Drohende Gelb-Sperren im Finale:Teuflische Aufgabe für sechs Bayern

Alaba, Badstuber und Gustavo saßen beim "Finale dahoam" auf der Tribüne, nun droht gleich sechs Bayern eine Gelbsperre für das Champions-League-Endspiel 2013. Gegen Barcelona müssen sie die richtige Balance finden: eine zwischen Aggressivität und Zurückhaltung.

Von Andreas Burkert, Barcelona

Zu Wochenbeginn ist es grau in Barcelona, nicht kalt, aber regnerisch, und das macht es wohl nicht besser: Der Rasen im Camp Nou dürfte weich sein, da wird es für Dante noch schwieriger, seine 188 Zentimeter zu kontrollieren gegen die wendigen Artisten des FC Barcelona.

Oder Javier Martínez und Bastian Schweinsteiger: Sie haben jetzt bei ihren Tacklings im Mittelfeld gegen Xavi, Iniesta und Messi nicht nur Tempi und Distanzen zu berechnen mit ihren eingebauten Seismografen, sondern auch mögliches Aquaplaning. Eine teuflische Aufgabe, denn jede Fehlmessung wird Tränen produzieren.

Sechs Profis des FC Bayern gehen mit der Hypothek ins Rückspiel bei Barça, mit einer weiteren gelben Karte das in Aussicht stehende größte Spiel des deutschen Klubfußballs zu verpassen: ein Bundesliga-Finale in der Champions League in London gegen Dortmund. Neben Dante, Martínez und Schweinsteiger ist aus der Startelf noch Kapitän Philipp Lahm von einer Gelbsperre bedroht, gleiches gilt für die ersten Wechseloptionen Luiz Gustavo und Mario Gomez; die Dortmunder haben weniger Sorgen, beim Spiel in Madrid musste nur Reservist Kevin Großkreutz auf der Hut sein.

Wie geht man in ein Spiel, das im Triumph des Kollektivs, aber eben auch in einem kleinen, persönlichen Drama enden könnte? Und müsste der Trainer nach dem 4:0 im Hinspiel nicht wenigstens einen der Schlüsselspieler Schweinsteiger, Martínez, Lahm oder Dante auf der Bank lassen?

Jupp Heynckes schüttelt bei dem Thema erstaunt den Kopf. Er will zum zweiten Mal nacheinander ins Endspiel, und außerdem weiß er, was in Spanien passieren kann, wenn man mit vier Toren Vorsprung ins Rückspiel geht. 1985 trat er mal als Gladbach-Coach nach einem 5:1 zum Drittrunden-Rückspiel im Uefa-Cup bei Real Madrid an: 0:4, draußen. "Der schlimmste Moment meiner Karriere", sagt Heynckes, "ich wollte kein Trainer mehr sein."

Dante grinst und grübelt nicht

Jetzt ist er 67 und sagt zur gelben Gefahr: "Darauf nehme ich nie Rücksicht bei meiner Aufstellung." Seinen Spielern rät er: "Sie dürfen keine Gesten machen, keine unnötigen Fouls, sie dürfen sich nicht provozieren lassen und müssen eben sehr diszipliniert spielen." Aber Garantien, das weiß er, gibt es trotzdem nicht. Schon gar nicht im Camp Nou, das mit 96 636 Fans ausverkauft ist. Und wo die Menschen bis zum Abpfiff glauben werden, was Mundo Deportivo am Montag titelte: "Mit Leo ist alles möglich." Mit Messi, Barças Ballheiligem.

BBayern Munich's Schweinsteiger is shown yellow card by referee Kassai during Champions League semi-final first leg soccer match again Barcelona  in Munich

Auch Bastian Schweinsteiger muss versuchen, ohne weitere Verwarnung durchs Rückspiel in Barcelona zu kommen.

(Foto: REUTERS)

Auch Arjen Robben, der Münchner Flügelstürmer, warnt: "Wenn es eine Mannschaft gibt, die so ein Ergebnis noch umbiegen kann - dann ist es Barcelona."

Vor einem Jahr, im Halbfinal-Rückspiel bei Real, sahen David Alaba, Luiz Gustavo und Holger Badstuber jene Karte, die eine zu viel war und sie zu Zuschauern im Heimfinale machte. Alaba bekam früh im Strafraum einen Ball an die Hand: ein diskutabler Elfmeter, Gelb. Anschließend trumpfte der Wiener ("Ich bin Gott dankbar, dass ich den Mut hatte") groß auf, im Elfmeterschießen verwandelte er als Erster.

Der zurzeit verletzte Verteidiger Badstuber sah in der Verlängerung Gelb. Er kämpfte mit den Tränen. Über seine Erfahrung, über die gelbe Hypothek, mag Badstuber heute lieber nicht reden. Er konzentriere sich auf die Reha, lässt er ausrichten.

Wegen der Sperren des Bayern-Trios (und von drei Spielern des Finalgegners Chelsea) hatte die Profigewerkschaft Fifpro im vorigen Sommer Protest beim europäischen Verband Uefa eingelegt. Die Bürokraten blieben hart - noch mindestens bis 2015 gelten Gelbsperren auch für Endspiele; bei WM und EM werden Kartensperren nach den Viertelfinals aufgehoben.

Philipp Lahm sagt, er hoffe, der Schiedsrichter - der Slowene Damir Skomina, der heuer in vier Champions-League-Einsätzen zwölf gelbe Karten zeigte - möge für den Zweifelsfall verinnerlichen, "wer vorbelastet ist". Dante dagegen macht sich keine Gedanken, null: "Mir ist scheißegal, ob ich dann dabei bin", sagt der fröhliche Abwehrchef aus Brasilien grinsend. Er wolle nur eines: "mit meiner Mannschaft ins Endspiel."

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