Dortmunder Sieg im Pokal-Halbfinale:Auf der letzten Felge

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Pokalfight: Dortmunds Mats Hummels und Wolfsburgs Ivica Olic (rechts) (Foto: REUTERS)

Der Einzug ins DFB-Pokalfinale war glücklich, das wissen die Dortmunder selbst. Doch das 2:0 gegen starke Wolfsburger zeigt, dass die Mannschaft von Trainer Klopp trotz aller Verletzungssorgen einen Weg gefunden hat, wichtige Partien für sich zu entscheiden.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Kurz vor dem Abpfiff rannte Roman Weidenfeller aus seinem Tor, er hatte genug gesehen vom Defensivverhalten einiger Mitspieler, aus der Sicht des Torhüters von Borussia Dortmund war die Abwehrarbeit völlig unzureichend für die Schlussphase eines Pokal-Halbfinalspiels. Sein Wut bekam vor allem Marco Reus ab, wild gestikulierend beschimpfte Weidenfeller seinen Kollegen. Reus ließ sich das nicht bieten, er keifte noch wilder gestikulierend zurück.

Schon allein diese Szene belegte eindrücklich, wie eng es zugegangen war gegen den VfL Wolfsburg. Am Ende hatte die Borussia ihr Pokal-Halbfinale vor 80 200 Zuschauern im ausverkauften Dortmunder Stadion zwar 2:0 (2:0) gewonnen, doch das Ergebnis fiel am Ende etwas schmeichelhaft für den BVB aus.

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Borussia Dortmund freut sich über den dritten großen Sieg binnen einer Woche: Nach Real Madrid und Bayern München schlagen Jürgen Klopps Männer im Pokal-Halbfinale auch den VfL Wolfsburg mit 2:0. Dass der BVB das Finale erreicht, liegt nicht zuletzt an den Nachlässigkeiten der Gäste.

Das lag unter anderem daran, dass die Männer in schwarz-gelb in der zurückliegenden Woche mit den beeindruckenden Auftritten gegen Real Madrid (2:0) und in München (3:0) körperlich ihre Grenze touchiert hatten. Trainer Jürgen Klopp sprach von einem "Sieg auf der letzten Felge". Er sehe den Erfolg in erster Linie als "Lohn für die Anstrengungen der letzten Wochen". Aber dennoch, ganz klar, "es war natürlich ein glücklicher Sieg".

Das Lob galt dem Gegner aus der Autostadt, der im Ruhrgebiet eine Vorstellung dargeboten hatte, die niemanden unbeeindruckt ließ, der sie verfolgt hatte. Dortmunds Kapitän Sebastian Kehl sprach von einem "harten Stück Arbeit, zeitweise hatten wir einen ziemlichen Dusel". Auch Klopp hatte einen äußerst spielstarken Gegner erlebt: "Sehr spritzig, sehr schnell, unangenehm mit den vielen Diagonalbällen".

Ob ihn die Lobesarie des Kollegen freute oder kalt ließ, war dem Gesicht von Dieter Hecking nicht anzusehen. Wolfsburgs Trainer erlebte einen bizarren Abend, irgendwo zwischen Freude und Verwirrung: "Wir haben überragend gespielt, wir sind nur nicht belohnt worden für diese Leistung." Wer so viele erstklassige Einschussmöglichkeiten habe, sagte Hecking, der müsse auch Tore erzielen. Dies sei "der einzige Vorwurf, den ich der Mannschaft machen kann".

Wolfsburgs Verschwendungssucht blieb nicht vage, sondern bekam an diesem Abend ein Gesicht: Junior Malanda, ein 19-jähriger Mittelfeldspieler aus Belgien, zeigte eine beeindruckende Vorstellung und hätte in die Wolfsburger Pokalgeschichte eingehen können, wenn er beim Abschluss etwas ruhiger geblieben wäre. In der ersten Hälfte setzte er einen Kopfball an den Pfosten, in der zweiten vollbrachte er das Kunststück, das Spielgerät aus drei Metern volley auf die Tribüne zu jagen. Kurz vor Schluss leistete er sich ein weiteres Missgeschick, als er aus kurzer Entfernung am großartig reagierenden Dortmunder Torhüter Weidenfeller scheiterte. Der Nachschuss von Luiz Gustavo klatschte ans Aluminium, kurz darauf musste Malanda nach einem Zusammenprall mit Sokratis auch noch verletzt raus, er hatte sich am rechten Knie verletzt. Die Diagnose: Kreuzband-Zerrung, sechs bis Wochen Pause.

Malandas Auftritt war symptomatisch für den seiner Mannschaft: Wolfsburg präsentierte sich mit beeindruckender Präsenz, stand am Ende jedoch als enttäuschter Verlierer da. Sportdirektor Klaus Allofs registrierte die Unpässlichkeit mit einem Schulterzucken, "damit, dass in manchen Situationen die Konzentration fehlt, müssen wir wohl leben".

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Der als Nationalspieler gehandelte Eric Durm agiert nur nach vorne richtig zackig. Marco Reus leistet sich einen Zwist mit Keeper Weidenfeller. Und Robert Lewandowski beweist erneut, dass er dem Team sehr fehlen wird. Der BVB beim 2:0 gegen Wolfsburg in der Einzelkritik.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Es war eine Momentaufnahme, die zumindest die Hoffnung zeitigte, in der kommenden Saison so weit zu sein, "dass wir kaltschäuziger sind". Der frühere Bremer Allofs hat an seiner neuen Wirkungsstätte mit viel Geld vom Autokonzern einen hochkarätigen Kader zusammengestellt. Hecking gibt dieser Mannschaft, die früher so oft eine Söldnermentalität verkörperte, eine spezielle Identität,mit der sich die Fans anfreunden können. Beide handelnden Personen nähren die Zuversicht, schon bald sportlich mit den beiden Alphatieren aus München und Dortmund auf Augenhöhe agieren zu können. "Wir sind nah dran, die Lücke zu schließen", bilanzierte Hecking, "es fehlt nur noch der entscheidende Tick".

Den nötigen Punch, der dem Gegner abging, hatten die Dortmunder an diesem Abend in den Personen Henrikh Mkhitaryan und Robert Lewandowski. Wie der Armenier und der Pole die beiden entscheidenden Treffer erzielten, das offenbarte Klasse und Durchsetzungsvermögen. Hernach sprach Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke von einem "Kraftakt" und von einer "Willensleistung". Da mochte Klopp nicht widersprechen, diese 90 Minuten seien für seine Spieler nach der enormen Belastung der vergangenen Wochen richtig schmerzhaft gewesen: "Ich hätte Panikattacken gekriegt, wenn es heute noch in die Verlängerung gegangen wäre".

Diese Überstunden blieben ihm und seiner Mannschaft erspart, und deshalb wurde es für alle Dortmunder ein schöner Abend. "Am Ende dieses Marathons sind wir im Finale", sagte Klopp, "wir freuen uns wie Bolle auf Berlin".

Und weil sich für Schwarz-gelb alles so harmonisch darstellte, fanden auch die Streithähne Weidenfeller und Reus wieder zueinander. "Halb so wild", wusste Klopp aus der Kabine zu berichten, "nach dem Spiel war alles wieder gut." Bevor sich der Dortmunder Tross im Mai mit 40 000 bis 50 000 Menschen auf den Weg in die Hauptstadt macht, bekam der Trainer vom Kollegen noch den inoffiziellen Auftrag erteilt, nicht nur für den Revierklub, sondern für die ganze Bundesliga Flagge zu zeigen: "Jürgen", sagte Dieter Hecking, "zeig den Bayern, dass die anderen da sind".

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