Edin Dzeko:Dzeko ist der beste Stürmer - also soll er gehen

Edin Dzeko: Die Fans lieben ihn, der Trainer schätzt ihn - und trotzdem ist er bald weg? Edin Dzeko.

Die Fans lieben ihn, der Trainer schätzt ihn - und trotzdem ist er bald weg? Edin Dzeko.

(Foto: Marco Bertorello/AFP)
  • Der FC Chelsea möchte Angreifer Edin Dzeko von AS Rom verpflichten - für 30 Millionen Euro.
  • Der 31-Jährige ist mit 13 Toren Roms bester Angreifer. Doch er möchte am liebsten bei seinem Klub bleiben.
  • Das Tauziehen sagt viel aus über die Lage der italienischen Liga. Nur Juventus kann sich internationale Stars leisten.

Von Birgit Schönau, Rom

Marassi-Stadion zu Genua, Sampdoria gegen AS Roma, die erste Minute der Nachspielzeit. Edin Dzeko lauert im Strafraum auf den Ball, hechtet, bekommt ihn auf den Kopf, pflanzt ihn ins Tor. Und holt das 1:1, einen wichtigen Punkt für den Tabellenfünften. Es war Dzekos 62. Tor für den Hauptstadtklub am vergangenen Mittwoch, vielleicht aber auch sein letztes.

"So lange er hier ist, werde ich ihn einsetzen", sagte sein Trainer Eusebio Di Francesco später, das klang schicksalsergeben, aber auch ein klein wenig trotzig. Di Francesco macht keinen Hehl daraus, dass er auf Dzeko nicht verzichten möchte, schon gar nicht jetzt, nach der Hälfte einer Saison, die gerade in ihre kritische Phase tritt. Im Achtelfinale der Champions League, das die Roma nach zwei Jahren Pause nicht zuletzt dank Dzekos Treffern als Gruppenerste erreicht hat, wartet Schachtjor Donezk. Und in der Liga, wo sich der SSC Neapel und Juventus einen erbitterten Titelkampf liefern, gilt es, einen der vorderen Plätze zu erreichen.

Dzeko hat zwar nachgelassen gegenüber der letzten Saison: 39 Tore, das hatte in 90 Jahren Klubgeschichte kein Zweiter geschafft, nicht mal der ewige Roma-Kapitän Francesco Totti. Diesmal gehen erst 13 Tore auf Dzekos Konto, doch es waren allesamt Treffer, die Punkte sicherten. Wie der gegen Sampdoria und die beiden im Stamford-Bridge-Stadion gegen Chelsea.

Die Roma rutscht im Ranking der umsatzstärksten Fußballklubs ab

Von letzteren waren Roman Abramowitsch und sein italienischer Coach Antonio Conte derart beeindruckt, dass sie Dzeko nach London holen wollen. Jetzt, sofort, für satte 30 Millionen Euro. Viel Geld für einen Angreifer, der im März 32 Jahre alt wird. Viel Geld für die Roma, die im Ranking der umsatzstärksten Fußballklubs von Platz 15 auf 24 abgerutscht ist, knapp vor Borussia Mönchengladbach. Rund 172 Millionen Euro betrug der Umsatz im Vorjahr - Italiens Marktführer Juventus (Platz 10) kommt auf mehr als 400 Millionen. In der Bilanz der Aktiengesellschaft AS Roma klafft ein Defizit von 42 Millionen, Dzekos Verkauf könnte dieses Loch fast stopfen. Außer dem Bosnier würde der Londoner Klub, Platz acht auf der Krösus-Liste, auch den italo-brasilianischen Abwehrspieler Emerson Palmieri übernehmen, insgesamt geht es um ein Paket von 50 Millionen Euro. Seit Tagen behaupten Italiens Medien, der Deal sei perfekt.

Tatsache ist: Es wäre ein guter Deal. Vor zweieinhalb Jahren hatten die Emissäre des US-amerikanischen Patrons James Pallotta den Angreifer zum Schnäppchenpreis von 15 Millionen von Manchester City erworben. Inzwischen hat er seinen Zenit überschritten, trotzdem könnten sie ihn für das Doppelte loswerden.

Es gibt nur ein Problem: Dzeko will gar nicht weg aus Rom.

