Dritte Liga:Im falschen Film

v li Trainer Stephan Schmidt FC Würzburger Kickers gibt Anweisungen gestikuliert mit den Armen

„Oftmals sind wir selbst initiativ und schenken zu viel her“: Würzburgs Trainer Stephan Schmidt macht für die anhaltende Heimschwäche auch die zahlreichen Aussetzer seiner Spieler verantwortlich.

(Foto: imago/foto2press)

Die Würzburger Kickers haben keines ihrer fünf Heimspiele gewonnen - wollen aber von einem Heimkomplex nichts wissen.

Von Sebastian Leisgang

Es ist ein Vergnügen, nach Fußballspielen den Worten von Stephan Schmidt zu lauschen. Das liegt natürlich an Stephan Schmidt, dem Trainer des Drittligisten FC Würzburger Kickers. Man muss aber schon auch festhalten: Dass seine Einlassungen Wonne verbreiten, liegt auch an Bernd Hollerbach, dem ehemaligen Trainer des ehemaligen Zweitligisten. Denn erst auf dem Grund von Hollerbachs nimmermüder Wir-wissen-wo-wir-herkommen-Rhetorik entfalten Schmidts Analysen ihre bisweilen erfrischende Kraft. So kam es, dass Stephan Schmidt am Mittwochabend vom Kino sprach.

Schmidt sagte: "Ich kenne jetzt nicht das Kinoprogramm in Würzburg, weil dafür ist momentan wenig Zeit. Aber wenn jemand einen top Thriller sehen will, dann soll er nicht ins Kino gehen, sondern zu uns ins Stadion kommen." Nicht nur, dass von Hollerbach eine solche Aussage kaum zu erwarten wäre. Sie zeugte auch davon, dass sich Schmidt eben nicht nur bei den Alles-raushauen-Phrasen seines Vorgängers bedient. Neulich sprach Schmidt etwa von Blumen, und er hat auch schon mal seine Leidenschaft für die Bibel mitgeteilt. Und nun also: Kino - kurz nachdem sich seine Mannschaft mit einem 2:2 von Aufsteiger Carl Zeiss Jena getrennt hatte. Irgendwie ein Erfolg, lag man zur Halbzeit doch mit zwei Toren zurück. Irgendwie aber auch eine neuerliche Ernüchterung.

Denn einmal mehr offenbarten die Würzburger Mängel. Und es sind die gleichen wie zu Saisonbeginn. Zu selten gelingt es der Mannschaft, ihre fußballerischen Möglichkeiten abzurufen. Die erste Hälfte gegen Jena war die wohl schlechteste, die sich die Kickers in dieser Spielzeit geleistet haben. Dabei ist das Personal, das der Klub beschäftigt, eigentlich überqualifiziert für die dritte Liga. Und vorbei sind die Zeiten, in denen man Trainer und Mannschaft aufgrund des Umbruchs mildernde Umstände zubilligen konnte. Gerade zu Hause läuft nicht viel zusammen.

Am Dallenberg hat Würzburg keines seiner fünf Spiele gewonnen und ist in den vergangenen drei stets früh ins Hintertreffen geraten. Da drängt sich die Frage auf, ob dieser unsäglichen Serie von 22 Ligaspielen ohne Sieg in diesem Kalenderjahr - das 1:0 vor der Länderspielpause in Zwickau ausgenommen -, den Kickers einen Heimkomplex beschert hat? "Was heißt Heimkomplex?", fragte Angreifer Dominic Baumann nach dem Spiel gegen Jena, um dann selbst zu erklären, was es heißt, sich mit einem Heimkomplex herumzuschlagen: "Wir gewinnen einfach zu Hause zur Zeit nicht." Auswärts dagegen, so Baumann, laufe es besser.

Dass das Team gegen Jena mit seinen abenteuerlichen Fehlern in der Abwehr wieder mal weit weg gewesen war von großem Kino, moderierte Baumann nach dem Leitmotiv weg: Man gewinne und verliere gemeinsam. Trainer Schmidt hingegen regte sich über die neuerlichen Aussetzer ziemlich auf: "Oftmals sind wir selbst initiativ und schenken zu viel her."

Dann bewies Schmidt, dass auch er jene rhetorische Finessen im Repertoire hat, die sein Vorgänger Hollerbach so genüsslich ausgekostet hat. Als der Würzburger Coach gefragt wurde, wie es derzeit um seine Mannschaft bestellt sei, die selbst nach neun Partien in der Tabelle nur auf Rang 13 notiert wird, da holte Schmidt zunächst zur beliebten Nur-von-Spiel-zu-Spiel-Phrase aus, ehe er meinte: "Ich habe noch kein einziges Mal in dieser Saison auf die Tabelle geschaut." Dann sagte er noch: "In der dritten Liga geht es relativ schnell nach oben und nach unten. Und unser Blick sollte mittelfristig aber nach oben gehen." Natürlich, ohne dabei auf die Tabelle zu schauen.

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