Eintracht Frankfurt:Boateng ist jetzt "Braveheart"

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Tor mit Botschaft: Kevin-Prince Boateng lupft nach seinem Siegtor für Frankfurt sein Trikot, darunter trägt er ein T-Shirt mit dem Namen eines kranken Kollegen.

(Foto: Jan Huebner/imago)

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Am Samstag war es 137 Tage her, dass die Fußballer von Eintracht Frankfurt ihren Kontrahenten von Borussia Mönchengladbach ausgerechnet in deren Domizil am Niederrhein den Traum vom Pokalfinale zerstört hatten. Diese Halbfinal-Niederlage Ende April im Elfmeterschießen hätte 137 Tage lang in den Köpfen der Gladbacher rumoren und dort massive Revanchegelüste auslösen können, ehe die Frankfurter zum Bundesligaspiel in Mönchengladbach reisten - aber da war wenig zu spüren bei den Gastgebern. Vielleicht war es auch ein Fehler vom Trainer Dieter Hecking gewesen, vor dem Spiel zu äußern, die Pokalniederlage spiele beim erneuten Aufeinandertreffen "keine Rolle". Vielleicht hätte er in der Kabine vor dem Spiel eine flammende Rede halten sollen wie einst Mel Gibson als schottischer Freiheitskämpfer 'Braveheart' im gleichnamigen Kinofilm.

Die Rolle des 'Braveheart' übernahm am Samstag Frankfurts Kevin-Prince Boateng, der im Alter von 30 Jahren in die Bundesliga zurückgekehrt ist und Frankfurt mit seinem Treffer zum 1:0 (1:0)-Sieg im dritten Saisonspiel den ersten Sieg bescherte. Es war sein erstes Bundesligator, seit er für Schalke 04 am 2. Februar 2014 das 2:1-Siegtor gegen Wolfsburg erzielt hatte. Und auch diesmal war es der Siegtreffer. Nach seiner Zufriedenheit befragt, antwortete er nach dem Spiel zunächst bloß grinsend: "Tor gemacht!", und nach einer kleinen Künstlerpause: "Daran wird man als Stürmer gemessen."

"Der Saisonauftakt ist damit sehr, sehr positiv"

Nach seinem Tor lüftete sein Trikot. "Nouri" stand dort auf einem roten T-Shirt geschrieben. Dazu die Nummer 34. Seinen ersten Bundesligatreffer im Dress der Frankfurter Eintracht widmete er dem jungen Niederländer Abdelhak Nouri von Ajax Amsterdam, der im Juli nach einem Herzstillstand in einem Testspiel gegen Werder Bremen schwere und bleibende Hirnschäden erlitten hatte. Das hatte Boateng "tief bewegt", weshalb er "dieses Shirt die ganze Saison tragen" will.

Seinen Frankfurtern hat er damit den Saisonstart gerettet, denn nach einem Nullzunull in Freiburg und einem Nullzueins gegen Wolfsburg gelang den erst stark und dann clever spielenden Frankfurtern der erste Sieg. "Wir sind glücklich", sagte Boateng, "der Saisonauftakt ist damit sehr, sehr positiv." Die Frankfurter Fans genossen es ähnlich. "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin", sangen sie schon Ende der ersten Halbzeit; das ergab zwar keinen Sinn, war ja aber auch nur dazu gedacht, die Gladbacher an die Pokalnacht Ende April zu erinnern. Fußballfans sind da gerne gemein.

Schwache, zunächst leidenschaftslose und viel zu langsame Gladbacher hatten schon in der ersten Halbzeit vor allem mit Boateng ihre Mühe gehabt. Dabei hatte er, bevor er das goldene Tor erzielte, gleich zu Beginn den Gastgebern noch einen Gefallen getan, ein Tor für Frankfurt zu vereiteln: indem er nach 43 Sekunden (!) einen verunglückten Torschuss seines Teamkollegen Mijat Gacinovic über die Linie drückte, dabei allerdings im Abseits stand. Das Blöde für die Frankfurter: Gacinovic' Kullerball wäre auch Boatengs Zutun ins Tor gegangen und hätte dann gezählt.

So stand es nur 0:1 zur Pause, aus der die Gladbacher mit einer völlig anderen Körpersprache ... hätten erscheinen sollen. Aber sie taten sich weiterhin schwer, ultimative Leidenschaft zu zeigen. Auch Frankfurt verlor fünf Minuten nach dem Wiederanpfiff seine Leitfigur, denn 'Braveheart' Boateng musste angeschlagen aus dem Spiel, nachdem er in der ersten Halbzeit einen Schlag auf die Schläfe erhalten hatte. Für ihn kam Ante Rebic.

Selbst siebeneinhalb Minuten Nachspielzeit helfen Gladbach nicht

Lars Stindl hatte in der 55. Minute die beste Chance für Gladbach, als er aus etwa 20 Metern einen Schuss abgab, doch diesen fischte Lukas Hradecky mit der übergreifenden linken Hand aus dem Torwinkel. Mangels Durchschlagskraft gegen intelligent verteidigende Frankfurter brachte Hecking in der 67. Minute den Paraguayer Raul Bobadilla, der gerne auftritt wie ein Stier und den die Fans euphorisch begrüßten. Sie hätten ihm aber vielleicht auch ein paar rote Tücher hinhalten sollen, um ihn zusätzlich aufzurütteln - doch die Gladbacher Farben sind nun mal Grün und Weiß und Schwarz. Da ist nichts Rotes.

Rot leuchteten nur die Trikots der Eintracht, die es in der Schlussphase geradezu genoss, die einfallslosen Gladbacher anrennen zu lassen. In der Dreierkette profilierte sich in seinem ersten Einsatz auch der Mexikaner Carlos Salcedo, den sie in seiner Heimat "El Titan" nennen. Zwölf Minuten vor Schluss wäre der Titan beinahe zusammengeschrumpft, als Gladbachs Thorgan Hazard ihn an der Strafraumgrenze austanzte und einen strammen Schuss Richtung Tor abgab, allerdings war es bezeichnend für die Verfassung der Borussen an diesem Tag, wie weit der Ball über das Tor flog.

Am Ende half den Gladbachern nicht einmal, dass der Schiedsrichter Robert Kampka aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen siebeneinhalb Minuten nachspielen ließ. "Wir haben es vor dem Tor zu kompliziert gemacht, zu verschnörkelt gespielt, haben keine richtigen Entscheidungen getroffen", bilanzierte Trainer Hecking nüchtern. Sein Kollege Niko Kovac war verständlicherweise sehr glücklich. "Wir haben anfangs sehr, sehr gut gespielt, ehe wir etwas passiver wurden. Den Sieg haben wir uns aber trotzdem verdient." Interessant erschien noch Kovac' Versuch einer Weissagung: "In Gladbach werden nicht viele Klubs gewinnen." Wenn er sich da mal nicht irrt.

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