Dortmunder und Leverkusener Transfers:Mit Frühbucher-Rabatt gegen das Festgeldkonto

Bayern kauft oft kleine Berühmtheiten zum Preis von großen Berühmtheiten. Das können sich andere Vereine wie Borussia Dortmund oder Bayer Leverkusen nicht erlauben. Sie umwerben junge Spieler, solange sie noch finanzierbar sind - die Beispiele Bernd Leno oder die Bender-Zwillinge zeigen, dass die riskante Strategie aufgeht.

Christof Kneer

Von Nils Petersen ist im Moment kaum die Rede. In den Spielberichten des FC Bayern kommt er nicht vor, es sei denn, es handelt sich um Bayerns Regionalliga-Elf, die sich kürzlich - mit Petersen - eine 1:2-Niederlage gegen die Stuttgarter Kickers einfing. Was Petersen aber mehr zu denken geben sollte: Sein Name fällt auch nicht, wenn die Lage im Sturm der Münchner Profis erörtert wird.

Arsenal FC v Borussia Dortmund - UEFA Champions League

Sven Bender (Mitte) hat sich bei Borussia Dortmund zu einem Nationalspieler entwickelt - er kam von 1860 München.

(Foto: Getty Images)

Zwar hört man, dass Ivica Olic den Verein gerne verlassen würde, was in der Liga sogleich die Frage aufwarf, ob die Bayern dann als Ersatz den Freiburger Cissé in die Stadt holen würden (was sie nicht vorhaben). Dass die Bayern im Sommer erst einen Mittelstürmer gekauft haben, Petersen nämlich - das hat die Liga irgendwie vergessen. Und ob sich die Bayern an diese Personalie selbst noch erinnern, ist auch nicht mehr ganz sicher.

Nils Petersen, 22, ist ein mutiger junger Mann. Er hat sich im Sommer etwas getraut, was sich nicht viele junge Männer trauen: Er ist ohne Zwischenschritt vom Zweitligisten Cottbus zum FC Bayern gewechselt, obwohl er angeblich aus einem Dutzend Erstliga-Angeboten wählen konnte. Der dominante Spielstil der Münchner würde am besten zu diesem Strafraumstürmer passen, hieß es.

Nun sitzt er in München recht undominant auf der Bank herum, was die Branche bereits zu liebevollen Quervergleichen mit Spielern wie Baumjohann oder Schlaudraff inspiriert. Die verirrten sich ebenfalls ins Münchner Prominenten-Ensemble und wurden nach nicht allzu langer Zeit unbenutzt wieder weggegeben. In Dortmund und in Leverkusen werden sie Petersens Schicksal mit stiller Befriedigung verfolgen. Sie wissen: Dieses Beispiel spielt ihnen in die Karten.

Der Führungsspieler-Klub aus München hat schon auch ein Herz für junge Spieler, aber es sind junge Spieler, die er entweder selbst angebaut hat wie Müller, Badstuber, Kroos - oder es sind junge Spieler, die schon kleine Stars sind und deshalb zum Preis von großen Stars eingekauft werden, wie Gomez, Boateng oder Neuer. Jungprofis, die nicht aus der Bayern-Jugend stammen und keine Nationalspieler sind, zieht es dagegen nur in Ausnahmefällen (Petersen) zu den Bayern.

Sie wissen, dass das daueraufgeregte München kein Milieu für Entwicklungen ist, weshalb sich der aufgeklärte Jungprofi zunehmend für eine Art Transfer-Gesamtpaket (gutes Gehalt plus kurzfristige Stammplatz-Perspektive) entscheidet. Diese Jungprofis tragen Namen wie Sven und Lars Bender, wie Schürrle, Leitner, Gündogan, Wollscheid oder jetzt Bernd Leno - sie alle wechselten oder wechseln nach Dortmund oder Leverkusen.

Bevor der FC Bayern auf dumme Gedanken kommt

Die meisten dieser Personalien folgen demselben Muster. Es geht in all diesen Fällen darum, heute schon die Mannschaft von morgen zu kennen. Es geht darum, Perspektivspieler früh, am besten schon im Herbst vom Markt zu nehmen, bevor aus den Perspektivspielern Nationalspieler werden und der FC Bayern oder Real Madrid auf dumme Gedanken kommen. Wenn's sein muss, akzeptieren Leverkusener und Dortmunder dann auch einen Preis, der auf den ersten Blick recht wuchtig erscheint - wie bei Leno oder im Falle des Nürnberger Innenverteidigers Philipp Wollscheid, für dessen Wechsel die Leverkusener im Sommer 2012 bis zu sieben Millionen Euro springen lassen werden. Noch etwas mehr kostete sie einst André Schürrle - aber hätten die Bayer-Leute ein paar Monate länger gewartet, hätten sie den Burschen aus Mainz nicht mehr bezahlen können.

Es ist ein Spiel mit der Zukunft, das die Rivalen des FC Bayern da betreiben. Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen haben eine Personalpolitik kultiviert, die der Macht des bayerischen Festgeldkontos eine Art Frühbucher-Rabatt entgegenhalten soll. Es ist eine seriöse Weiterentwicklung des alten Calmund-Modells, der in seiner Leverkusener Manager-Zeit einen florierenden Optionshandel gegründet hat. Spötter behaupten, dass Leverkusen damals Transferrechte an mehr Profis hielt, als es überhaupt gab.

Bayer 04 und der BVB haben dieses Prinzip in die Moderne überführt und vom undurchsichtigen brasilianischen Markt auf den deutschen Talent-Markt umgeleitet. Auf diese Weise ist es beiden Klubs gelungen, hochbegabte Kräfte wie Moritz Leitner und die Bender-Zwillinge mitten aus dem Feindesland herauszulocken - alle drei spielten und trainierten beim TSV 1860, ein paar hundert Meter Luftlinie vom FC Bayern entfernt. Alle drei spielen im zentralen defensiven Mittelfeld - auf einer Position, für die der FC Bayern die Profis Timoschtschuk und Luiz Gustavo anschaffte, für knapp 30 Millionen Euro.

Inzwischen haben auch die Münchner ihr Interesse am Markt der Edeltalente und künftigen Weltstars entdeckt, auch dank Trainer Jupp Heynckes, der die Geschäftsprinzipien seines Ex-Klubs Bayer Leverkusen kennt und schätzt. Mit Spannung erwartet die Branche, wie zwei weitere Fälle enden werden: Der 17-jährige Cottbuser Dribbler Leonardo Bittencourt wird ebenfalls von sämtlichen Spitzenteams umschwärmt, hat sich aber angeblich schon Borussia Dortmund versprochen.

Und der Jungnationalspieler Marco Reus, 22, wird zwar militant als FC-Bayern-Zugang gehandelt, was Insider aber für unwahrscheinlich halten. Als wahrscheinlich gilt, dass Reus vor allem zwei Modelle prüft: Er könnte in Mönchengladbach bleiben und dem Standort zu weiterer Attraktivität verhelfen - oder er entscheidet sich für die Stadt, in der er geboren wurde und in der seine Familie lebt. Marco Reus stammt aus Dortmund.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: