Eintracht Braunschweig:Überfavoriten und Extremträumer

Eintracht Braunschweig v 1. FC Kaiserslautern - Second Bundesliga

"Wir wissen, wie die zweite Liga geht": Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht hat schon gezeigt, wie man mit geringen Mitteln erfolgreiche Mannschaften aufbaut.

(Foto: Joachim Sielski/Getty)

Der Tabellenführer fühlt sich gut genug für den Aufstieg. Und ist gelassen genug, ihn nicht von sich zu erwarten.

Von Jörg Marwedel, Braunschweig

Marc Arnold hatte eine beschauliche Winterpause und konnte die verhältnismäßig warmen Tage im Trainingslager in Mijas Costa/Andalusien genießen. Und das nicht nur, weil sein Team, Eintracht Braunschweig, vor dem Abflug im Schneetreiben den Erstligisten Werder Bremen 2:1 besiegt hatte. Kein Profi hatte den sportlichen Leiter der Braunschweiger aufgesucht, um den Verein kurzfristig zu verlassen. Deshalb musste der Mann, der in der Beraterszene den Spitznamen "der Schotte" trägt, auch keinen einzigen Euro für neue Spieler ausgeben. Denn die Braunschweiger, die Hinrunden-Besten der zweiten Bundesliga, fühlen sich gut gewappnet für die Rückrunde, zu deren Start sie beim starken Aufsteiger Würzburg antreten.

Stuttgart und Hannover verspüren Druck - Braunschweig Vorfreude

Es ist eine komfortable Situation, denn die Ostniedersachsen haben zwar durchaus die erste Liga im Blick, aber sie sind nicht zum Aufstieg verpflichtet - wie die von Eintracht-Trainer Torsten Lieberknecht zu "Überfavoriten" erklärten Bundesliga-Absteiger Hannover 96 und VfB Stuttgart. Die beiden Klubs, in der Tabelle zwei Punkte hinter Braunschweig, spielen in einer anderen Etatklasse und haben deshalb, so Lieberknecht im Kicker, "einen wahnsinnig schweren Rucksack" zu tragen. "Die müssen aufsteigen" - während Braunschweig bei diesem Thema mit deutlich weniger Druck nur Vorfreude empfinde. Denn exakt im 50. Jahr nach dem einzigen deutschen Meistertitel ist es bei der Eintracht eine wunderschöne Vision, im Mai wieder eine ähnliche Aufstiegsorgie zu feiern wie zuletzt 2013.

Doch Lieberknecht, der Fußball-Romantiker, sagt: "Wir sind keine Extremträumer, sondern realistische Träumer." Was man den Überfavoriten entgegenhalten kann? "Dass wir genau wissen, wie diese spezielle zweite Liga geht." Und zweitens, sagt Lieberknecht: die "DNA der Eintracht": Immer, wenn der Verein über ein kontinuierlich aufgebautes Team verfügte, hat er in seiner Historie viele Großklubs überholt - nicht nur in den Sechzigern und Siebzigern: "Auch jetzt haben wir wieder eine solche Mannschaft, die Identifikation ausstrahlt", sagt der Coach, weshalb man auch keine weiteren Verstärkungen geholt hat. Lieberknecht weiß ja, wie man mit vergleichsweise geringen Mitteln Mannschaften aufbaut. Seit 2008 trainiert er das Team, das er zu Beginn vor dem Abstieg in die vierte Liga bewahrt hatte. Im Herbst verlängerte er seinen Vertrag bis 2020.

Warum Arnold im Winter so sparsam war, hat aber einen weiteren Grund: Mit den lange verletzten Julius Biada und Suleiman Abdullahi hat man jetzt zwei neue Offensivkräfte in der Hinterhand. Zudem wird erwartet, dass der schwedische Stürmer Christoffer Nyman und der norwegische Defensivspezialist Gustav Valsvik, die bei ihren skandinavischen Klubs im Sommer durchspielen mussten, jetzt viel frischer sind. Dem gesamten Team ging ja am Ende der Hinrunde etwas die Kraft aus. In den letzten sieben Spielen holte es nur noch neun Punkte und vergab zweimal eine 2:0-Führung (2:3 in Dresden, 2:2 gegen Hannover). Der Kader ist relativ klein, es darf also nicht viel passieren. Andererseits ist die Eintracht auf jeder Position doppelt besetzt, weshalb Lieberknecht schwärmt, es sei wohl der beste Braunschweiger Kader, seit er verantwortlich ist.

Dazu gehört natürlich auch Torjäger Domi Kumbela, der die Eintracht mit 19 Saisontoren 2012/13 nach zuvor 28 Jahren Abwesenheit schon einmal in die erste Liga zurückbefördert hatte, wenn auch nur für zwölf Monate. Nachdem er wenig erfolgreich bei Karabükspor in der Türkei und bei Greuther Fürth gespielt hatte, wurde der 32 Jahre alte Deutsch-Kongolese nach seiner Rückkehr von Lieberknecht noch mal so in Form gebracht, dass er bereits elf Tore erzielt hat - und auch diesmal der Aufstiegsgarant sein könnte.

Die Beobachter bescheinigen der Eintracht jedenfalls eine klare Ordnung, eine stabile Defensive und genügend Qualität in der Offensive. Weshalb auch der zurückhaltende Marc Arnold sagt: "Wir haben das Niveau für den Aufstieg." Gerade mal an drei Spieltagen standen die Braunschweiger bisher nicht an der Tabellenspitze. Allerdings sind sie beim ersten Punktspiel-Gegner Würzburg mit 0:1 aus dem DFB-Pokal geflogen - das ist genug Warnung. Und auch das zweite Derby Mitte April beim ungeliebten Nachbarn Hannover 96 könnte entscheidend für die Aufstiegsfrage sein. Der neue 96-Aufsichtsratschef Gerhard Schröder hat schon jetzt versucht, die bei dieser Partie stets besonders aufgeregten Fans zu beruhigen. Braunschweig sei eine schöne Stadt, und die Eintracht habe einen sehr guten Trainer, flötete der Alt-Bundeskanzler und mahnte beide Parteien: "Mäßigt euch!"

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