DSB-Chef will kein Anti-Doping-Gesetz:Glaubwürdigkeits-Test

Die Affäre um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes, in die neben Ullrich 200 Athleten verstrickt sind, zeigt, wie internationale Ärzte- und Drogennetzwerke den Betrug steuern. Dopingtests sind wirkungslos.

Thomas Kistner

Der Weltsport steckt in einer tiefen Glaubwürdigkeitskrise, diesmal ist die Lage heikler denn je. Das Publikum grollt, Dopingfälle wie Jan Ullrich, Floyd Landis (Tour-Sieger) und Justin Gatlin (Sprint-Olympiasieger) beweisen, dass der Pharmabetrug kein Einzelphänomen ist, sondern ein Systemzwang, dem sich kaum ein Großverdiener im Kraft- oder Ausdauersport entziehen kann.

Die Affäre um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes, in die neben Ullrich 200 Athleten verstrickt sind, zeigt, wie internationale Ärzte- und Drogennetzwerke den Betrug steuern.

Aus der Ermittlungsakte Fuentes geht hervor, dass Athleten beim Dopingtest mit Hilfe eines roten Pulvers die synthetischen Epo-Parameter in ihrem Urin zerstören können: Dabei wird Pulver von der Fingerkuppe in den Urin eingemischt. Dies polvo stellte Fuentes auch dem Kunden Jan in Rechnung.

Ineffizienz der Dopingtests

Nicht nachweisbar sind überdies Hormonkuren, Eigenblutpraktiken und diverse Steroide. Die Ineffizienz der Dopingtests steht außer Frage; organisierter Betrug wie bei dieser Tour oder bei Österreichs Olympiateam im Winter in Turin fliegen nur dank staatlicher Ermittlungen auf.

Trotzdem stemmen sich konservative Sportfunktionäre gegen jede Bemühung, die bisherige Dopingbekämpfung über Gesetze zu verschärfen. Mit allen Tricks.

So benutzt ihr Wortführer Thomas Bach den positiven Dopingtest bei Landis als Beleg dafür, dass der Sport die Sache selbst regeln könne. Bach, Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), feiert den Landis-Fund als "Musterbeispiel", dass der Sport am effektivsten gegen überführte Sünder vorgehen könne. Augenwischerei, halten immer mehr Kollegen dagegen.

Tatsächlich sind Topathleten fast nie so dumm, mit leicht nachweisbaren Mitteln zu dopen. Landis hatte, als er nach aussichtslosem Rückstand eine schwere Bergetappe in sensationeller Alleinfahrt gewann, extern zugeführtes Testosteron im Urin. Er hat sich verzockt, in großer Not - für Bach Anlass, auf die Wirksamkeit von Dopingtests zu pochen.

Nun aber gehen Funktionäre und Politiker auf Distanz zu dem Industrielobbyisten an der DOSB-Spitze. Bach, Zögling des früheren IOC-Präsidenten Samaranch, der als großer Doping-Verharmloser gilt, pflegt im nationalen Dachverband ganz gern den autokratischen Stil seines spanischen Tutors, weshalb das Gremium nun über die Dopingfrage auf eine Zerreißprobe zusteuert.

Clemens Prokop, Leichtathletik-Präsident und Direktor am Amtsgericht Kelheim, rügt Bachs Vorgehen als "unredlich"; der DOSB-Chef könne "nicht wie der Papst die Position des Sports definieren". Bach will Athleten nur vor Sportgerichte bringen, Prokop fordert strafrechtliche Sanktionen für millionenschwere Betrüger.

Dafür hat er eine Koalition mit CSU und SPD geschmiedet. Schwimmer, Radsportler, Triathleten und andere stehen hinter ihm. Auch Peter Danckert (SPD), Chef des Bundestag-Sportausschusses, will den Widerstand der alten Kameraden brechen; er wirft Bach Pfründedenken vor: Effektive Dopingbekämpfung würde die Medaillenausbeute und damit die Sportförderung reduzieren.

Die Autonomie des Sports wäre beschnitten. Fuentes' Netzwerk reichte bis China. Für Bachs wackere Betrugsbekämpfer kein Problem, so wenig offenbar, wie das Doping bisher.

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