Dortmunds Champions-League-Gegner:Romanze mit Real Madrid

Trotz gelegentlicher Krisen haben sich die deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Sami Khedira im komplizierten System von Real Madrid und von Trainer Mourinho behauptet. In der Champions-League gegen Borussia Dortmund soll sich das bestätigen.

Oliver Meiler, Barcelona

Real Madrid Özil

Schon etabliert bei Real Madrid: Mesut Özil (Mitte) und Sami Khedira (Archivbild von 2011).

(Foto: REUTERS)

Es kommt nicht oft vor, dass Marca mit einer romantischen Wertschätzung titelt. "Querido Khedira", überschrieb die Madrider Sportzeitung dieser Tage einen Bericht zum Ausflug Reals nach Dortmund, "geliebter Khedira". Gemeint war die Liebe des Trainers José Mourinho zu seinem Sechser, dem Deutschen Sami Khedira.

Da mögen spanische Medien und das verwöhnte Publikum im Santiago Bernabéu zuweilen auch über die technischen Unzulänglichkeiten des athletischen Mittelfeldspielers spotten: Für "Mou" ist Khedira die Lunge des Teams, der unermüdliche Pendler zwischen dem eigenen und dem gegnerischen Strafraum, der Ballgewinnler im Zentrum. Es heißt, Khedira gehöre zu jenen Spielern, die der portugiesische Coach für unverzichtbar halte. Und das sind nicht viele.

Am Mittwoch in Dortmund soll Khedira auch wieder fit sein, erholt von der Muskelverletzung am linken Bein, die er sich bei der Nationalelf zugezogen hat. Für ihn und Mesut Özil, den anderen Deutschen in Reals Reihen, beide nun schon im dritten Jahr in Madrid, hat dieses Spiel in der Heimat noch eine Dimension mehr. Man möchte die Schmach der vergangenen Saison auswetzen, als man im Halbfinale am FC Bayern scheiterte.

Gerade in Deutschland hat Real traditionell viel Mühe zu gewinnen. In 23 Champions-League-Spielen gelang nur ein einziger Sieg, vor zwölf Jahren gegen Leverkusen. Im Westfalenstadion reichte es immerhin zwei Mal zum Remis. Der besondere Biss der deutschen Angestellten, diese Zusatzmotivation, soll nun in Dortmund für eine Premiere sorgen.

"In Deutschland ist Sami viel besser angesehen als in Spanien", sagt Mourinho über Khedira. Und das hat wohl nicht unwesentlich damit zu tun, dass er ihm eine eher unscheinbare Rolle anvertraut. Im Nationalteam ragt Khediras Aktionsradius bis weit hinein in die Offensive. Bei Real dagegen trägt er seinem kreativen Partner im Rückraum, dem wohl noch unverzichtbareren Xabi Alonso, die Bälle zu, damit der sie dann elegant über 40, 50 Meter in die Sturmspitze befördert.

Es sind viele Bälle, die Khedira anschleppt. Im Vorjahr berechneten Statistiker, dass er im Schnitt alle 14 Minuten einen Ball erkämpft - ein Spitzenwert. Mal spitzelt er ihn dem Gegner vom Fuß, mal grätscht er ihn weg, oft behauptet er sich in Duellen in der Luft. Seine Kritiker monieren aber, die gute Quote sei ein schwacher Trost: Wegen Khediras angeblich defizitärer Übersicht verliere Real auch überdurchschnittlich viele Bälle.

Bei Özil verhält es sich umgekehrt: Da stimmt die Romanze mit dem Publikum meist auch mit der Presse. Man schätzt seine leichtfüßige Art, diese trabenden Sturmläufe. Bei kaum einem anderen Spieler muten die Schritte so sehr nach Ballett an wie bei Özil. Neuerdings, seit er sich sein Haar nach Art Cristiano Ronaldos stutzen ließ, fliegt das Haar seinen Aktionen nicht mehr nach wie - na ja - der Schweif eines Sterns. Die Eleganz aber ist die alte geblieben.

Kleiner Akt der Rebellion

Für "Mou" gehört er in dieser Saison dennoch in die Kategorie der irgendwie Verzichtbaren. Jedenfalls stichelt der Trainer gerne gegen den Techniker. Er warf Özil vor, zu wenig zu laufen, sich nur halbherzig einzusetzen. In den Medien kehrten dann schnell die Gerüchte zurück, Özil hänge allzu gern in Nachtklubs rum. Vor einem Jahr waren diese Geschichten einmal derart kundig, dass es hieß, der Verein habe den Spieler auf Mourinhos Geheiß ausspioniert. Viel Grund zur Klage hatte Real aber nicht, Özil spielte eine herausragende Saison. Man gewann ja die Meisterschaft.

In diesem Jahr lässt sich alles etwas komplizierter an. Der Start in die Spielzeit war harzig, enttäuschend, für Madridistas gar alarmierend. Das lag auch (aber längst nicht nur) an den mediokren Leistungen Özils, und so setzt ihm Mourinho schon mal gerne den kroatischen Zugang Luka Modric (aus Tottenham) oder den unterbeschäftigten Brasilianer Kakà vor die Nase, zwei, die eine ähnliche Rolle unterschiedlich interpretieren. Das Personal ist nun prominent bestückt, der Druck der Konkurrenz treibt Özil mächtig an, offenbar auch im Training.

Die Seitenhiebe waren also ganz clever von Mourinho. Er lenkte damit auch von sich selber ab. Vor einigen Wochen wähnte man den Trainer schon kurz vor dem Abschied aus Madrid, angeblich geködert aus England und aus Paris. Man hörte auch, einige Spieler würden seine Autorität untergraben. So entging den Medien zum Beispiel nicht, wie sich Verteidiger Sergio Ramos das Trikot seines zur Pause ausgewechselten Freundes Özil unter sein eigenes Hemd zog.

Die "10" schien durch. Es war ein kleiner Akt der Rebellion, der dem Andalusier, den man für einen der absolut Unverzichtbaren erachtet hatte, ebenfalls ein Spiel auf der Ersatzbank bescherte. Nur eines, freilich. Der Mann ist zu stark und die Verletztenliste in der Abwehr zu lang, als dass sich Mourinho solche Disziplinarentscheide häufiger leisten könnte.

Nun ist es etwas ruhiger geworden im Verein. Die Siege ergeben sich wieder in Serie; Real ist mittlerweile Vierter der Liga. Özil spielt meist so gut und engagiert, wie es Mourinho wünscht. Und Khedira spielt oft besser, als es die Presse und das Publikum von ihm erwarten. Man kann in beiden Fällen also von einer Romanze reden, mit gelegentlichen kleinen Krisen.

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