Dortmunder Erfolg in der Champions League:Kuriert vom kurzen Kater

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Und er trifft und trifft: Robert Lewandowski ist für den BVB weiterhin enorm wertvoll. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Borussia Dortmund freut sich in Sankt Petersburg über eine bemerkenswerte Reaktion nach dem Debakel in Hamburg. In internationalen Spielen strahlt die Mannschaft weiterhin enorme Qualität aus - allen voran Ausnahmekönner Lewandowski.

Von Felix Meininghaus, Sankt Petersburg

Dass Jürgen Klopp als Fußballtrainer ein überaus veranlagter Fachmann ist, hat er zu Genüge nachgewiesen. Nach dem souveränen 4:2 (2:0)-Sieg von Borussia Dortmund im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals bei Zenit St. Petersburg war der Mann auf der Bank jedoch auch als Rechenkünstler gefragt.

Die Frage war, wie groß der Wert eines Auswärtssieges mit vier Toren auf dem Weg ins Viertelfinale sei. Klopp hat nicht lange nachgedacht und geantwortet: "50 Prozent. Das war erst ein Spiel, und wir haben jetzt nicht den Eindruck, als habe sich unsere Ausgangsposition signifikant verbessert. Wir haben einen ersten Schritt gemacht, mehr ist nicht passiert."

Diese Aussage war reichlich defensiv, sie deckte sich so gar nicht mit dem, was andere Personen aus dem Dortmunder Lager sagten. Zum Beispiel sprach Kapitän Sebastian Kehl von einem "richtig großen Schritt, vier Auswärtstore erlebt man in der Champions League ja eher selten." Und Sportdirektor Michael Zorc ergänzte: "Wir haben nun eine sehr, sehr gute Ausgangsposition. Die sollten wir tunlichst nutzen, um ins Viertelfinale einzuziehen."

Solche Worte deckten sich mit den Eindrücken von St. Petersburg, wo ein Verein, der erst im März wieder in die Saison einsteigt, ohne Spielrhythmus und Einstellung mit dem Gegner aus der Bundesliga vollständig überfordert war. Klopp mochte die Unterlegenheit der Russen jedoch mehr an der couragierten Vorstellung seiner Mannschaft festmachen: "Wir haben gegen den Ball Herausragendes gemacht. Gegen eine hochtalentierte Mannschaft wie Zenit so zu verteidigen, das war der Schlüssel zum Sieg."

Das stimmte auffallend, die Dortmunder investierten wesentlich mehr Laufarbeit und Leidenschaft als beim Auftritt, den sie drei Tage zuvor beim peinlichen 0:3 in Hamburg hingelegt hatten. Vielleicht, mutmaßte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, sei dies eine durchaus heilsame Erfahrung gewesen, "um mal wieder zu sehen, welchen Weg diese Mannschaft gehen muss, um erfolgreich zu sein." Nämlich den, ihren Gegner durch erhöhte Laufbereitschaft und permanentes Attackieren mürbe zu spielen.

Der zweite Schlüssel zum klaren Sieg der Dortmunder war im Sturm zu finden und trug die Nummer neun auf dem Rücken: Robert Lewandowski, der den BVB im Sommer Richtung München verlassen wird, erzielte die Tore drei und vier für seinen jetzigen Verein, der ihn in der nächsten Saison mit Sicherheit vermissen wird. Das allein war schon eine Nachricht wert, die dadurch aufgewertet wurde, dass es die Treffer Nummer 17 und 18 in europäischen Wettbewerben waren: Einmal hat Lewandowski in der Europa League getroffen, die restlichen Erfolgserlebnisse gelangen ihm alle in der Königsklasse.

Damit hat der Pole den Schweizer Stephane Chapuisat in der klubinternen Hitliste überflügelt und darf sich von nun an als erfolgreichster Europapokal-Torschütze der BVB-Historie feiern lassen. Als Lewandowski eine Stunde nach dem Abpfiff mit dieser Bestmarke konfrontiert wurde, zuckte er nur mit den Schultern und sagte: "Das spielt keine Rolle. Ich will immer Tore schießen, egal ob in der Bundesliga, im Pokal oder in der Champions League."

Borussia Dortmund in der Einzelkritik
:Porsche schlägt Trabi

Sebastian Kehl zeigt im Herbst seiner Karriere, dass er für die Balance im Dortmunder Spiel enorm wichtig ist. Der quirlige Marco Reus macht noch mehr Vereine auf sich aufmerksam. Robert Lewandowski tändelt lange herum, ehe er eiskalt trifft. Der BVB in der Einzelkritik.

Von Felix Meininghaus, Sankt Petersburg

Nachdem das ewige Theater um den Wechsel zu den Bayern Anfang Januar endlich beendet war, hat einer der besten Stürmer des Kontinents versprochen, bei seinem alten Verein bis zur letzten Spielminute alles zu geben. Bislang hat er Wort gehalten, und das nötigt nicht nur dem Mannschaftskapitän Sebastian Kehl höchsten Respekt ab.

"Er macht nicht nur Tore, sondern ist auch sonst wahnsinnig präsent", lobt der Routinier. Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc denkt da genauso: "Über seine Leistungen brauchen wir nicht zu reden, die sind schon die ganze Saison hervorragend." Und BVB-Trainer Jürgen Klopp ergänzt: "Er ist richtig stark, aber dass Robert die Bälle reinschießt, ist ja als Erkenntnis nicht richtig neu."

Das stimmt. Robert Lewandowski trifft und trifft, es dürfte für die Dortmunder äußerst schwer bis nahezu unmöglich werden, einen adäquaten Nachfolger zu finden. Aber auch die Nebenmänner des Ausnahmestürmers erwischten diesmal einen sehr guten Abend und hätten das Ergebnis noch weitaus deutlicher gestalten können, als es sowieso schon ausfiel. Zum Beispiel Henrikh Mkhitaryan und Marco Reus, die mit dem schnellsten Doppelpack der Dortmunder Europapokal-Geschichte schon nach fünf Minuten klar machten: Hier geht heute nix, liebe Russen.

Stark war auch der Auftritt von Lukasz Piszczek, der nach seiner Hüft-Operation, die ihn ein halbes Jahr außer Gefecht gesetzt hatte, langsam zu der Form zurückfindet, die ihn zu einem der besten Rechtsverteidiger des Kontinents werden ließ. Das alles waren positive Momente in Sankt Petersburg. Wenn es so kommt, wie es nach den ersten 90 Minuten zu erwarten ist, wird es im Viertelfinale für den BVB gegen einen Kontrahenten gehen, der dem Revierklub mit Sicherheit wesentlich mehr entgegenzusetzen hat als die sichtlich überforderte Wackel-Elf von Zenit.

Dann hat Robert Lewandowski eine neue Möglichkeit, bei seiner Abschiedstournee weitere Glanzpunkte zu setzen. "Ich hoffe, dass diese Tore nicht meine letzten in der Champions League waren", sagte der Torjäger, bevor er in der Nacht von St. Petersburg verschwand: "Aber bevor es weitergeht, müssen wir erst noch die Revanche in Dortmund bestehen."

Das sollte gelingen, und damit wären 3,9 Millionen Euro Prämie von der Uefa, jede Menge Prestige und zusätzlich auch noch eine nicht zu unterschätzende Planungssicherheit gewonnen. Zudem wäre es ein wichtiger Schritt, sich weiter in der europäischen Spitze festzusetzen: "Es geht in die richtige Richtung", sagt Watzke: "Sollten wir erneut ins Viertelfinale einziehen, würde das für eine Nachhaltigkeit sprechen."

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