Einmal FC Bayern, bitte!:Sehnsucht nach Felix Magath

Michael Ballack wünscht sich gegen Polen ein Spiel ohne Gegentor - und nähme dafür auch Bayern-München-hafte Langeweile in Kauf.

Philipp Selldorf

Zwar hat die WM gerade erst begonnen, aber es lässt sich jetzt schon festhalten, dass Felix Magath einer ihrer großen Verlierer ist. Aus etlichen Ländern treffen den Trainer des FC Bayern schwere Vorwürfe: In Paraguay heißt es, er habe den Stammplatz von Mittelfeldregisseur Julio dos Santos auf dem Gewissen, weil er ihn in München nicht ran lässt; in Brasilien findet man, er habe die Kunst Zé Robertos nicht genügend gewürdigt; und in Deutschland hält man ihm vor, Bastian Schweinsteigers Genie verkannt zu haben.

Ballack; ddp

"Wie langweilig war es doch bei den Bayern - doch vielleicht im Endeffekt gar nicht so übel", mag sich Ballack denken.

(Foto: Foto: ddp)

Es hilft Magath dabei auch wenig, dass er sich derzeit bei seinem Vater in Puerto Rico aufhält, denn auch das wird ihm angelastet: ein deutscher Meistertrainer, der beim Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft die moralische Unterstützung versagt! Wenn es übermorgen irgendwo ein Unwetter geben sollte, dann wird auch dafür jemand Magath heranziehen.

Es gibt aber noch Leute beim World Cup, die Felix Magath vermissen oder wenigstens seine Lehre zu schätzen wissen. Zu diesem Kreis gehört Michael Ballack.

Der Kapitän der Nationalelf wünscht sich für die Partie gegen Polen am Mittwoch eine original Felix-Magath-Bayern-München-Strategie und ein original Felix-Magath-Bayern-München-Resultat aus dem Bundesligaalltag: Ein trübes 1:0 oder ein träges 2:0 träfe es am besten. Ein Sieg ohne Gegentreffer, das "wäre schon mein Wunsch", sagt Ballack mit dem schüchternen Ausdruck des Mannes, der einen Wunschtraum besitzt - sich aber kaum vorstellen kann, dass er noch in Erfüllung geht.

An der Partie gegen Costa Rica hatte auch Ballack sein Vergnügen. Allerdings konnte ihn selbst der opernhafte Rahmen mit Trommlern in Lederhosen und Peitschenschwingern nicht darüber hinwegtäuschen, dass er das Hauptprogramm schon ein paarmal zu oft gesehen hatte.

Ballack hatte den Eindruck, der nächsten Folge einer seit zwei Jahren laufenden Serie beizuwohnen: "Wir haben das übliche Ergebnis, über das wir wieder viel diskutieren können: vier Tore geschossen und zwei Gegentore bekommen gegen einen Gegner, der sicher nicht zur ersten Kategorie gehört", fasste er später zusammen, und in seinen Mundwinkeln saß ein spöttisches Lächeln. "Wir sind gut unterhalten worden", fügte er aus Sicht des Zuschauers hinzu, aber das war nicht als Kompliment gemeint.

Es war wieder so, dass die deutsche Mannschaft den Anspruch ans Entertainment glänzend erfüllte, dass sie aber nach den Kriterien des internationalen Spitzenfußballs erneut die wesentlichen Momente ausgereifter Klasse vermissen ließ.

"Da müssen wir ansetzen", mahnte Ballack, "gegen andere Gegner schießen wir nicht immer vier Tore." Aber wissen das auch die Verantwortlichen? Ballack will es zumindest den Mitspielern noch mal mitteilen: "Polen ist ein anderes Kaliber als Costa Rica", sagte er vor der Presse, "das werde ich nicht nur hier, sondern auch vor der Mannschaft sagen."

Als der Kapitän am Montag zum ersten Mal seit einer Woche wieder mit seinen Mitspielern auf dem Platz stand, dürfte er jedoch kaum den Eindruck gewonnen haben, dass die Trainer fieberhaft daran arbeiten, die fehlende Verbindung zwischen Abwehr und Mittelfeld herzustellen. Eingeübt wurden Kombinationen auf kleinem Raum vor kleinen Toren und Kombinationen auf größerem Raum vor großen Toren.

Die meiste Zeit verging beim Torschusstraining: mit Warten. Der Reihe nach schossen die Stürmer und offensiven Mittelfeldspieler auf Oliver Kahns Tor, dafür stand ihnen aber nur ein Ball zur Verfügung. Immerhin: Die Spieler waren zum Schutz vor der Sonne eingecremt, und Jürgen Klinsmann lobte Ballack für einen Allerweltspass, was dem zuletzt brüchigen Verhältnis zwischen Trainer und Kapitän sicher neue Festigung verschafft hat.

Für die Vermittlung höherer Abwehrkünste wäre es vermutlich ohnehin zu spät, nachdem schon die Vorbereitungs-phase in Genf dafür nicht reichte. Zudem liegt die deutsche Elf nach Ansicht des Trainerstabs voll im Trend dessen, was die Fachmesse Weltmeisterschaft bisher hervorgebracht hat. Joachim Löw wollte zwar "den einen oder anderen Stellungs-fehler" gegen Costa Rica nicht leugnen.

Doch bringt ihn das nicht durcheinander: "Die hatten zweieinhalb Torchancen und haben daraus zwei Tore gemacht. Wir werden darüber reden, aber wir wollen es auch nicht überbewerten." Löw ist nämlich an einem ausgiebigen Fernsehwochenende aufgefallen, dass andere Fußballnationen mit kleinen Gegnern Ähnliches erlebten.

Ob Trinidad/Tobago oder Angola - "auch die hatten ihre Chancen gegen Schweden und Portugal". Fehler gehörten dazu, teilte Jürgen Klinsmann schon am Wochenende mit: "Deswegen sehen wir zu, dass wir immer ein, zwei Tore mehr schießen als der Gegner." Es war nicht klar, ob er es ernst meinte oder die Sorglosigkeit nur spielte.

Irgendwie ist es auch eine Form der Ironie, dass Ballack nun, da Oliver Kahn in die zweite Reihe gerückt ist, den einsamen Mahner für mehr Sicherheit, Ordnung und defensives Bewusstsein gibt. Joachim Löw freut sich über die Rückkehr des Kapitäns nicht nur deshalb, weil er "die Qualität hebt und der Mannschaft etwas Besonderes gibt". Sondern weil er für die wichtigen Tore sorgt: "Er ist ein Spieler, der das 1:0 oder 2:1 macht." Womöglich wird es aber wieder nur ein 3:2 oder 4:3.

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