Eintracht unterliegt Bayer 1:3:Zwei Patienten

"Die waren ja selbst erschrocken, dass sie ein Tor gemacht haben": Frankfurt erleidet Rückfall, Bayer bessert sich.

Von Tobias Schächter, Frankfurt

Nachdem Eintracht Frankfurt vor vier Wochen gegen Borussia Mönchengladbach im eigenen Stadion mit 1:5 untergegangen war, rief Armin Veh eine kleine Revolution aus. Jetzt müsse seine Mannschaft erst einmal wieder Stabilität gewinnen, und das gehe nicht mit jenem offensiven, schönen Fußball, den er als Trainer eigentlich lehre. Danach gewann die Eintracht glücklich in Hannover (2:1), trotzte dem FC Bayern mit einer notorischen Mauertaktik deren ersten Punktverlust ab (0:0), und auch in Hoffenheim erwirtschaftete die Eintracht zwar ein bescheidenes Nullnull - allerdings mit einer spielerisch verbesserten Leistung.

Wer nun aber gedacht hatte, der Frankfurter Patient befinde sich mit kleinen Schritten auf dem Wege der Besserung, sieht sich nach der Länderspielpause getäuscht. Am Samstag setzte es eine 1:3 (1:2)-Heimpleite gegen Bayer Leverkusen, das mit dem leichten Auswärtssieg nach zuvor drei Pflichtspiel-Niederlagen in Serie wachsende Zweifel beschnitt und mit 20 Punkten wieder an die angestrebten Champions-League-Plätze heranrückte. Der überragende Kevin Kampl sagte: "Der Sieg war verdammt wichtig, sonst wären wir wieder hinterhergedackelt." Und Trainer Schmidt diagnostizierte: "Wir haben guten Fußball gespielt und eine reife Leistung gezeigt." Tatsächlich dominierte Leverkusen das Spiel von Beginn an, Nervosität oder Verunsicherung waren bei den Bayer-Profis nicht zu spüren.

Eintracht unterliegt Bayer 1:3: Allen Grund zur Freude: Javier Hernandez steuert zwei Tore zum Leverkusener Sieg in Frankfurt bei.

Allen Grund zur Freude: Javier Hernandez steuert zwei Tore zum Leverkusener Sieg in Frankfurt bei.

(Foto: Michael Probst/AP)

Bei Druck setzt Veh auf die Routiniers

Wobei es ihnen die Eintracht aber auch wirklich leicht machte. Von Beginn an wirkte es so, als spiele Frankfurt mit einem Mann weniger. Wie gegen den Tabellenführer aus München verbarrikadierten sie sich in der eigenen Hälfte, sie vergaßen diesmal allerdings, die dazu nötige Aggressivität in den Zweikämpfen abzurufen. Und als nach 22 Minuten der einzige Stürmer Luc Castaignos vom Platz humpelte (Verletzung am Syndesmoseband), fiel Vehs Konterplan in sich zusammen. Weil Haris Seferovic gesperrt fehlte und Vaclav Kadlec, der im Januar nach Dänemark wechselt, nicht im Kader stand, wechselte Veh für Castaignos Rechtsverteidiger Timothy Chandler ein, schob Alexander Meier ganz nach vorne, Marc Stendera auf die Zehnerposition und Makoto Hasebe von hinten rechts ins Mittelfeld. "Ich habe gesehen, dass wir Druck haben, da bringe ich lieber einen erfahrenen als einen jungen Spieler", erklärte Veh später seinen defensiven Wechsel. Weil Stefan Reinartz und Johannes Flum verletzt fehlten, hatte er fast ausschließlich Talente auf die Ersatzbank beordert, denen Veh die Bundesliga aber noch nicht wirklich zutraut.

Als nur eine Minute nach Castaignos' Verletzung dann Leverkusens Javier "Chicharito" Hernandez die Führung erzielte - Medojevic hatte den Ball im Spielaufbau gegen Kampl verloren - passte Vehs Wechsel nicht mehr so recht zum Spiel. Und als "Chicharito" in der 39. Minute nach herrlichem Pass von Hakan Calhanoglu das 2:0 erzielte, schien die Partie bereits entschieden zu sein. Allerdings befand sich Hernandez, der nun zehn Treffer in den vergangenen sieben Spielen produziert hat, knapp im Abseits. Und: Die Eintracht schaffte durch einen Kopfball von Slobodan Medojevic mit ihrem ersten Torabschluss kurz vor dem Pausenpfiff überraschend das 1:2. "Die Frankfurter waren ja selbst erschrocken, dass sie ein Tor gemacht haben", scherzte Bayers Sportchef Rudi Völler nach der Partie.

Schema & Statistik

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Für Aufbruchstimmung steht Veh nicht

Tatsächlich war der Sieg der Leverkusener hochverdient, auch wenn Frankfurts Stefan Aigner noch die große Chance zum 2:2 vergab (59.). "Wer weiß, wie das Spiel ausgegangen wäre, wäre uns da der Ausgleich gelungen", haderte Veh hinterher. Noch mehr haderte er aber mit dem 3:1 von Calhanoglu, das die Partie endgültig entschied (72.). Veh warf dem eingewechselten Chandler vor, Calhanoglu die Lücke aufgemacht zu haben, letzterer nutzte die Leerstelle für einen feinen Schlenzer mit seinem feinen rechten Fuß. Während die Leverkusener jetzt mit Selbstvertrauen in eine schwere Woche mit dem Champions-League-Spiel bei Bate Borissow am Dienstag und dem Liga-Heimspiel gegen Schalke gehen, haben die Frankfurter vor dem nahenden Derby einen Rückfall erlitten, in Richtung Abstiegsplätze.

So recht weiß in Frankfurt derzeit niemand, wofür diese Eintracht mit hessischem Catenaccio à la Veh eigentlich steht - nur, wofür sie derzeit eher nicht steht: Für eine Aufbruchsstimmung, wie sie sich die Verantwortlichen mit der Verpflichtung von Armin Veh erhofft hatten.

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