Dortmund:Unersetzlich wie Emmerich

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Mit breiter Brust: Dortmunds Angreifer Pierre-Emerick Aubameyang strotzt vor Kraft - und Effizienz.

(Foto: AFP)

Im Torjäger-Fernduell mit Robert Lewandowski bricht Borussias Stürmer Aubameyang die alten BVB-Rekorde.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die Zukunft des Sportjournalismus war es wohl nicht, aber als Show-Einlage nach dem Spiel ansteckend fröhlich: Doppel-Torschütze Marco Reus interviewt, mit dem Mikrofon des Vereins-Fernsehens bewaffnet, den Dreifach-Torschützen Pierre-Emerick Aubameyang: "Wie viele Tore hast du jetzt gemacht?" Sagt Aubameyang: "Zwanzig in allen Wettbewerben." Die Antwort verschlägt Reus offenbar die Sprache. Schnell fragt Aubameyang seinen Kumpel Reus zurück: "Und du? Auch zwanzig?" Der Rest ist Gelächter.

Die drei Tore beim 5:1 gegen Augsburg bedeuten den zweiten Hattrick binnen vier Tagen

Es geht bisweilen albern zu, wenn Borussia Dortmund - wie am Sonntag beim 5:1 gegen den FC Augsburg - mal richtig gut drauf ist und funkelnde Spielzüge mit Hackentricks oder Balldurchlassen aufführt und Aubameyang zwischendurch mal einen Treffer mit einem sauber gestandenen Salto feiert. Der Typ hinter dieser neuen Lockerheit ist derselbe, der gerade in der Torschützenliste der Bundesliga mit seinem Vorgänger beim BVB gleichgezogen hat, mit Robert Lewandowski, der jetzt für den FC Bayern seine Tore schießt. Beide sind bei 13 Liga-Treffern in zehn Spielen angekommen. Aubameyang aber hat in neun der zehn Spiele immer jeweils ein Tor erzielt. Sein Hattrick gegen Augsburg war der zweite binnen vier Tagen, nach seinen drei Treffern im Europa-League-Spiel in Baku gegen den FC Qäbälä.

"Es ist eine große Freude, sein Trainer zu sein", schwelgte Thomas Tuchel deshalb erneut über den in Westfrankreich aufgewachsenen Stürmer, der für Gabun spielt, das Heimatland seines Vaters. Und dann erinnerte Tuchel kurz an das Ligaspiel zuvor, an den 2:0-Sieg in Mainz: "Er ist ein Torjäger, der sich dem Toremachen verschrieben hat, aber wie er in Mainz zwei Treffer aufgelegt hat und sich dann mit Marco Reus und Henrikh Mkhitaryan so sehr freut, als habe er selbst getroffen - da geht mir einfach das Herz auf."

Aubameyang hat tatsächlich die Herzen in Dortmund erobert, wie lange kein Spieler vor ihm. "Diese Fröhlichkeit, die er hat, obwohl er zugleich ganz ernsthaft und fleißig ist", hatte Tuchel ihn auf den Schild gehoben, "damit geht er wirklich als Vorbild voran." Aubameyang sei etwas ganz Außergewöhnliches, er sei: "Unersetzlich."

Was genau passieren würde, wenn Aubameyang sich einmal verletzen würde? Das ist die bange Frage, die die Tuchel-These von der Unersetzlichkeit stets begleitet. Bei einem Zusammenprall mit Augsburgs Torwart Marwin Hitz blieb Aubameyang in der ersten Halbzeit am Boden liegen. Eine bange Stille lag über dem erneut von mehr als 80 000 Zuschauern gefüllten Stadion. Bis der Malade sich wieder aufrappelte.

Die Entwicklung des 26-Jährigen, dessen Mutter Spanierin ist, der beim AC Mailand im Fußball-Internat war und anschließend bei einer Handvoll französischer Klubs herumgereicht wurde, scheint im Moment kein Limit zu kennen. Wie ein zweiter Thierry Henry, der einst Frankreichs Fußball belebte, traut sich Aubameyang inzwischen alles: Dribblings, Kopfbälle, dreist geschossene Elfmeter, raffinierte Distanzschüsse, Pässe auf engstem Raum. Den Rang des Weltklasse-Stürmers Lewandowski mag er immer noch nicht erreicht haben, aber manche in Dortmund glauben inzwischen, dass der schnellste Spieler der Bundesliga nur noch Nuancen hinter seinem BVB-Vorgänger zurückliegt.

Zwei wichtige Unterschiede gibt es: Lewandowski war nie für ansteckende Fröhlichkeit bekannt, sondern für eher introvertierte Pflichterfüllung. Und Aubameyang hat vor wenigen Wochen, als er beste Angebote aus England und Spanien hatte, mal eben seinen Vertrag bis 2020 verlängert. "Auba", wie ihn der Einfachheit halber alle nennen, wäre dann fast 31. "So wohl, wie ich mich hier fühle, das würde ich nie aufgeben wollen", hatte er gesagt.

So etwas macht einen in Dortmund zum Volkshelden. Dass er zudem den Uralt-Vereinsrekord von Dortmunds Stürmer-Legende Lothar Emmerich gebrochen hat, mit diesen 13 Treffern aus zehn Spielen, ist da nur recht und billig. Emmerich brachte es 1966/67 immerhin fertig, mit Gerd Müller gleichauf Torschützenkönig zu werden.

Gut, dass er nicht ausgewechselt wurde - die letzten beiden Aubameyang-Tore fielen spät

Den Spielball darf ein Hattrick-Schütze nach altem Brauch übrigens mit nach Hause nehmen. "Den schenke ich meinem Söhnchen Curtys", kündigte Aubameyang nach der zweiten Balleroberung binnen weniger Tage an: "Wenn es so weitergeht, braucht er ein größeres Kinderzimmer."

Schon vor dem Spiel hatte Pierre-Emerick mit seinem Bruder Willy, der beim Regionalligisten FC Kray im benachbarten Essen spielt, die Wette abgeschlossen, dass er erneut drei Tore schießen werde. Er hatte Glück, dass ihn der Trainer nicht nach 80 Minuten aus dem Spiel nahm, um ihn zu schonen. Denn seine letzten beiden Treffer fielen spät. Wie hieß es schon zu Emmerichs Zeiten? Das Spiel dauert 90 Minuten. Mindestens.

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