Eintracht Frankfurt:Hessische Klimmzüge

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Neu bei der Eintracht: Der Mexikaner Marco Fabian (2.v.r.). (Foto: Heiko Rhode/dpa)

Ein Mexikaner, ein Rückkehrer und ein unverstandenes Talent: Wie sich Frankfurt verstärkt hat, sagt viel darüber, was in der zweiten Transferperiode möglich ist - und was nicht.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Es ist beinahe schon so etwas wie gute Tradition, dass die Profis von Eintracht Frankfurt für ein paar Tage im Luxus schwelgen. In einer Umgebung, in denen den Gästen förmlich jeder Wunsch von den Lippen abgelesen wird. Rund drei Milliarden Dollar soll der pompöse Luxustempel Emirates Palace in Abu Dhabi gekostet haben. Die 114 Kuppeln sind mit Marmor und Gold verziert. Die Herberge verkörpere das Wesen einer prunkvollen, traditionell arabischen Architektur und vereine absolute Exklusivität mit authentischer Atmosphäre, heißt es in der Eigenbeschreibung.

Diesen Ort hat sich die Entourage des hessischen Bundesligisten ausgesucht, um sich für die Rückrunde fit zu machen. Das vierte Mal hintereinander sind die Frankfurter Berufsfußballer in einer Region, auf die Vorstandsboss Heribert Bruchhagen nichts kommen lassen will. Sogar das Testspiel gegen den saudi-arabischen Klub Al-Ahli Dschidda am Sonntag verteidigt der Funktionär: "Das Spiel kam in erster Linie durch die Freundschaft der beiden Trainer, Armin Veh und Christian Gross, zustande. Außerdem bleibt der konstruktivste Weg, Konflikte zu lösen, der Dialog, nicht der Boykott."

Fast nie setzte die Mannschaft in der Hinrunde ihr Potenzial um

Veh ist ohnehin niemand, der über die sportpolitischen Probleme und Hintergründe vertiefend sprechen möchte. Der 54-Jährige hat eine andere Aufgabe: den Traditionsverein vor dem Abstieg zu bewahren. "Wir müssen irgendwie sehen, dass wir drei Mannschaften hinter uns lassen", sagt er nüchtern. Zur Winterpause hat Vehs Ensemble das nur mit Ach und Krach geschafft: 17 Punkte, Platz 14. Das würde reichen, ist aber eigentlich zu wenig für einen Mittelklasseverein, der vor der Saison auf die Europapokalplätze schauen wollte. Nun soll wenigstens das Zittern nicht mehr zu lange andauern.

Nach der Hinrunde ist bei einer gemeinsamen Bestandsaufnahme von Trainer, Vorstand und Aufsichtsrat die Erkenntnis gereift, dass es so nicht weitergehen könne. Dass der auch durch langwierige Verletzungen geschwächte Kader, der zudem nur in den seltensten Fälle sein wahres Leistungspotenzial offen legte - wie beim 6:2 gegen den 1. FC Köln am vierten Spieltag -, zwangsläufig eine Blutauffrischung benötige. "Wir mussten auf diese Misere reagieren. Das hätten wir auch getan, wenn wir auf Tabellenplatz acht oder neun gestanden hätten", erklärte Sportchef Bruno Hübner.

Trainer Veh beurteilt den Mexikaner Fabian vorsichtig

Der 54-Jährige hat über die Weihnachtstage im Grunde durchgearbeitet, pünktlich mit Trainingsstart die Personalplanungen abgeschlossen und drei Neuzugänge präsentiert, die viel darüber aussagen, was in der Transferperiode im Winter möglich ist und was nicht. Denn es kamen: der 26-jährige Marco Fabian ein schwer einzuschätzender Mexikaner von Deportivo Guadalajara; ein erfahrener Rückkehrer, der 32 Jahre Ungar Szabolcs Huszti (früher Hannover 96); sowie das unverstandene Talent Kaan Ayhan, 21, vom FC Schalke 04.

