Düsseldorf vor dem Bundesliga-Aufstieg:Fortuna, die Nervenstarke

Vertauschte Rollen in Berlin: Zweitligist Fortuna Düsseldorf zeigt Erstligist Hertha BSC eindrucksvoll, worauf es in der Relegation ankommt. Trotz schwachen Beginns bleiben die Rheinländer ruhig und drehen blitzschnell die Partie. Berlin hingegen lauscht weiterhin den Sprüchen von Otto Rehhagel.

Carsten Eberts, Berlin

Auch Thomas Bröker wunderte sich, wo sein Trainer plötzlich herkam. Über den halben Platz sprintete Norbert Meier, als das Tor gefallen war, warf sich an Brökers Hals, schubste jubelnde Spieler herum, schrie am lautesten von allen. Das Spiel war nicht etwa vorbei, es lief erst die 64. Spielminute, doch Trainer Meiers Emotionen mussten raus. An ein nicht unwesentliches Detail konnte sich Bröker, der Torschütze, noch erinnern: "Nein, geküsst hat er mich nicht."

Die 7000 mitgereisten Düsseldorfer Fans rasteten aus, in der 600 Kilometer entfernt liegenden Stadt am Rhein fuhren nach dem Spiel Autokorsos durch die Straßen. Dank des Treffers von Bröker und eines Eigentors des Berliners Adrian Ramos (71.) hat Fortuna Düsseldorf das Relegations-Hinspiel bei Hertha BSC Berlin 2:1 (0:1) gewonnen - und kann nun am kommenden Dienstag die Rückkehr in die Bundesliga klarmachen.

Es wäre der erste Aufstieg des Traditionsklubs nach 15 Jahren Unterklassigkeit - in einem Jahr, in dem der große Rivale aus Köln gerade den Gang in die Zweitklassigkeit antreten muss. Schöner geht es für einen Düsseldorfer nicht.

Dabei hatten die Berliner die Partie im Griff - zumindest für rund eine Stunde. Nach dem frühen Kopfballtreffer durch Abwehrmann Roman Hubnik (19.) brauchten die Berliner in der zweiten Halbzeit jedoch nur sieben Minuten, um das Spiel aus der Hand zu geben. Sie brachen ein, hatten von einer Sekunde auf die nächste nichts mehr entgegenzusetzen, wie so oft in dieser Saison. Andererseits: Die Düsseldorfer taten auch einiges dafür, denn sie zeigten in der zweiten Halbzeit ein richtig gutes Spiel.

Das sah auch Trainer Meier so, der sich in der Zwischenzeit merklich beruhigt hatte und wieder zu klaren Gedanken fähig war. "Wir haben heute ein gutes Ergebnis erzielt, das lässt sich nicht leugnen", sagte Meier, "aber es ist für beide Mannschaften weiter alles drin." Am Dienstag entscheidet sich in der Düsseldorfer Arena, wer in der kommenden Saison erstklassig spielt. Der Vorteil liegt bei Fortuna Düsseldorf.

Vor allem, weil die Düsseldorfer an diesem Abend mit einer Eigenschaft überzeugten, die man gemeinhin eher Bundesligisten zu- und Zweitligisten abspricht (zumal in einem wichtigen Relegationsspiel): Die Fortuna präsentierte sich als gewachsene Einheit, als ein Team, das genau weiß, was es kann. Und seine Leistung zu wichtigen Zeitpunkten auch abrufen kann.

Ramos köpft den Ball in den eigenen Torwinkel

So verlor Meiers Elf auch nach dem Rückstand nicht den Kopf, blieb ruhig und kam nach der Halbzeit ins Spiel zurück. "Wir wussten, dass wir mental stark und hinten raus stabil sind", formulierte es Mittelfeldspieler Adam Bodzek. In der Halbzeitpause sei Meier ganz ruhig geblieben, berichtete Bodzek, er habe nur versucht, punktuell ein paar Hinweise zu geben. Es war schließlich nicht das erste Spiel, das die Düsseldorfer in dieser Spielzeit zu drehen hatten.

Meier hatte dafür eine einfache Erklärung: Seine Spieler würden diese Relegation genießen, sagte Meier, anders vielleicht als die Profis von Hertha BSC. Fortuna hatte eine furiose Hinrunde gespielt, war lange Tabellenführer und Aufstiegskandidat Nummer eins, mühte sich in der Rückrunde jedoch mit der eigenen Leistung und dem ein oder anderen mentalen Problem. "Mit dem Erreichen der Relegation ist ein großer Ballast von der Mannschaft abgefallen", sagt Meier. Fortuna Düsseldorf könne in dieser Relegation nur gewinnen.

Völlig anders präsentierte sich das Stimmungsbild bei Hertha BSC. Dort wähnte man sich wie in einem schlechten Film: Nach dem umjubelten Einzug in die Relegation war die Mannschaft beim erstbesten Rückschlag eingebrochen, wieder einmal war ihr ein fatales Eigentor unterlaufen. "Wir haben eine sehr gute erste Halbzeit gespielt, aber dann hatten wir einen Bruch im Spiel", sagte Trainer Otto Rehhagel, für den es das letzte Heimspiel als Coach im Berliner Olympiastadion war.

Dann setzte er zu einem dieser Sätze an, für den sie ihn in Berlin gleichsam fürchten wie lieben: "Seit ich hier bin, machen wir in jedem dritten Spiel ein Selbsttor." Es ist eine herausragende Fähigkeit dieses 73-jährigen Otto Rehhagel, das inzwischen so komplexe Fußballspiel immer noch auf seine Essenz zu verkleinern. Und diese mit einer kleinen Übertreibung anschaulich zu machen.

Diesmal war es Stürmer Ramos, der seinen Klub und seinen Trainer per Kopfball in den eigenen Torwinkel in arge Nöte brachte. Ausgerechnet Ramos, der in dieser Saison so unglücklich agiert hatte, gegen Düsseldorf jedoch sein bislang bestes Saisonspiel absolvierte, griffig war, schön die Bälle verteilte. Sein Eigentor nahm den Berlinern völlig den Mut.

Mittelfeldmann Levan Kobiashvili erklärte: "Wir haben das Spiel aus der Hand gegeben. Das war bitter und blöd." Das waren profane Worte, doch Kobiashvili versuchte immerhin, das Geschehene einzuordnen. Viele andere schlichen wortlos davon: Eigentorschütze Ramos, Torwart Thomas Kraft. Wie schon so oft in dieser Saison. Schwer vorstellbar, dass diese Mannschaft das Relegationsduell in Düsseldorf (Anpfiff 20.30 Uhr, Liveticker auf SZ.de) noch einmal drehen kann.

Vor allem, wenn man den Trainer so reden hört. Auf die Frage, was der mögliche Abstieg denn für ihn persönlich bedeuten würde, antwortete Rehhagel salopp: "Nächste Woche nach dem Spiel ist es vorbei. Und danach fahre ich in Urlaub."

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