Gerade hat er sich eine Wohnung gekauft. Die Dzekos fühlen sich heimisch mit ihren kleinen Kindern, die in Rom zur Welt gekommen sind. Nachvollziehbar, nach Stationen in Wolfsburg und Manchester. Edin Dzeko möchte am liebsten einfach bleiben. Die Fans lieben ihn, der Trainer schätzt ihn, Geld verdient er auch genug. Mit einem angeblichen Bruttogehalt von acht Millionen Euro ist er der bestbezahlte Spieler im Team, kein Wunder: Dzeko ist für die Roma Gold wert, auch, wenn er weiter für sie spielt. Der Tore wegen. Sein Vertrag läuft 2020 aus. Chelsea bietet ihm, wie allen über Dreißigjährigen, nur eine Laufzeit bis 2019. Dzeko aber besteht auf mehr Sicherheit. Zwei Jahre Vertrag - oder er bewegt sich nicht.

Info

Premier League 2,4 Mrd. Euro*

Bundesliga 1,16 Mrd. Euro

La Liga 983 Mio. Euro

Serie A 945 Mio. Euro

Ligue 1 727 Mio. Euro

*Einnahmen aus nationaler Vermarktung pro Saison, Angaben geschätzt und gerundet; Quellen: Sportinformationsdienst, KPMG Research.

Das Tauziehen sagt viel aus über die Lage der italienischen Liga. Nur Juventus kann sich internationale Stars leisten, alle anderen haben das Tafelsilber längst verkauft. Edin Dzeko ist nicht nur der beste und teuerste Spieler im Team der Roma, er ist, abgesehen von Kapitän Daniele De Rossi, auch der einzige, den man im Ausland überhaupt kennt. Durch die verpatzte WM-Qualifikation der Squadra Azzurra verliert die Serie A weiter an Appeal. Und doch gibt es einige Klubchefs, die die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben.

Die Italiener interessieren sich immer weniger für ihren Fußball

Gerade werden die Fernsehrechte für die Jahre 2018 bis 2021 verhandelt, angepeilt ist allen Ernstes eine Summe von knapp einer Milliarde Euro. Dabei gehen die Zuschauerzahlen nicht nur in den Stadien, sondern auch beim Fernsehen kontinuierlich zurück. Die Gazetta dello Sport berichtete in dieser Woche, dass die Angebote der TV-Gruppen Sky und Mediaset für Liverechte nur noch bei rund 760 Millionen Euro pro Saison liegen. Das sind fast 200 Millionen Euro weniger als zurzeit.

Die Italiener interessieren sich schlicht immer weniger für ihren Fußball - und wer will es ihnen verdenken? Vergebens wiederholen die Medien ihr Mantra, die maroden Stadien müssten endlich renoviert werden. Es geschieht: nichts. Die großen Arenen in Mailand, Neapel, Genua und Florenz befinden sich immer noch im Besitz chronisch klammer Kommunen, das riesige und ewig leere Olympiastadion in Rom gehört dem Olympischen Verband. Roma-Boss Pallotta bemüht sich seit Jahren, endlich ein eigenes Stadion zu bauen, scheitert aber mit seinen Plänen immer wieder an der Lokalpolitik und deren Bürokratie.

Nicht nur der Fußballverband ist nach dem Rücktritt des unfähigen Carlo Tavecchio ohne Führung, auch die Liga hat seit neun Monaten keinen Vorstand. Aparterweise wird sie von dem 74-jährigen Tavecchio kommissarisch verwaltet. Derselbe Mann, der beim Verband gefeuert wurde, vertritt also die Serie A, und es deutet nicht viel darauf hin, dass sich an diesem Zustand schnell etwas ändert.

Um beim Poker um die Fernsehrechte möglichst viel heraus zu pressen, hat sich der Verleger Urbano Cairo, Besitzer der konservativen Tageszeitung Corriere della Sera, des Fernsehsenders La7 und des FC Turin, jetzt einfallen lassen, einen spanischen Manager anzuheuern und Tavecchio zur Seite zu stellen. Spaniens Liga-Präsident Javier Tebas, 55, soll nebenbei auch die Geschäfte in Italien führen und für ein Jahresnettogehalt von einer Million Euro den Klubs jenen TV-Geldsegen bescheren, den sie in seiner Heimat bereits kassieren. Doch Cairos Coup könnte misslingen, denn Tebas steht wegen seiner Vergangenheit bei der rechten Organisation Fuerza Nueva in der Kritik. Entrüstet weisen Italiens Medien darauf hin, dass der starke Mann des spanischen Fußballs zudem erstens kaum Englisch spreche und zweitens ein Steuer- Ermittlungsverfahren am Hals habe.

Dzeko soll gehen, Tebas soll kommen. Mit Fußball hat das alles eigentlich nichts mehr zu tun. Wohl aber mit Italien.

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