Dortmund in der Europa League:"Wir haben große Lust auf diesen Wettbewerb"

Borussia Dortmund v FC Krasnodar - UEFA Europa League

Mühevoller Sieg: Adnan Januzaj bei einem Gewaltschuss gegen Krasnodar

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Als innovativer Vertreter seiner Zunft ist Thomas Tuchel bereits in diversen Rollen aufgetreten, seit er bei Borussia Dortmund die Position des Trainers übernommen hat. Beim zähen und in der Nachspielzeit erkämpften 2:1 (1:1)-Erfolg im ersten Gruppenspiel der Europa League gegen den russischen Vertreter FK Krasnodar trat der 42-Jährige nicht nur als sportlicher Leiter auf, sondern auch als Anwalt seiner Spieler.

Auf die Frage, ob das wenig inspirierte Auftreten seiner Mannschaft den Rahmenbedingungen der Europa League mit einer frühen Anstoßzeit, den vielen ungewohnten Lücken auf der Tribüne, dem Dauerregen und einem Gegner mit wenig klangvollem Namen geschuldet sei, erhob der bayerische Schwabe vehement Einspruch. Tuchels Miene verfinsterte sich, dann legte er los: "Wer erlebt hat, mit wie viel Spielfreude diese Mannschaft im Pokal in Chemnitz oder in der Qualifikation zur Europa League gespielt hat, kann diese Kausalkette komplett vergessen", wetterte Tuchel: "Wir haben große Lust auf diesen Wettbewerb."

Nachlässigkeiten in der Defensive

Dennoch wird auch dem Mann auf der Dortmunder Bank nicht entgangen sein, wie wenig inspiriert die Vorstellung seiner Belegschaft über weite Strecken war, und wie schwer sie sich mit dem Außenseiter aus Russland getan hatte. Zehn Siege in zehn Pflichtspielen hat der BVB unter Tuchel mittlerweile in drei Wettbewerben gesammelt. Eine eindrucksvollere Bilanz für einen Neuling dürfte im deutschen Profifußball schwerlich zu finden sein. Und doch dokumentierten die 90 Minuten gegen Krasnodar, dass sich diese tolle Bilanz schnell relativieren könnte, wenn sich die Mannschaft zurücklehnt und das Erreichte genießt.

Genau an diesem Punkt wird Tuchel ansetzen, wenn er seine Spieler auf die kommenden Aufgaben vorbereitet. Denn trotz des positiven Resultats zeigte der Auftritt gegen den Tabellensechsten der russischen Liga, der nach frühem Rückstand durch die beiden Tore der Außenverteidiger Matthias Ginter (45. Minute) und Joo Ho Park in der Nachspielzeit der zweiten Hälfte veredelt wurde, deutliche Schwächen.

Vor allem in der Defensivarbeit gab es viele Nachlässigkeiten. Bislang hat Tuchel stets die seriöse Arbeitshaltung seiner kickenden Belegschaft hervorgehoben, doch an diesem nasskalten Abend fiel es seinen Spielern offensichtlich schwer, sich ihrer Aufgabe vorbehaltlos zu widmen. Marcel Schmelzer war froh, "dass wir das Spiel nicht verloren haben", und Kapitän Mats Hummels betonte, "wir haben Glück gehabt, uns keinen weiteren Konter gefangen zu haben".

"Herausforderer in allen Wettbewerben"

Auch im Spiel nach vorne gab es Konzentrationsmängel zu beanstanden. Seit Wochen darf sich Tuchel mit der Frage beschäftigen, wie es möglich ist, in Zeiten des permanenten Erfolgs konzentriert zu bleiben. Das ist fürwahr ein Luxusproblem. Und doch wird es mit jedem Sieg dringlicher, weil nicht nur der Anspruch wächst, sondern auch die Gefahr, dass die Mannschaft nachlässig wird.

Dortmunds Trainer sieht das und ist permanent bemüht, entgegenzuwirken. Auch, weil das Umfeld aufgrund der imposanten Siegesserie in drei Wettbewerben immer dringlichere Ansprüche formuliert. Neulich hat Tuchel auf die Mutmaßung, seine Mannschaft befinde sich bereits wieder auf gleicher Augenhöhe mit Branchenführer Bayern München, mit deutlicher Ablehnung reagiert: "Die Wertschätzung für das nächste Training, für den nächsten Schritt geht verloren, wenn wir den Blick zu weit heben."

Der Arbeitsauftrag: bescheiden bleiben

Konkret bedeutet der Arbeitsauftrag: nicht abheben, die kleinen Aufgaben sehen, bescheiden bleiben, seriös arbeiten. Der Rest ergebe sich dann von allein. Nachhaltig durchgedrungen ist der Pädagoge bei seinen Spielern damit offensichtlich nicht. Sonst hätte Marco Reus, der derzeit aufgrund eines Zehenbruchs zuschauen muss, vor dem Spiel gegen Krasnodar nicht verkündet, nach dem Finale am 18. Mai 2016 den Euro-League-Pokal in den Himmel über Basel stemmen zu wollen.

Tuchel hat die vollmundige Ankündigung von Reus tapfer weggelächelt und seine Wahrheit dagegengestellt. Seit seiner Vorstellung Anfang Juni wiederholt er gebetsmühlenartig, seine Mannschaft sei "Herausforderer in allen Wettbewerben". Die 90 Minuten gegen Krasnodar bieten Tuchel genügend Anschauungsmaterial, um seiner Belegschaft nochmals zu verdeutlichen, warum eine solche Bescheidenheit ratsam erscheint. Bis Sonntag hat Tuchel Zeit, zu seinen Spielern durchzudringen. Dann kommt mit Bayer Leverkusen eine Mannschaft zum Bundesliga-Gastspiel, die Nachlässigkeiten mit Sicherheit wesentlich härter bestraft.

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