Eintracht Frankfurt:Romantisch, aber naiv

Armin Veh misslingt erneut der Versuch, eine alte Liebe aufzuwärmen - weswegen ihn der Klub freigestellt hat.

Von Tobias Schächter, Frankfurt

Es ist ein besonders unangenehmer Termin für Heribert Bruchhagen. Am Sonntagmorgen ist es nass und eiskalt, als der Vorstandsvorsitzende von Eintracht Frankfurt den Weg von der Geschäftsstelle hinunter zur Arena geht und dort die Entlassung von Trainer Armin Veh erklärt. Bruchhagen hasst Trainerentlassungen, er hätte den Auftritt gerne vermieden. Nur in der Saison 2010/11 hatte er mal in ähnlicher Lage Michael Skibbe entlassen, die Eintracht stieg danach mit Christoph Daum trotzdem ab. Im Sommer geht Bruchhagen nach 13 Jahren bei der Eintracht in Rente. Neun Spieltage vor Saisonende jetzt noch Veh beurlauben zu müssen, ist ihm schwer gefallen. Und doch sagt er, dass er dies aus Überzeugung tat.

Am Samstag hatte die Eintracht gegen Aufsteiger Ingolstadt nur 1:1 gespielt. Seit sieben Spielen wartet sie auf einen Sieg, der Klassenerhalt ist für den Tabellen-16. stark gefährdet. Die Stimmung ist schon vor Wochen gekippt - gegen Veh. Vor dem Ingolstadt-Spiel gab es schon beim Verlesen des Trainernamens "Armin raus"-Rufe, die nach dem Abpfiff immer lauter ertönten. Und auch wenn Bruchhagen betont, sich nicht von der negativen Stimmung getrieben haben zu lassen, war das negative Votum vieler Fans neben der sportlich prekären Lage eine zusätzliche Hypothek, die auch die Eintracht-Führung nicht länger ignorieren konnte.

Die Kernbotschaft Bruchhagens lautete Sonntagfrüh: "Wir erhoffen uns durch den Trainerwechsel eine Befriedung des Umfeldes und eine Leistungssteigerung." Mit Veh schien eine Wende nicht mehr möglich zu sein, zu alarmierend waren die jüngsten Auftritte der verunsicherten Elf. Bruchhagen sagte nach dem Gespräch mit Veh: "Ich glaube, er war auch ein bisschen befreit. Der Druck war zuletzt so immens, dass es für ihn als Trainer auch schwer ist, die notwendige Motivation auszustrahlen."

Armin Veh entlassen

Armin Veh kam noch einmal nach Frankfurt, um träumen zu können. Es wurde ein Albtraum.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Samstagnacht hatte Bruchhagen Veh telefonisch schon vor den finalen Gesprächen mit Sportdirektor Bruno Hübner, seinen Vorstandskollegen und dem Aufsichtsrat sein negatives Votum mitgeteilt. Danach sei die Entscheidung für die Entlassung "einstimmig" gefallen. Veh war am Sonntag nicht mehr beim Auslaufen der Mannschaft, Assistent Reiner Geyer übernahm übergangsmäßig. Bruchhagen will "zeitnah" einen Nachfolger präsentieren, der bereits das kommende Auswärtsspiel in Mönchengladbach vorbereitet.

Die Demission Vehs beendet eine aus heutiger Sicht naive, romantische Idee. Veh hatte den Trainerposten im Sommer ja zum zweiten Mal angetreten. In seiner ersten Amtszeit führte er die Eintracht zurück in die Bundesliga und danach gleich in den Europapokal. 2014 aber ging er nach drei Jahren, weil er höhere Ambitionen hegte. Er wolle gegnerischen Trainern künftig nicht mehr so oft zum Sieg gratulieren, sagte Veh damals zum Abschied. Diese Aussage haben viele Fans nicht vergessen. Als sich diesmal schon Mitte der Vorrunde eine Krise abzeichnete, hatte der Trainer auch deshalb erstaunlich wenig Kredit.

Doch Veh hätte es ahnen können. Schon zwei Mal ging für ihn die Rückkehr zu einer alten Liebe schief: in seiner Heimatstadt Augsburg - und beim VfB Stuttgart, den er 2007 zur Meisterschaft geführt, in der Vorsaison aber schon nach zwölf Spieltagen im Tabellenkeller verlassen hatte. So davonlaufen wollte und konnte der 55-Jährige in Frankfurt diesmal nicht. Die Entlassung war aber nicht mehr zu vermeiden, auch wenn sich die Mannschaft laut Bruchhagen für Veh ausgesprochen hatte.

Magath, Funkel, Daum

Die Trainer von Eintracht Frankfurt seit 2000

Felix Magath 12/1999 - 1/2001

Rolf Dohmen 1/2001 - 4/2001

Friedel Rausch 4/2001 - 6/2001

Martin Andermatt 6/2001 - 3/2002

Armin Kraaz 3/2002 - 6/2002

Willi Reimann 7/2002 - 6/2004

Friedhelm Funkel 6/2004 - 6/2009

Michael Skibbe 6/2009 - 3/2011

Christoph Daum 3/2011 - 6/2011

Armin Veh 6/2011 - 6/2014

Thomas Schaaf 6/2014 - 6/2015

Armin Veh 7/2015 - 3/2016

So bleibt das alte Vorurteil, dass Veh kein Trainer für Krisen ist. Er hat zuletzt nicht viel dafür getan, seine Kritiker zurückzugewinnen. Schon im Oktober erklärte er, der Klassenerhalt sei oberstes Ziel - für viele ein falsches Signal. Als die Pfiffe lauter wurden, beschimpfte Veh das Publikum ("sollen doch zu Hause bleiben"). Zu oft agierte er aus der Emotion heraus. Den schwierigen Stürmer Seferovic sortierte er zeitweise aus ("Egotrip"). Taktisch setzte der Offensivfußball-Liebhaber zwischenzeitlich auf Stabilität - um "diesen Defensivmist" bald wieder zu verwerfen. Von den fünf Zugängen des Winters überzeugt nur Marco Fabian ansatzweise. Und wenn, wie aktuell, Alex Meier verletzt fehlt, geht der Elf Torgefahr ab. Er sei in Frankfurt angetreten, sagte Veh im Sommer, um träumen zu können. Es wurde ein Albtraum.

Die Nachfolge? Offen. Der Verein hat sich über den früheren Hoffenheim-Coach Markus Gisdol erkundigt (Tendenz: Er wird's nicht), auch die Namen Mirko Slomka, Niko Kovac, Jos Luhukay, Kosta Runjaic und Tayfun Korkut fallen. Die prekäre Lage erschwert aber bereits eine andere wichtige Suche: Der frühere FC-Bayern-Manager Christian Nerlinger und Ex-Nationalspieler Christoph Metzelder schlugen diese Woche das Angebot aus, Nachfolger von Heribert Bruchhagen zu werden.

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