Dortmund verpflichtet Marco Reus:Teure Rückkehr des verlorenen Sohnes

Borussia Dortmund zahlt 17 Millionen Euro Ablöse, um Nationalspieler Marco Reus im Sommer 2012 aus Gladbach zu holen. Bei der einen Borussia herrscht Festtagsstimmung, bei der anderen wird getrauert, weil noch ein weiterer prägender Spieler den Verein verlässt.

Freddie Röckenhaus, Dortmund

Der wahre Silvester-Böller ging in Dortmund mit drei Tagen Verspätung hoch. Marco Reus wechselt kommenden Sommer zum Start der Bundesliga-Spielzeit 2012/2013 von Borussia Mönchengladbach zurück zu seinem Heimatverein Borussia Dortmund.

Beinahe zwei Jahre lang hatten sich BVB-Manager Michael Zorc und Vorstandschef Hans-Joachim Watzke im Hintergrund immer wieder um Reus bemüht. Nun kam die Zusage des Jung-Nationalspielers am Dienstagabend selbst für Zorc und Watzke überraschend plötzlich. Dortmund muss für den Transfer seinen ehemaligen Jugendspieler allerdings eine Ablöse von 17 Millionen Euro überweisen, die im Arbeitsvertrag von Reus mit Gladbach für den Fall eines Wechsels im Sommer 2012 festgeschrieben ist.

Im Gegensatz zum FC Bayern München, der offen um den 22-Jährigen gebuhlt hatte, waren die Dortmunder stets in der Deckung geblieben. Offenbar hatte man in Dortmund den "Heimatfaktor" beim verlorenen Sohn richtig eingeschätzt. Reus ist nicht nur in Dortmund geboren und hat beim Postsportverein Dortmund und dann bis zur U17 beim BVB gespielt.

Seine Eltern leben auch im Dortmunder Flughafen-Stadtteil Wickede, seine Freundin Carolin lebt und arbeitet in Dortmund, Dortmunds Spieler Kevin Großkreutz gehört seit gemeinsamen Zeiten im Exil bei RW Ahlen zu seinen besten Kumpels, und selbst bei seinem Auto-Kennzeichen bestand Reus stets darauf, mit dem Dortmunder "DO" herumzufahren.

Über Weihnachten, bei einem Urlaub in Dubai, hat sich Reus zum Wechsel entschieden. Am Dienstag verblüffte er dann Zorc/Watzke mit einer schnörkellosen, knappen Zusage. Ebenfalls am Dienstagabend teilte Reus dann zunächst seinem Trainer Lucien Favre und dann Gladbachs Manager Max Eberl mit, dass er im Sommer zurück nach Dortmund wolle.

Eberl gab auf der Gladbacher Vereins-Homepage, die am Mittwoch die Nachricht zuerst veröffentlichte und deren Server anschließend zeitweise zusammenbrach, auch bekannt, dass er "Marco noch ein Angebot zur Vertragsverlängerung bis 2016 gemacht" habe und der Verein dabei "an die eigene Schmerzschwelle gegangen" sei. Reus aber konnte das nicht umstimmen.

Auf der Gladbacher Homepage betonte er, er wolle "bei seinem nächsten Schritt" bei einem Klub spielen, der ihm garantieren könne, "um die Meisterschaft mitzuspielen und in der Champions League".

Auf einem Gehaltsniveau mit Hummels und Götze

Geld allein kann die Unterschrift von Reus unter den Fünf-Jahresvertrag (bis Sommer 2017) nicht beflügelt haben. Reus soll in Dortmund knapp unter drei Millionen Euro im Jahr verdienen, zumindest wenn der BVB halbwegs in der Ligaspitze mitspielt.

Damit läge Reus in etwa auf dem Gehaltsniveau, das auch die anderen Jung-Nationalspieler des BVB wie Mats Hummels und Mario Götze bekommen. Watzke betont: "Marco hätte definitiv an anderer Stelle ganz deutlich mehr verdienen können als bei uns." Bei Bayern München hätte der Jung-Torjäger angeblich fast das Doppelte einstreichen können, allerdings mit geringeren Aussichten auf einen Stammplatz und in einem härteren Umfeld. Einen Wechsel ins Ausland hatte Reus ausgeschlossen.

Watzke hatte seit längerem darauf hingewiesen, dass sich der BVB inzwischen "auch einmal einen Transfer mit einer hohen Ablösesumme leisten" könne. Der börsennotierte Klub, der 2005 kurz vor der Insolvenz stand, dem dann aber die Sanierung gelang, hat im vergangenen Geschäftsjahr zwöf Millionen Euro Gewinn ausgewiesen, und für das laufende Geschäftsjahr "kann ich ein relativ ähnliches Ergebnis erwarten", sagt Watzke.

Die Ablöse für Reus kann Dortmund also aus "vorhandenen Rücklagen aus den letzten zwei Jahren" bestreiten. Nach dem Transfercoup wird Dortmund kommende Saison "definitiv mit Mario Götze plus Marco Reus antreten", wie Watzke frohlockte. Das Duo dürfte im Mittelfeld durch Kevin Großkreutz oder Shinji Kagawa ergänzt werden. Der BVB verfügt damit über eine der attraktivsten Mittelfeldreihen in Europa.

Ein übereifriger Jugendtrainer hatte Reus 2006 wegen "körperlicher Defizite" ins benachbarte Ahlen ziehen lassen - ebenso übrigens wie Kevin Großkreutz. Den einen konnte Michael Zorc schon vor zweieinhalb Jahren ablösefrei zum BVB zurückholen. Reus hätte zum selben Zeitpunkt eine Million Ablöse gekostet, die der BVB damals nicht ausgeben wollte.

Vor eineinhalb Jahren wäre Reus für zehn Millionen zu haben gewesen, die Dortmund zu dem Zeitpunkt aber nicht hatte. Jetzt sind es 17 (nicht 17,5 oder 18, wie oft kolportiert wurde) geworden - aber jetzt ist der BVB besser bei Kasse. Übrigens: Der Jugendtrainer arbeitet noch immer bei der Borussia.

Für Watzke hat der Transfer eine strategische Komponente. Je stärker der BVB den begehrten Jung-Nationalspielern in seinen Reihen (Götze, Hummels, Schmelzer, Sven Bender) signalisieren kann, dass man auch in Dortmund entschlossen zu weiteren Titel strebt, desto größer die Aussicht, all die Talente unter dem Trainer Jürgen Klopp im Paket zusammenhalten zu können.

Mit Mario Götze, 19, bemüht sich Dortmund um eine Vertragsverlängerung über die aktuell gültige Laufzeit bis Sommer 2014 hinaus. Und selbst Nuri Sahin, glücklos zu Real Madrid abgewanderter Spielmacher aus dem eigenen Nachwuchs, könnte bald wieder beim BVB landen. "Wir haben ihm immer gesagt: Wenn du dort nicht glücklich bist, ist die Tür bei uns für dich immer auf. Wir müssen dann sehen, wie wir eine Rückkehr organisiert bekommen", sagt Watzke.

Festtagsstimmung bei der einen Borussia, Trauer bei der anderen. Mit dem Reus-Abschied war zu rechnen, doch am Tag der Verkündung musste ein zweiter Abschied verkündet werden: Auch Stammspieler Roman Neustädter, 23, verlässt den Tabellenvierten. Der Mittelfeldspieler schließt sich im Sommer Bayer Leverkusen an.

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