Dressurpferd Totilas:Der goldene Reiter

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Es geht um die Chance auf olympisches Gold und viel Geld: Der 26-jährige Dressurreiter Matthias Rath sichert sich das Jahrhundertpferd Totilas und beschert dem Besitzer Paul Schockemöhle den Deal seines Lebens.

Claudio Catuogno

Für Dienstagmittag hat Paul Schockemöhle auf sein Gestüt nach Mühlen eingeladen, um der Weltöffentlichkeit den nächsten Olympiasieger in der Dressur vorzustellen. Genauer: jenen Reiter, der ab sofort in den Sattel von Totilas steigen darf, des zehnjährigen schwarzen Hengstes, der seit seinen drei WM-Titeln unter dem Niederländer Edward Gal im September als "Wunderpferd" gilt. Auf ein Wunderpferd muss man sich draufsetzen und es trägt einen zu Gold, das ist jetzt die Erwartung der Öffentlichkeit.

Matthias Alexander Rath wird der neue Dressurreiter auf Totilas. (Foto: AP)

Und das ist die Fallhöhe, um die es in dieser Geschichte geht. Denn auch Schockemöhle tritt dem Eindruck zumindest nicht entgegen, dass die Olympia- Dressur 2012 in London im Grunde entschieden ist - durch eine Überweisung auf sein Konto. "Unter normalen Umständen", sagt Schockemöhle, "ist dieses Pferd nicht zu schlagen."

Deshalb dürfte an diesem Dienstag die Karriere eines jungen deutschen Dressurreiters eine entscheidende Wendung nehmen: Matthias Alexander Rath, geboren am 2. August 1984 in Lübeck, Lieblingsmusik - nach eigenen Angaben - "Charts und Klassiker", Lieblingsessen "Pizza Salami", Lieblingsgetränk "Apfelschorle" wird der Auserwählte sein. Weil er ein talentierter Reiter ist, was unter anderem Rang drei in der Teamwertung bei der WM in Kentucky belegt. Und weil er darüber hinaus das nötige Kleingeld mitbringt. Denn um Gold geht es in dieser Geschichte erst in zweiter Linie. In erster Linie geht es um Geld.

Nur acht statt 15 Millionen

Im Frühjahr hatte Schockemöhle den bisherigen Besitzer des Ausnahmepferdes erstmals kontaktiert: den Niederländer Cees Visser, von dem es in der Szene hieß, er wolle das Pferd noch 2010 zu Geld machen. Während der WM wurde das Geschäft besiegelt. Zwischen neun und 15 Millionen Euro habe Schockemöhle bezahlt, hieß es - der Pferdegroßhändler und Speditionsunternehmer grinste allerdings bloß, wenn man ihn mit diesen Zahlen konfrontierte.

Je abenteuerlicher der Kaufpreis wirkte, desto besser fürs weitere Geschäft. Dass es keine 15 Millionen Euro waren, ist inzwischen gewiss: Wie aus Reiterkreisen verlautet, sollen es etwa acht Millionen gewesen sein.

In besagten Reiterkreisen wird zudem davon ausgegangen, dass sich Matthias Rath das Vergnügen, mit Totilas bei Wettbewerben anzutreten, bis zu einer Million Euro pro Jahr kosten lassen dürfte. Durch ein mehrjähriges Engagement, wie es am Dienstag wohl bekanntgegeben wird, hat Schockemöhle also etwa die Hälfte des Kaufpreises bereits wieder drin. Außerdem wird Totilas als Zuchthengst eingesetzt: 4000 Euro soll eine Portion seines Samens kosten, weitere 4000 wären fällig, wenn eine Stute trächtig wird.

Das "Wunderpferd" Totilas, hier noch geritten von dem Niederländer Edward Gal. (Foto: Larry W. Smith/dpa)

Auch auf diesem Weg wären - dank künstlicher Befruchtung - nochmals mehrere Millionen Euro pro Jahr zu erlösen; die Anfragen von Züchtern stapeln sich bereits. Sollte sich das Tier nicht demnächst ein Bein brechen, hätte Paul Schockemöhle mit Totilas das Geschäft seines Lebens gemacht.

Edward Gal trauert noch immer

Die spannende Frage wird deshalb sein, ob der Deal nur für den neuen Besitzer aufgeht - oder auch für den neuen Reiter. Denn während man moralische Skrupel im Pferde-Import-Export-Business ohnehin nicht verortet, geht es im Dressurviereck um Eleganz und Harmonie. Und in dieser Hinsicht dürfte Matthias Rath ab sofort eine Hypothek mit in die Wettkämpfe schleppen: den latenten Vorwurf, er habe sich seinen Erfolg nicht erarbeitet, sondern erkauft. Niederländische Reitsportfans haben Rath im Gästebuch seiner Internetseite bereits angekündigt, ihn auf Turnieren wahlweise auszubuhen oder mit Tomaten zu bewerfen.

Dass über Edward Gal berichtet wird, er sei nach dem Verlust seines WM-Pferdes wochenlang selbst für Vertraute nicht zu sprechen gewesen, so sehr habe er um Totilas getrauert, macht die Sache nicht einfacher. Nicht zuletzt haben die Wertungsrichter, denen sich das Paar Rath/Totilas künftig stellen muss, als Inbegriff der perfekten Harmonie im Dressursport ja ein anderes Paar als Vergleichsgröße im Kopf: Gal/Totilas.

Auch deshalb hatte sich Schockemöhles Reitersuche eine Weile hingezogen. Der Großteil der deutschen Dressurelite hatte ein Engagement von Anfang an ausschlossen, Rath wiederum hatte sich stets alles offengehalten. Der schwedischen Zeitung Tidningen Ridsport berichtete er kürzlich von einem Testritt: "Ein unbeschreibliches Gefühl. Es war ein großes Vergnügen."

Und nicht zuletzt dürfte ihm seine Stiefmutter Ann Kathrin Linsenhoff, 50, Team-Olympiasiegerin von 1988, berichtet haben, dass sich eine Goldmedaille nicht weniger großartig anfühlt, bloß weil man das beteiligte Pferd nicht schon als Fohlen im Stall stehen hatte. Angesichts des Vermögens der Familie Linsenhoff darf man ohnehin davon ausgehen, dass diese die Ambitionen des neuen Totilas-Reiters bezahlt.

© SZ vom 30.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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