Einzelkritik der Münchner:Keine Zeit für den Hauptgang

Philipp Lahm macht Pep glücklich, Franck Ribéry erschöpft an seiner eigenen Emotionalität, Robert Lewandowski hat seinen süßen Moment zu spät - der FC Bayern in der Einzelkritik.

Von Benedikt Warmbrunn

Manuel Neuer: Sagte vor dem Spiel weise, dass der FC Bayern ja 90 Minuten habe, um ein Tor zu erzielen. Sagte in Anspielung auf die zuletzt verpassten Finaleinzüge auch weise, dass aller guten Dinge bekanntlich drei seien. Als der FC Bayern noch 36 Minuten hatte, konnte er nicht verhindern, dass nun nur noch zwei weitere Tore zum Finaleinzug reichten. Als der FC Bayern noch sechs Minuten hatte, bewahrte er mit einer Elfmeterparade den Glaube an die Aller-guten-Dinge-sind-drei-Regel.

Philipp Lahm: Die Leute könnten ja gar nicht verstehen, wie glücklich Pep sei, diesen Lahm zu haben. Schwärmte Pep Guardiola vor dem Spiel. In der zehnten Minute war Pep wieder glücklich, da fing Lahm als letzter Mann einen Ball ab. Stand auch sonst immer richtig, meistens, indem er einfach überall gleichzeitig war. Als rechter Flügelflitzer, den er zwischendurch spielte, dribbelte er gelegentlich in Arjen-Robben-Manier in die Mitte. Spielte dann ein paar kluge Zuspiele. Konnte nach dem Gegentor nicht mehr überall gleichzeitig sein, weil er aus taktischen Gründen mehr im Zentrum spielen musste.

Jérôme Boateng: Zuletzt hatten die Leute ganz gut verstanden, wie glücklich Pep ist, diesen Boateng zu haben. Da fehlte dieser 99 Tage lang verletzt. Stellte seinen wuchtigen Körper stets richtig, spielte ein paar präzise weite Bälle über die spanische Mauer hinweg. Spielte vor dem Gegentor allerdings einen Pass, über den Pep ganz und gar nicht glücklich war.

Javier Martínez: Entwickelt sich immer mehr zu einem baskischen Boateng. Der eine oder andere präzise weite Pass, vor dem Elfmeter stellte er seinen ebenfalls beachtlichen Körper so richtig, dass ihn Giménez im Strafraum foulte. Stand auch in der wackligen Phase nach dem Gegentor durchgehend richtig. War an diesem Abend der zuverlässigere Boateng, selbst als er Torres vor dem Elfmeter foulte. Stand dabei schließlich außerhalb des Strafraums.

Fussball Championsleague : FC Bayern Muenchen - Atletico Madrid

Engagiert, auch am Ball: Bayern-Trainer Pep Guardiola läuft Jérôme Boateng ab.

(Foto: Christina Pahnke)

David Alaba: Nachdem er sich zuletzt öfters als österreichischer Boateng versuchen musste, durfte er wieder auf seiner ursprünglichen Stammposition auf der linken Abwehrseite anfangen. Spielte mit einem Vorwärtsdrang, als habe ihm jemand gesagt, dass der FC Bayern nur 60 Minuten für das eine Tor habe. Machte in diesem Tempo weiter, als die erste Stunde vorbei war. Musste er auch, weil er vor dem Gegentor den Ball hatte durchrutschen lassen.

Arturo Vidal: Bei ihm können die Leute tatsächlich noch nicht so richtig verstehen, wie glücklich Pep ist, ihn zu haben. Auch zum Rückspiel hatte ihn Guardiola noch nicht in einen Passspieler nach seinen Wünschen verwandelt, weswegen Vidal einfach weiterhin das machte, was er kann. War überall dort, wo Lahm nicht war. Schnappte einmal sogar Costa den Ball weg. Übernahm mit Distanzschüssen früh Verantwortung. War vor dem Gegentor überall, aber nicht dort, wo er sein sollte. Ob Pep glücklich war?

