Heimspiel gegen Regensburg kamen 4500 Zuschauer nach Landshut, für die Oberliga unglaublich. Auch beim Spiel in Tölz sind mehr als hundert Gästefans dabei. Beim Stand von 0:1 sind noch vier Zehntelsekunden zu spielen, da stochert Landshuts Max Hofbauer den Puck zum Ausgleich ins Tor. Im Gästeblock liegen sich schreiende Menschen in den Armen, fallen übereinander. In der Verlängerung trifft der Kanadier Cody Thornton zum 2:1. Dann: La Ola, Humba. Als die ersten Lichter ausgehen und im Vip-Raum die Pressekonferenz beginnt, singen die Fans immer noch.

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