Drama um Vielseitigkeitsreiter:Tod an Hindernis 20

Drama um Vielseitigkeitsreiter: Benjamin Winter überlebte seinen Sturz in Luhmühlen nicht.

Benjamin Winter überlebte seinen Sturz in Luhmühlen nicht.

(Foto: AP)

Deutlich zu schnell ritt Benjamin Winter auf das Hindernis zu - und zahlte einen viel zu hohen Preis: Nach dem Tod des talentierten deutschen Vielseitigkeitsreiters in Luhmühlen muss sich die Sportart erneut überdenken. Winters Kollegen sind schockiert.

Von Gabriele Pochhammer, Luhmühlen

Versteinerte Blicke, hektische Telefonate, entsetzte Gesichter von Reitern und Funktionären - es hätte der offiziellen Verlautbarung nicht mehr bedurft, um die Ahnungen der meisten unmittelbaren Zuschauer zu bestätigen: Benjamin Winter hat seinen Sturz an Sprung 20 der Geländestrecke der Vielseitigkeit in Luhmühlen nicht überlebt.

Der 25-Jährige erlag seinen Verletzungen vermutlich unmittelbar, nachdem er mit voller Wucht mit dem Gesicht voraus auf den Rasen geknallt war. Sein Pferd Ispo hatte die Vorderbeine vor dem massiven Hindernis, einem sogenannten "Tisch", nicht mehr hochbekommen, sich überschlagen und den am Boden liegenden Reiter überrollt.

Nach Auskunft der Ärzte war das beim Aufprall erlittene Schädel-Hirn-Trauma die Todesursache. Winter, der noch Lebenszeichen erkennen ließ, wurde zunächst vor Ort stabilisiert, anschließend per Hubschrauber in die Hamburger Notklinik Boberg geflogen, wo man aber nichts mehr für ihn tun konnte.

Die Viersterne-Prüfung am Nachmittag, die für die Deutsche Meisterschaft zählte, wurde fortgesetzt, aber einige Reiter verzichteten nach der Todesnachricht auf den Start, darunter Olympiazweite Sandra Auffarth und Mannschaftseuropameister Dirk Schrade. Vor den Springprüfungen morgen wird in einer 15-minütigen Trauerfeier des Verunglückten gedacht. Die Fahnen am Turnierplatz wurden gestern abend auf Halbmast gesenkt.

Benjamin Winter, der als hochtalentierte Nachwuchshoffnung galt, verfügte bereits über internationale Erfahrung, belegte bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr in Malmö Platz 18. Sein Pferd Wild Thing hatte er zuvor ohne Probleme über die Strecke geritten. Er hoffte, sich mit einer guten Leistung in Luhmühlen für einen der noch freien Plätze für die Weltmeisterschaft im August zu empfehlen.

Das mag der Grund dafür sein, dass er den Sprung in äußerst forschem Tempo anritt, sodass Ispo den passenden Absprung nicht fand und zu Boden ging. Am selben Hindernis, das die Höchstmaße von 1,30 Meter Höhe und zwei Meter Breite aufwies, stürzten bereits in den vergangenen Jahren so erfahrene Reiter wie Andreas Dibowski und Andreas Ostholt. "Wir werden den Unfall genau analysieren", sagte Mitveranstalter Michael Späthmann, "aber unser Sport ist nicht ohne Risiko, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen."

"Er hat einen nicht akzeptablen Peis dafür gezahlt"

Bundestrainer Chris Bartle hat Winter beim Abgehen der Strecke darauf aufmerksam gemacht, dass er sein Pferd vor Hindernis 20 deutlich zurücknehmen und aufmerksam machen müsse.

"Er hat das ignoriert und einen nicht akzeptablen Peis dafür gezahlt", so Parcoursaufbauer Mark Phillips. David o'Connor, Olympiasieger 2000 und Sicherheitsexperte des Weltreiterverbandes FEI, erklärte: "Wir versuchen, das Risiko zu minimieren, aber der Sport kann nicht sicherer sein als das Leben selbst."

Es ereigneten sich noch weitere Unfälle, die glücklicherweise glimpflich ausgingen. Die 24-jährige Alexandra Werner wurde nach einem Sturz mit Kaitika ins Krankenhaus Winsen gebracht. Sie sei aber ansprechbar und könne sich bewegen, hieß es vom Turnierarzt. Die 26-jährige Britin Georgie Spence stürzte an Sprung fünf und kam mit einem Schlüsselbeinbruch glimpflich davon.

Das Pferd Liberal des Briten Tom Crisp brach zwischen zwei Hindernissen tot zusammen. Die Ärzte vermuteten einen Aorta-Abriss, eine der häufigsten Todesursache bei Reitpferden, nicht nur im Leistungssport. Der 14-jährige Wallach wurde zur Obduktion in die tierärztliche Hochschule Hannover gebracht.

Als aus England die Nachricht vom Tode eines 30-jährigen Reiters in einer kleineren Prüfung durchsickerte, wurde klar: Die Vielseitigkeit muss mal wieder neu über sich nachdenken.

Hinweis der Redaktion: In der ersten Fassung des Artikels hieß es, es habe sich um eine Dreisterne-Prüfung gehandelt, bei der Winter ums Leben kam. Es war aber eine Viersterne-Prüfung.

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