DOSB-Generaldirektor Vesper im Interview:"Ich lasse mir das Ergebnis nicht in die Tonne treten"

DOSB-Generaldirektor Vesper im Interview: Wehrt sich gegen Kritik am IOC und an seiner Person: Michael Vesper

Wehrt sich gegen Kritik am IOC und an seiner Person: Michael Vesper

(Foto: Jung Yeon-Je/AFP)

Darf der Sport Staffage sein für Wladimir Putin? DOSB-Generaldirektor Michael Vesper verteidigt im SZ-Interview die Winterspiele von Sotschi und spricht sich gegen einen Boykott der Paralympics aus. Das deutsche Olympia-Abschneiden findet er gar nicht so schlecht.

Von Claudio Catuogno und Boris Herrmann

Die Olympischen Winterspiele in Sotschi sind seit knapp zwei Wochen Geschichte, doch der Weltsport ist nach Russland zurückgekehrt: Neun Tage lang sind nun die Paralympics im Reich des Wladimir Putin zu Gast. Darf der Sport noch einmal Staffage stehen für einen lupenreinen Autokraten - noch dazu, wo dieser gerade die Ukraine bedroht?

Michael Vesper, der als Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) die deutsche Olympiamannschaft in Sotschi anführte, nimmt im Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Spiele in den Kaukasusbergen in Schutz - und spricht sich auch gegen einen Boykott des Behindertensportfests aus.

Die Paralympics seien schließlich "nicht nur eine globale Begegnungsstätte, sondern auch ein Hoffnungsschimmer für die Menschen mit Behinderung in Russland, die ja von einem Leben ohne Barrieren noch erheblich weiter entfernt sind als die Menschen hierzulande", sagt Vesper. Vom Sport konkrete Friedens-Perspektiven zu erwarten, sei überzogen. Er könne jedoch dazu beitragen, "dass Gesprächsfäden nicht reißen". Insofern empfiehlt Vesper, der sich selbst gern als "Hinfahrer" bezeichnet, auch die Teilnahme an den Paralympics. Selbst wenn Putin davon möglicherweise in der Wahrnehmung der eigenen Bevölkerung profitiere.

Die gewaltigen Eingriffe in die Umwelt hat Vesper, der einst die Partei "Die Grünen" mitgegründet hat, immer wieder kritisch angesprochen - "ich kann sie aber nicht rückgängig machen". Vesper verwahrt sich aber gegen Sportpolitiker und andere ehemalige Mitstreiter, die ihm vorwerfen, insbesondere als Mitglied der Grünen hätte er die von Gigantismus geprägten und von Menschenrechtsverletzungen überschatteten Sotschi-Spiele viel kritischer bewerten müssen. "Als DOSB-Generaldirektor ist mein Kerngeschäft, unseren Athleten die Teilnahme an den Spielen unter optimalen Bedingungen zu ermöglichen", stellt er klar.

Vesper nimmt Bach in Schutz

Und auch darin, dass der neue IOC-Präsident und ehemalige DOSB-Chef Thomas Bach den russischen Präsidenten Putin in Sotschi ungewöhnlich stark umschmeichelt hat, sieht Vesper kein Problem. "Er hat sich als Gast beim Gastgeber für die Olympischen Spiele bedankt", nimmt Vesper seinen langjährigen Mitstreiter in Schutz.

Dass Bach bei der Abschlussfeier von einem "neuen Russland" gesprochen hatte, das "alle Versprechen gehalten" habe, will der DOSB-General auch im Lichte der russischen Aggression auf der Krim nicht nachträglich in neuem Lichte betrachten. Vesper sagt: "Der Satz von Thomas Bach bezog sich auf die Versprechungen, die gemacht wurden, was Sportanlagen, Atmosphäre und Durchführung der Spiele anging. Da waren auch unsere Sportler durchweg begeistert. Die verstörenden Entwicklungen auf der Krim waren da nicht absehbar und stehen auch nicht im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen."

Zur sportlichen Bilanz der deutschen Olympiamannschaft sagt Vesper in dem SZ-Interview: "Wir hatten große Erfolge und bittere Niederlagen. Und wir hatten unbestreitbar viel Pech. Wir landeten neunmal auf Platz vier - da war Bronze oft nur einen Wimpernschlag entfernt. Mit etwas mehr Glück stünden wir im Medaillenspiegel anders da." Er wolle nichts schönreden, lasse sich "das Ergebnis aber auch nicht in die Tonne treten".

In seinen Zielvereinbarungen mit den sieben deutschen Wintersport-Verbänden hatte der DOSB für die Sotschi-Spiele ursprünglich einen "Medaillenkorridor" von 27 bis 42 Medaillen vorgegeben. Es wurden am Ende dann gerade mal 19 Medaillen, elf weniger als vor vier Jahren in Vancouver. Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, die Politikerin Dagmar Freitag von der SPD, nannte diese Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit "die zweite große Fehleinschätzung von Herrn Vesper nach den Sommerspielen von London 2012". Darauf nun Michael Vesper in der SZ: "Im Sport setzt man sich ehrgeizige Ziele - wie in der Politik. Frau Freitag hat bei der letzten Wahl sicher auch mehr als 30 statt nicht einmal 26 Prozent für die SPD erwartet."

Außerdem nimmt Vesper in dem Interview zum Dopingfall der Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle Stellung und widerspricht der weit verbreiteten Einschätzung, der Sport trete beim Thema Anti-Doping-Gesetz auf die Bremse. Vage bleibt Michael Vesper bei der Frage, wie die Verteilung der rund 130 Millionen Euro Spitzensportförderung des Bundes an die einzelnen Verbände in Zukunft gestaltet werden soll.

Das vollständige Interview lesen Sie in der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung oder auf dem iPad.

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