Einwechselspieler bei der Fußball-EM:Schürrle macht nur Wind

Einwechselspieler bei der Fußball-EM: Zwei, die sich oft an der Seitenlinie abklatschen: André Schürrle (links) wird eingewechselt - und Mario Götze muss gehen.

Zwei, die sich oft an der Seitenlinie abklatschen: André Schürrle (links) wird eingewechselt - und Mario Götze muss gehen.

(Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Es ist quasi ein Löw'sches Gesetz: In Halbzeit zwei kommt André Schürrle - dabei hilft er der Mannschaft kaum.

Von Philipp Selldorf, Paris

Neulich im Stade de France verlangten die deutschen Anhänger den Einsatz von Mario Gomez, nachdem sich Mario Götze in einen Zustand gespielt hatte, der nur noch mit Auswechslung kuriert werden konnte. Und tatsächlich reagierte der Bundestrainer zügig: Er wechselte Götze aus - und wechselte André Schürrle ein.

André Schürrle, 25, ist der Nationalspieler, der offenbar niemals fehlen darf. Es kann Winter oder Sommer sein, regnen oder schneien oder so heiß sein wie in der Atacama-Wüste um zwölf Uhr mittags: Immer steht irgendwann Schürrle auf dem Platz. Hierbei scheint es sich um einen rituellen und unvermeidlichen Vorgang zu handeln. Über seine Einwechslung besteht absolute Gewissheit.

Man weiß, dass die Nacht den Tag ablöst, und man weiß, dass im Laufe der fortgeschrittenen zweiten Hälfte Schürrle eingewechselt wird. Die vom DFB verbreiteten Statistiken besagen, dass Schürrle in 54 Länderspielen 36-mal eingewechselt wurde, aber das kann nicht stimmen. Es kommt einem vor, als ob er in 36 Spielen 54-mal eingewechselt wurde.

Wann kommt endlich Leroy Sané?

Auch am Dienstag im Prinzenpark hat Joachim Löw seinen Schürrle eingewechselt. Wieder musste Götze den Posten räumen, obwohl diesmal niemand nach Gomez verlangt hatte, weil dieser ja bereits mitspielte. Wieder hatte aber auch niemand nach Schürrle verlangt, denn es liegt nahe, dass seine ständige Hinzunahme als eintönig empfunden wird, ungefähr so, als ob es als Beilage zum Essen immer nur Reis geben würde, Reis, Reis, Reis. Schon deshalb waren sich während der vergangenen Tage die vielen Millionen deutschen Bundestrainer darüber einig, dass es jetzt mal an der Zeit wäre, den Einsatz von Leroy Sané zu wagen.

Zwar wissen die wenigsten, wie Sané ins Spiel der Nationalelf passen würde, aber er ist ein Spieler, der viel Platz für Fantasie lässt. Seine schnellen Läufe, seine Dribblings und Tore und sein siebter Sinn fürs richtige Abspiel haben ihn während der vorigen Bundesligasaison im ganzen Land bekanntgemacht, die halbe Premier League ist jetzt hinter ihm her und der FC Bayern auch. Löw war schnell fasziniert von Sanés Fähigkeiten, schon im Herbst des vorigen Jahres reifte in ihm der Entschluss, den Schalker Junior zur Euro mitzunehmen.

Löws imponierende Geduld

Aber am Dienstagabend stand dann plötzlich doch wieder Schürrle bereit, um anstelle von Götze die Position am linken Flügel einzunehmen. Löws imponierende Geduld mit dem Wolfsburger beruht ganz gewiss nicht auf der Dankbarkeit für die Flanke auf Götze, die Deutschland zum Weltmeister machte. Vermutlich war es dem Bundestrainer einfach zu riskant, beim Spielstand von 1:0 den unerfahrenen Sané auszuprobieren.

Also halt wieder Schürrle. Wie das bei ihm so ist, reihte er sich umstandslos in den Betriebsablauf ein, er ist ein Einwechselspieler, der wie auf Knopfdruck ans Werk geht. Die Nordiren sahen sich somit vom einen auf den nächsten Moment mit einem neuen Gegner konfrontiert, der in hohem Tempo die Linie entlangstürmte. Ein paar Minuten hat sie diese neue Gefahr alarmiert, dann eher nicht mehr. Die Nordiren erlebten, was zuvor schon die Polen und die Ukrainer erlebten.

Oft agiert Schürrle kopflos

Schürrle stellt eine potenzielle Gefahr dar, er macht viel Wind und sorgt für Unruhe. Mehr aber nicht. Oft agiert er kopflos. Seine Flanken pflegen in entlegenen Lufträumen über den Strafraum hinwegzufliegen. Seine Wirkung in Paris: geringfügig.

So bleibt die linke Seite eine Vakanz im deutschen Aufstellungsbild. Julian Draxler hat sich dort nur partiell bewährt. Mit Mario Götzes oft halbgarem Spiel war Löw auch nicht zufrieden, bis er sich dann einmal so sehr über eine Aktion ärgerte, dass er ihn bereits nach 55 Minuten austauschte. Wie meistens gegen seinen WM-Endspiel-Flankenpartner Schürrle. Über den sich Löw schon nach der ersten Szene dann auch furchtbar geärgert hat. Vielleicht sollte sich der Bundestrainer zu seinem eigenen Wohl einmal etwas Neues einfallen lassen.

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