Rezepte gegen Bayern:Gruppentherapie auf Borussen-Art

Beide haben gegen Bayern gewonnen, beide setzen auf eine ähnliche Taktik: Der BVB und Gladbach sind radikale Trainermannschaften. Sie werden von Klopp und Favre mit einleuchtender Autorität dirigiert und haben eine Formel für alle Bayern-Verfolger entwickelt.

Christof Kneer

In der Fachliteratur heißt es, eine Gruppengröße von sieben bis zwölf Personen sei ideal. Als Faustregel gilt auch, dass jedes Treffen anderthalb bis zwei Stunden dauern solle. Bis hierher passt alles, bis hierher kann man sich die Fußballspieler von Borussia Dortmund und Borussia Mönchengladbach wunderbar als Teilnehmer an einer Gruppentherapie vorstellen.

Borussia Mönchengladbach - SV Werder Bremen

Stark als Gruppe: Borussia Mönchengladbach lebt vom Zusammenhalt - für die Höhepunkte sorgt dann Marco Reus (mitte).

(Foto: dpa)

Die Gruppe besteht aus elf Profis, das Treffen dauert 90 Minuten - dass die Profis allerdings vor dem Spiel ohne Tisch im Kreis sitzen und sich in die Augen schauen, würde man spontan eher bezweifeln. Wobei: Weiß man's? Wer den beiden Borussias zurzeit beim Sport zuschaut, sieht, dass beide ein Geheimnis haben. Bei der einen Borussia ahnt man das schon länger, bei der anderen ist die Erkenntnis recht neu.

Vor genau einem Jahr war die eine Borussia Erster, die andere Letzter - mit zehn Punkten nach 13 Spielen. Borussia Mönchengladbach war eine ungeordnete Ansammlung von Fußballprofis. Heute ist diese Borussia eine Ansammlung, die geordneter nicht sein könnte. Die beiden Borussias kommen von weit her, und sie sind fest in der Hand ihrer Gruppentherapeuten.

In Dortmund hat Jürgen Klopp viel Zeit bekommen, um den unter einer hauseigenen Finanzkrise zusammengebrochenen Klub wiederaufzurichten, und in Gladbach haben sie sich im Frühjahr in dringendster Abstiegsnot einem Trainer ausgeliefert, der ebenfalls im Ruf stand, Zeit zu brauchen. Lucien Favre, der schrullige Schweizer, hat die Borussia dann zur allgemeinen, womöglich auch zur eigenen Überraschung in derart gespenstischem Tempo kuriert, dass nicht auszuschließen ist, dass die Profis vor dem Spiel ohne Tisch im Kreis saßen und sich dabei in die Augen schauten.

Und jetzt ist seine Borussia Dritter - mit nahezu demselben Kader, auf den schon Favres Vorgänger Michael Frontzeck Zugriff hatte. Die beiden Borussias sind radikale Trainermannschaften. Sie werden von Klopp und Favre mit fachlich einleuchtender Autorität dirigiert und haben nebenbei eine schöne Formel für alle Bayern-Verfolger entwickelt. Man kann den Münchnern am besten gefährlich werden, wenn man in einer gruppendynamisch straff organisierten Ordnung spielt - und die Ordnung dann Künstlern wie Götze oder Reus zur Verfügung stellt, die von dieser Ordnung gleichermaßen beschützt wie inspiriert werden.

Das Unpraktische an dieser Formel ist, dass die Bayern eine Gegenformel kennen. Am Sonntag hat Vorstandschef Rummenigge das bayerische Interesse an den Spielern Götze und Reus bekräftigt.

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