Dortmund:Mann für den Unterschied

Dortmund: Effizient im Offensivspiel: Dortmunds Andrij Jarmolenko.

Effizient im Offensivspiel: Dortmunds Andrij Jarmolenko.

(Foto: Odd Andersen/AFP)

BVB-Zugang Andrij Jarmolenko aus der Ukraine brilliert auch beim 3:0 in Hamburg und trägt entscheidend dazu bei, dass seine Mannschaft auch nach fünf Spielen die Liga ohne Gegentor anführt. Oft halfen den Hanseaten nur Fouls, um ihn zu stoppen.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Er spricht kein Deutsch, kaum Englisch und ist erst seit 28. August bei Borussia Dortmund unter Vertrag. Und doch sei Andrij Jarmolenko bereits "superintegriert", sagt BVB-Profi Nuri Sahin über den neuen Kollegen. Dortmunds Trainer Peter Bosz hat dafür eine relativ einfache Erklärung: "Gute Spieler verstehen sich immer schnell auf dem Platz." Das größte Lob nach dem 3:0-Sieg beim Hamburger SV, das den "Echte Liebe"-Klub wieder auf Tabellenplatz eins der Bundesliga hievte, kam jedoch von Sportdirektor Michael Zorc: "Es ist schon brutal, wie schnell er zum Unterschiedsfaktor geworden ist - und zwar in jedem Spiel."

Dabei war es erst die dritte Partie mit dem Ukrainer in der Startaufstellung. Jarmolenko, 27, hat zu seinem Einstand - Stichwort: Sprachprobleme - noch nichts gesagt. Aber es ist offensichtlich, dass der für 25 Millionen Euro von Dynamo Kiew losgeeiste Außenstürmer das 150-Millionen-Euro-Geschäft mit Ousmane Dembélé und dem FC Barcelona für Dortmund zum Super-Deal gemacht hat. Die Klubkasse ist gut gefüllt worden - und statt des großen, aber flatterhaften Talents Dembélé hat der BVB einen Angreifer bekommen, der über die Erfahrung von 72 Länderspielen und 71 Europacup-Partien verfügt. Anfang September hatte er die türkischen Borussia-Profis Sahin und Ömer Toprak beim WM-Qualifikationsspiel schmerzhaft beeindruckt, wie Sahin einräumte. Er hatte beide Treffer zum 2:0-Sieg für die Ukraine gegen die Türkei erzielt.

Auch nach fünf Spielen führt der BVB die Liga ohne Gegentor an

Genau so ging es für ihn weiter. Bei seinem ersten Champions-League-Einsatz zwirbelte er beim 1:3 bei Tottenham einen Schuss zum 1:1 in den Winkel. Und beim 5:0 gegen den 1. FC Köln spielte er mit seinen Übersteigern Gegenspieler Jannes Horn Knoten in die Beine. Das wiederholte sich in Hamburg, wo Jarmolenkos Widersacher Gotoku Sakai so verzweifelt war, dass er ihn mit einem rotwürdigen, aber nur mit Gelb bestraften Foul von den Beinen holte. Zudem gab Jarmolenko die Vorlage zu zwei Toren: In der 24. Minute trat er den Freistoß, den Shinji Kagawa zum 1:0 verwandelte, in der 63. Minute passte er auf Pierre-Emerick Aubameyang - der Torjäger musste nur noch in den präzise gespielten Ball reinlaufen, um das 2:0 zu erzielen.

Insgesamt hatte Jarmolenko bei knapp der Hälfte der 17 Borussia-Torschüsse seine Füße im Spiel, fünfmal mit einer Vorlage, dreimal mit einem Abschluss. Dass auch noch Christian Pulisic locker wie im Training zum 3:0 traf, machte den Abend aus Dortmunder Sicht perfekt und Trainer Bosz "stolz": 13:0 Tore und 13 Punkte stehen nach dem 750. Bundesliga-Sieg der Geschichte auf dem Konto.

Noch nie war die Borussia in 53 Bundesliga-Jahren nach fünf Spielen ohne Gegentor: "Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meisterschaften", floskelte Torwart Roman Bürki - was man durchaus so deuten kann, dass sich die Dortmunder bereit fühlen für einen Titelzweikampf.

Ganz so souverän war die Sache aber nicht. Bis zum zweiten Gegentor hielten die Hamburger beachtlich mit, erspielten sich sogar einige Chancen gegen die offensive BVB-Abwehr. Bosz war sogar der Ansicht, dass es das "schwierigste Spiel dieser Saison" gewesen sei. Der HSV habe sogar mehr Druck entfacht als der englische Spitzenklub Tottenham, behauptete er.

Hamburgs Abwehrspieler Mergim Mavraj fand, "dass wir nicht die schlechtere Mannschaft waren, sondern die unglücklichere". Aber: "Wir haben halt keinen Aubameyang oder Lewandowski." Und auch keinen Jarmolenko. Die Borussia konnte mit diesen Hochkarätern den Gegner "effektiv bestrafen", wie HSV-Coach Markus Gisdol analysierte. Der stolze Kollege Bosz leistete es sich in Anbetracht der kommenden Aufgaben (Samstag gegen Gladbach, Dienstag in der Champions League gegen Real Madrid), den von einer Lippenverletzung genesenen Weltmeister Mario Götze zu schonen. Auch Jarmolenko nahm nach 67 Minuten auf der Bank Platz. Man müsse bei den bevorstehenden Belastungen "vorsichtig sein", argumentierte Bosz.

Auf HSV-Seite fand Trainer Gisdol, dass es trotz des 0:3 "nicht so viele Kritikpunkte"gäbe. Gibt es allerdings auch am Sonntag in Leverkusen eine Niederlage, es wäre die vierte in Serie, dann wäre der HSV wieder dort angekommen, wo er sich zuletzt meist aufgehalten hat: in der Abstiegskampf-Region.

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