Eintracht Frankfurt:Angriff aus der Anonymität

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Heißt es nicht, dieser Trainer sei nicht kommunikativ genug? Nach dem Spiel gegen Hoffenheim führt Thomas Schaaf jedenfalls ein sehr eingehendes Einzelgespräch. (Foto: Alex Grimm/Getty)

Trotz des erreichten Saisonziels steht Trainer Schaaf in der Kritik.

Von Tobias Schächter, Frankfurt

War das jetzt eine gute oder eher eine schlechte Saison? Über die Beantwortung dieser scheinbar simplen Frage können im Fußball ganz unterschiedliche Auffassungen herrschen. Bei der TSG Hoffenheim ist die Situation seit dem desolaten Auftritt bei Eintracht Frankfurt relativ einfach: Spielt die Mannschaft von Trainer Markus Gisdol die Runde so blamabel zu Ende wie beim 1:3 am Samstag, kann bei der TSG zumindest diese schwache Rückrunde niemand mehr schönreden.

Bei Eintracht Frankfurt ist die Lage komplizierter: Es finden sich ja faktisch kaum Gründe, die noch zwei Spieltage dauernde Saison als Misserfolg abzutun. Durch den Sieg nach fulminanter erster Halbzeit (3:0) hat die Mannschaft von Trainer Thomas Schaaf bereits am 32. Spieltag alle Saisonziele erfüllt. Mit 39 Punkten sammelte die Eintracht schon drei Zähler mehr als nach Ablauf der vergangenen Runde, absteigen können die Hessen jetzt rechnerisch nicht mehr. All das gelang nach einem personellen Umbruch im Sommer. Thomas Schaaf löste Armin Veh als Trainer ab und musste die Weggänge der Leistungsträger Sebastian Rode, Pirmin Schwegler, Sebastian Jung, Tranquillo Barnetta und Joselu kompensieren. Immer wieder wurde die Mannschaft im Verlauf der Runde von schweren Verletzungen heimgesucht, richtig in Abstiegsgefahr geriet das Team nie.

Und dennoch herrscht in Frankfurt angesichts der Umstände nicht das Gefühl vor: Oh, das war jetzt aber eine gute Saison! Und Gefühle sind bei einem Traditionsverein wie der Eintracht mindestens so wichtig wie Fakten. In Frankfurt wird eher damit gehadert, dass die Mannschaft jedes Mal, wenn sie die Chance gehabt hätte, in die Europapokalränge vorzustoßen, einen Rückschlag erlitten und oft nach Führungen Punkte gegen Abstiegskandidaten verspielt hat. An was liegen die Leistungsschwankungen? Sind diese nicht normal in einer Phase des Umbruchs? Oder kommt der Trainer nicht an die Spieler heran?

In Bremen hatte Schaaf eine Hausmacht. In Frankfurt ist er irgendwie noch fremd

Das steht seit vergangener Woche verstärkt im Raum. Schaaf drohe das Aus im Sommer, hatte Bild getitelt. Mangelnde Kommunikation mit den Spielern und keine sportliche Weiterentwicklung wird Schaaf angeblich aus Spieler- und Aufsichtsratskreisen unterstellt.

Schaaf, der eine Vertrag bis Ende der kommenden Saison besitzt, sagt: "Es ist immer interessant, aus der Anonymität angegriffen zu werden. Ich beteilige mich da nicht." Er konzentriere sich auf seine Arbeit. Schaaf war vor seinem Engagement in Frankfurt sein ganzes Fußballerleben bei Werder Bremen, davon 14 Jahre als Cheftrainer. Bei Werder hatte er eine Hausmacht. Spätestens in dieser Woche musste Schaaf erkennen, bei der Eintracht noch immer irgendwie ein Fremder zu sein. In Frankfurt, wo zu jedem Heimspiel der Eintracht fast 50 000 Menschen ins Stadion pilgern, hat Schaafs Vorgänger Armin Veh Erwartungen geweckt, als er die Mannschaft vor zwei Jahren in die Europa League führte. Doch die Eintracht stößt immer wieder an ihre Grenzen, sportlich und wirtschaftlich. Soll man bei dem Unterfangen, näher an die Spitzenklubs ran zu rücken, mehr Risiko eingehen? An dieser Frage erhitzt sich die Debatte. Dass gerade jetzt, in vereinspolitisch turbulenten Zeiten, Berichte über eine mögliche Ablösung von Schaaf nach dieser Saison die Lage zuspitzen, kommt eher nicht überraschend.

Am 8. Juni werden neue Mitglieder in den Aufsichtsrat gewählt. Im neunköpfigen Gremium löst wohl Mäzen Wolfgang Steubing den scheidenden Wilhelm Bender als Chef ab. Bender ist ein Gefolgsmann von Vorstandsboss Heribert Bruchhagen, dessen Vertrag nur noch bis Ende der kommenden Saison läuft. Es wird bereits über Bruchhagens Nachfolge spekuliert, im Gespräch ist tatsächlich der in Frankfurt sehr beliebte Vorgänger Schaafs, Armin Veh. Eine ziemlich abenteuerliche Vorstellung.

Schaaf war im Sommer der Kandidat Bruchhagens, Bemühungen von Manager Bruno Hübner, Trainer wie Roger Schmidt (heute Leverkusen) oder Roberto di Matteo (heute Schalke) zu verpflichten, scheiterten. Jetzt ordnen sich wieder einmal die Machtverhältnisse in diesem Traditionsklub neu. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht bei der Eintracht.

© SZ vom 11.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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