Xabi Alonso: Wusste noch am besten, wie man sich beim Rückspiel in München fürs Finale qualifiziert, 2014 war ihm dies gelungen. Damals spielte er allerdings für Real Madrid. Mit der Ruhe des ewigen Seebären meisterte er die knifflige Aufgabe, seine Mitspieler in all die Räume zu dirigieren, die noch nicht von Lahm oder Vidal besetzt waren. Beim 1:0 nutzte er all seine Routine, um den Ball unter Zuhilfenahme der Beine von Giménez ins Tor zu schießen. Klopfte nach dem Gegentor routiniert voller Zorn auf den Rasen, weil er ahnte, dass er sich nicht ein weiteres Mal in München fürs Finale qualifizieren würde. An ihm lag es am wenigsten, dass Neuer mit seinen Vorhersagen nicht recht hatte.

Fünfmal im Finale - Münchens Champions-League-Bilanz seit 1999

1999 - Finale Manchester Utd. 1:2 (1:0)

2000 - Halbfinale Real Madrid 0:2 / 2:1

2001 - Sieg FC Valencia i.E. 5:4 (1:1)

2002 - Viertelfinale Real Madrid 2:1 / 0:2

2003 - Aus in der Gruppenphase

2004 - Achtelfinale Real Madrid 1:1 / 0:1

2005 - Viertelfinale FC Chelsea 2:4 / 3:2

2006 - Achtelfinale AC Mailand 1:1 / 1:4

2007 - Viertelfinale AC Mailand 2:2 / 0:2

2008 - Nicht qualifiziert

2009 - Viertelfinale FC Barcelona 0:4 / 1:1

2010 - Finale Inter Mailand 0:2 (0:1)

2011 - Achtelfinale Inter Mailand 1:0 / 2:3

2012 - Finale FC Chelsea i.E. 3:4 (1:1)

2013 - Sieg Bor. Dortmund 2:1 (0:0)

2014 - Halbfinale Real Madrid 0:1 / 0:4

2015 - Halbfinale FC Barcelona 0:3 / 3:2

2016 - Halbfinale Atlético Madrid 0:1 / 2:1

Douglas Costa: Zuletzt in der Bundesliga geschont, er hatte ja, erklärte Guardiola, "viele Minuten in den Beinen". Hatte nach wenigen Minuten schon viele Meter in den Beinen, wanderte von seiner rechten Seite oft in die Mitte. All die Minuten und Meter waren ihm als einem der wenigen anzumerken, sein Spiel blieb zersetzt von kleineren und größeren Ungenauigkeiten. Versuchte es immerhin nach der Aller-guten-Dinge-sind-drei-Regel immer wieder aufs Neue. 73 Minuten waren an diesem Abend genug in seinen Beinen, Coman kam.

Franck Ribéry: Spielte in seiner nie zu unterschätzenden Funktion als Mann für die Emotionen. Brachte mit jedem Dribbling, mit jedem Zweikampf die Zuschauer auf seine Seite. Brachte auch, anders als zuletzt, mit dem einen oder anderen Dribbling den Ball am Gegenspieler vorbei. Erinnerte in vielen Szenen der ersten Halbzeit in Dynamik und Gewitztheit an den Ribéry von schon fast vergangen geglaubten Zeiten. Hatte seine beste Szene, als er den wild gewordenen Atlético-Trainer Diego Simeone vom ebenso wild gewordenen FCB- Assistenten Hermann Gerland fern hielt. War von all dieser Emotionalität in der zweiten Halbzeit etwas erschöpft.

Thomas Müller: Spielte, weil er immer spielt. Schießt, weil er immer spielt, auch jeden Elfmeter. Verschießt eigentlich nicht immer jeden Elfmeter, nun aber schon den zweiten in der Champions League in Serie (zuletzt im Dezember in Zagreb).

Robert Lewandowski: Hält sich bei seinen Mahlzeiten immer an folgende Reihenfolge: Nachtisch. Hauptgang. Salat. Zuletzt wirkte seine Formkurve ähnlich, im Hinspiel zum Beispiel hatte er keine Szene im Strafraum. Im Rückspiel holte er all das auf. Hatte dann mit dem Tor zum 2:1 noch seinen süßen Nachtischmoment. Danach blieb allerdings keine Zeit mehr für Hauptgang und Salat.

Kingsley Coman: Kam für Costa, konnte Pep in 17 Minuten allerdings auch nicht mehr so richtig glücklich machen.

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