Dritte Liga:An der Unterkante des Profifußballs

Rostock 03 Oktober 2015 Fußball Saison 2015 2016 3 Bundesliga 12 Spieltag F C Hansa Rostock

Die Rostocker zeigen ihre Fanschals.

(Foto: imago)

Die Traditionsklubs Hansa Rostock und Dynamo Dresden kämpfen um ihren Ruf, der nicht nur wegen ihrer sportlichen Niederlagen gelitten hat.

Von Thomas Hahn, Rostock

Irgendwann kam ein Bruch ins Spiel, Hansa Rostock verlor die Kontrolle. Vor der Pause hatte die Mannschaft sich noch ordentlich gewehrt gegen den alten Rivalen Dynamo Dresden, den Tabellenführer der dritten Liga. Sie hatte Chancen, der frühe 0:1-Rückstand durch den Dresdner Mittelfeldmann Marco Hartmann (14.) nach einer Freistoßflanke schien eher ein Missgeschick gewesen zu sein als der Vorbote der Niederlage. Aber irgendwann klappte nichts mehr. Es war, als wollte der Ball keinem Rostocker mehr gehorchen, und eine Umständlichkeit mischte sich in Hansas Angriffe, die den Dresdnern das Verteidigen leicht machte. Dynamo agierte souverän und bekam Hilfe vom Gastgeber: Pascal Testroet flankte, Rostocks Christian Dorda wollte retten. Eigentor. 0:2 (75.). Und auch die späten Turbulenzen halfen dem FC Hansa nicht mehr. Mit gedämpfter Stimme meldete der Sprecher den 17.600 Zuschauern im Ostseestadion nach dem Schlusspfiff das Endergebnis: Hansa - Dynamo 1:3.

Hansa. Dynamo. Diese beiden Klubs verbindet so viel, dass es nie nur irgendein Spiel ist, wenn sie aufeinandertreffen. Früher, bevor den beiden Traditionsvereinen die Finanznot im Nacken saß und sich Redbull in Leipzig einkaufte, haben sie die Frage unter sich ausgemacht, wer der beste deutsche Ost-Klub ist. Nach der Wende waren sie die ersten Vertreter der untergegangenen DDR in der Bundesliga, zwei bestaunte Farbtupfer, die den Geist des Aufbruchs durch die Fußballnation trieben. Bald danach kam die Ernüchterung. Heute kämpfen Hansa und Dynamo an der Unterkante des Profifußballs um ihren Ruf, der nicht nur wegen ihrer sportlichen Niederlagen gelitten hat. Sondern vor allem wegen ihrer gewaltbereiten Fans.

Dresden ist als Tabellenerster in dieser Saison noch ohne Niederlage

Auch die Partie am Tag der Einheit war wieder ein Hochsicherheitsspiel. Schon am Bahnhof wartete die Polizei, es gab Absperrungen in der Stadt, vor dem Ostseestadion parkte ein schweres Fahrzeug mit Wasserwerfern. Und in der Arena blieb die Südkurve leer, die normalerweise der Stammplatz der Rostocker Ultras ist - als Strafe für die Ausschreitungen beim Spiel gegen den 1. FC Magdeburg (1:1).

Immerhin, Dynamo Dresden erlebt gerade ein sportliches Hoch: Platz eins in der Tabelle, noch keine Niederlage in dieser Saison. Das 3:1 in Rostock war der achte Sieg in Serie, und dabei musste die Mannschaft von Trainer Uwe Neuhaus nicht einmal glänzen. "Wir haben unseren Stiefel gespielt", sagte Mittelfeldspieler Marvin Stefaniak. "Die abgezocktere Mannschaft hat gewonnen, sagte Hansas Kapitän Tobias Jänicke.

Und Hansa? Großer Seufzer.

Chaos und Zwist hinter und vor den Kulissen in Rostock

Der Verein kämpft längst nicht mehr nur um Tore und Punkte. Es geht ums Überleben, und gerade die vergangene Woche hat gezeigt, dass die Funktionäre diesen Kampf gegen die Insolvenzgefahr beim bekanntesten und wohl auch wichtigsten Sportverein Mecklenburg-Vorpommerns in großer Zwietracht führen. Ostseezeitung und NDR veröffentlichten am Mittwoch einen Email-Verkehr, der zeigte, dass Hansas Vorstandsvorsitzender Michael Dahlmann, 37, enge Bande zu Fans der Ultra-Szene unterhielt. Dass er sich bei ihnen Rat holte und Strategien besprach, um den altgedienten Aufsichtsratsvorsitzenden Harald Ahrens aus dem Amt zu heben. Das passte zu dem Umstand, dass Dahlmann vielen zu zahm reagierte, als die Fans zuletzt beim Magdeburg-Spiel über die Stränge schlugen.

Wie die Ostseezeitung berichtete, wurden Dahlmann und führende Leute aus der Fanszene am späten Abend nach den brisanten Veröffentlichungen in der Geschäftsstelle gesehen, welche die Polizei dann auf einen Tipp hin noch in der Nacht in Beschlag nahm. Die Staatsanwaltschaft gab bekannt, dass sie gegen Dahlmann auf eine Anzeige hin unter anderem wegen des Verdachts der Untreue ermittle; Grund sind offensichtlich die Verträge, die Dahlmann mit dem Investor Rolf Elgeti ausgehandelt hat.

"Wir wurden alle hinters Licht geführt"

Am Donnerstag bot Dahlmann dem Aufsichtsrat seinen Rücktritt an, den dieser einstimmig annahm. Am Freitag äußerte sich Harald Ahrens in einer persönlichen Mitteilung auf Hansas Internet-Seite. Er kritisierte dabei Dahlmann sowie den Immobilienunternehmer Elgeti, der im Sommer mit seinem Einsatz noch Hansa vor der Pleite gerettet hatte und mittlerweile Interesse an einem Posten im Aufsichtsrat hat. Elgeti, der in besagtem Email-Verkehr ebenfalls als Strippenzieher auftaucht, mache den Verein zu seinem persönlichen Spielfeld, schimpft Ahrens: "Wir wurden alle hinters Licht geführt." Aus dem Verein Fanszene Rostock, angeblich Heimat vieler Ultras, verlautbarte wiederum, dass sie ohne Dahlmann die Ausgliederung der Profiabteilung torpedieren würden, die Elgeti als Voraussetzung für sein Engagement sieht.

So viel Chaos und Zwist findet man selten in einem Verein. Friedliches Arbeiten an einer besseren Zukunft geht anders. Am Samstag nach dem Spiel versuchte Jörg-Uwe Neumann, der stellvertretende Aufsichtsratschef, die Wogen zu glätten. Er habe gute Gespräche mit Rolf Elgeti gehabt, die Ausgliederung der Profiabteilung sei in Arbeit. "Wir sind auf einem guten Weg." Aber auch er konnte nicht verbergen, dass ihm die Ereignisse in den Knochen steckten. Und was sagte die Mannschaft? Die konnte erfolgreich den Eindruck vermitteln, dass sie an dem ganzen Durcheinander konsequent vorbeigedacht hatte. "Natürlich kriegen wir es mit, und wir sprechen ein bisschen drüber", sagte Kapitän Jänicke, "aber letztendlich können wir es nicht beeinflussen, und deshalb spielt es keine Rolle." Wenn man den Sturm bedachte, der vor der Partie rund um Hansa wehte, hatten Jänicke und seine Kollegen am Samstag beim 1:3 gegen Dynamo gar nicht so schlecht gespielt.

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