Königstransfer ist der universell einsetzbare Fabian, der nach eigener Aussage alle Positionen im offensiven Mittelfeld bekleiden kann. "Für mich ist es ein Traum, hier zu sein. Ich habe die Bundesliga viel verfolgt. 'Chicharito' ist einer meiner Freunde seit meiner Jugend, mit ihm habe ich viel gesprochen."

Doch sein prominenter Landsmann in Diensten von Bayer Leverkusen besitzt einen entscheidenden Vorteil: Chicharito kannte bereits den europäischen Fußball, hatte sich bei Manchester United in der Premier League behauptet. Fabian, dessen Europa-Träume stets an den zu hohen Ablöseforderungen seines Heimatvereins gescheitert waren, betritt hingegen völliges Neuland: sprachlich, kulturell, sportlich. Ob das geschnürte Millionen-Paket für den Mittelamerikaner aufgeht - 3,7 Millionen Euro Ablöse, Vertrag bis 2019 -, muss sich erst noch erweisen. Immerhin hat die neue Nummer zehn der Eintracht versprochen, dass die einstigen Eskapaden außerhalb des Platzes der Vergangenheit angehören: "Das ist in meiner Jugend passiert. Ich bin erwachsen geworden."

Huszti ist lieber im Trainingslager als bei der Geburt des zweiten Kindes

Insofern ist sein neuer Kollege Huszti vielleicht ein gutes Vorbild. Der Linksfuß hat erzählt, er sei auch deshalb erneut in die Bundesliga zurückgekehrt, weil seine Frau das zweite Kind zur Welt brachte - und das sollte nicht in China aufwachsen, wo Huszti zuletzt für den Erstligisten Changchun Yatai spielte. Könnte er nur annähernd an seine guten Vorstellungen bei Hannover 96 anknüpfen, wo er zwischen 2012 und 2014 in 132 Bundesligaspielen immerhin 36 Tore schoss und 40 vorbereitete, dann wäre er eine Hilfe. "Ich bin mir sicher, dass er eine Verstärkung ist, aufgrund seines Könnens und seiner Erfahrung", glaubt Veh, "mit ihm werden wir uns mehr Chancen herausspielen."

In Vehs erster Amtszeit war eine funktionierende Flügelzange mit Stefan Aigner und Takashi Inui elementar, um nach dem Wiederaufstieg 2012 sofort in den Europapokal einzuziehen. Doch in der ersten Halbserie fiel der ehemalige Löwe Aigner in ein Formloch, Inui ist nach zu vielen durchwachsenen Vorstellungen im vergangenen Sommer verkauft worden. Also soll Huszti helfen - und sei es mangels Fitness zunächst vorrangig als Standardspezialist.

Der ehemalige Schalker Ayhan gibt sich selbstbewusst

Dritter im Bunde der Hoffnungsträger ist der Abwehrspieler Ayhan, der nach 17 Jahren in königsblauer Kluft eine neue Herausforderung gesucht hat. In seiner ersten Pressekonferenz gab sich der 21-Jährige extrem selbstbewusst. Er sagte: "Ich bin nicht nach Frankfurt gekommen, um die gleiche Rolle wie auf Schalke zu spielen." In der Hinrunde hatte er für seinen Heimatverein einen Einsatz - für eine Minute.

Nur: Kommt Ayhan an gestandenen Innenverteidigern wie Carlos Zambrano, Marco Russ oder David Abraham vorbei? Notfalls würde er auch rechter Verteidiger spielen, hat Ayhan durchblicken lassen, denn auf dieser Position besteht Bedarf. Veh und Hübner halten viel von dem türkischen U21-Nationalspieler, eine Kaufoption mit Schalke ist vereinbart. Immer vorausgesetzt, die hessischen Klimmzüge ermöglichen das Minimalziel: den Klassenerhalt.

© SZ vom 10.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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