Dortmund gewinnt den DFB-Pokal:Borussen führen Bayern vor

BVB feiert ein rauschhaftes Fest: Meister Borussia Dortmund besiegt den FC Bayern München im Finale des DFB-Pokals deutlich mit 5:2 und holt zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte das Double. Dabei sind die Münchner in der ersten Halbzeit die bessere Mannschaft, hadern aber mit schlimmen Fehlern in der Abwehr. Auch Torwart Manuel Neuer greift daneben.

Thomas Hummel

Bastian Schweinsteiger legte sich auf dem Rasen mit jedem an, der ihm auf Beinlänge nahekam. Uli Hoeneß blies auf der Tribüne die Backen auf, Manuel Neuer ließ den Kopf hängen - der FC Bayern München war am Ende dieses Abends im Berliner Olympiastadion so deprimiert wie schon lange nicht mehr. "Wir haben defensiv eine katastrophale Leistung gebracht", schimpfte Trainer Jupp Heynckes, sein Kapitän schloss sich der Kritik an: "Wenn man sieht, was wir für Fehler machen vor den Gegentoren, dann ist das bitter."

2:5 waren sie gegen Borussia Dortmund untergegangen, eine der höchsten Niederlagen, die der Nobelklub im Pokal je hinnehmen musste. Und die fünfte Niederlage gegen den Rivalen aus dem Ruhrpott in Folge. Und was für eine.

Schon Minuten vor dem Ende des Spiels hüpften die Dortmunder Spieler und Fans siegesgewiss umher, schwenkten Fahnen und Trikots. Zum ersten Mal gewinnt die Borussia das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal. Drei Tore von Robert Lewandowski, einmal Shinji Kagawa und ein Elfmetertor von Mats Hummels sicherten den Sieg, die Münchner konnten nur durch Arjen Robben zum zwischenzeitlichen 1:1 und Franck Ribéry dagegenhalten. "Das ist ein Tag, der vermutlich bei jedem von uns als einer der erfolgreichsten in die Karriere eingeht", schwärmte Mats Hummels nach dem Schlusspfiff.

FC Bayern München gegen Borussia Dortmund - es war das Beste angekündigt, was der deutsche Fußball gerade zu bieten hat. Zweiter gegen Erster, Champions-League-Finalist gegen zweimaligen Meister, Rekordmeister gegen besten Meister aller Zeiten mit 81 Punkten. Zehn Mitglieder aus dem DFB-Kader von Joachim Löw dabei, der Bundestrainer selbst natürlich auf der Haupttribüne.

Drei seiner EM-Fahrer saßen zunächst allerdings auf der Bank: bei den Dortmundern der Langzeitverletzte Mario Götze sowie Sven Bender. Bei den Münchnern Thomas Müller, dafür sollte Luiz Gustavo wieder in der Zentrale das Gegengewicht zu den Dortmunder Zweikämpfern geben.

Der Brasilianer hatte seinen ersten prägenden Einsatz nach genau 2:30 Minuten. Er spielte einen genau bemessenen Traumpass in den freien Raum, der alle Abwehrspieler überraschte. Allerdings überraschte er seine eigenen Abwehrspieler: Luiz Gustavo passte in den eigenen Strafraum, wohin der Dortmunder Jakub Blaszczykowski lief. Der Pole legte am herausstürzenden Manuel Neuer vorbei quer auf Shinji Kagawa, der den Ball zum 1:0 für Dortmund ins leere Tor schoss. Es war das schnellste Tor in der DFB-Pokal-Finalgeschichte und der Beginn eines Spiels mit wuchtigen Knalleffekten.

Kurz darauf begann das Drama von Roman Weidenfeller. Bei seinem ersten Einsatz prallte er mit Bayern-Stürmer Mario Gomez zusammen und blieb mit Schmerzen im Rasen liegen. Vier Minuten kümmerten sich die Dortmunder Therapeuten um den Torwart, Weidenfeller schnaufte tief, krümmte seinen Körper, verzerrte das Gesicht. Dann rappelte er sich auf und trottete wieder in sein Tor. Doch das hätte er wohl lieber bleiben lassen.

Weidenfeller muss ins Krankenhaus

Das zweite Duell mit Mario Gomez verlor er eine Viertelstunde später wieder. Diesmal kam er beim Herauslaufen so deutlich zu spät, dass selbst die Dortmunder Fans auf der Tribüne Elfmeter gepfiffen hätten, auch die gelbe Karte hätten sie ihm gezeigt. Es folgte die Revanche von Arjen Robben, der vier Wochen zuvor in Dortmund noch an Weidenfeller gescheitert war. Der selbstbewusste Niederländer lief wieder an, schoss ins gleiche Eck wie damals und traf zum 1:1 (24.). Robben riss daraufhin nicht die Arme nach oben, sondern lief Richtung Dortmunder Kurve und blickte so grimmig drein wie ein Kopfgeldjäger im Wilden Westen, der gerade die ganze Bande von Butch Cassidy und Sundance Kid alleine ins Jenseits befördert hat.

Es war die Phase, in der die Münchner einen neuen Plan offenbarten: Sie attackierten früh, ließen dem Gegner keinen Raum und keine Zeit. Und das zeigte Wirkung. Die Dortmunder fanden keinen Weg in die Offensive, spielten ungewöhnliche Fehlpässe und sahen einen Bayern-Angriff nach dem anderen auf sich zukommen. Die größte Chance zu einer Münchner Führung hatte Philipp Lahm nach Vorarbeit von Franck Ribéry, Lahms Schuss blockte Mats Hummels vor der Linie. Kurz darauf verließ Weidenfeller den Platz und wurde mit einer Rippenverletzung direkt ins Krankenhaus gebracht. Für ihn kam der 23-jährige Australier Mitchel Langerak, vier Einsätze in dieser Saison. Trainer Jürgen Klopp nahm Langerak kurz in den Arm und lächelte ihn mit seinem typischen Lächeln an, das ausdrückte: Alle haben nun Angst, das könnte schief gehen - ich nicht!

Doch wo war nur der Dortmunder Esprit? Das berühmte Gegenpressing? Der Behauptungswille der Offensive? Nur ein Torschuss gab der Meister ab bis zur 39. Minute. Doch der zweite war schon wieder drin. Ein verunglückter Schuss von Marcel Schmelzer landete bei Blaszczykowski und als der sah, dass Verteidiger Jérome Boateng angeflogen kam, reichte ein Haken. Boateng senste den Polen fachgerecht zu Boden, selbst die Bayern-Fans hätten Elfmeter gegen den eigenen Klub gegeben. Hummels verwandelte etwas glücklich gegen Neuer - die schwächere Mannschaft führte wieder. Und gleich darauf sogar 3:1.

In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit irrte die Bayern-Abwehr über das Feld, David Alaba verlor gegen Kagawa den Ball aus den Augen, Boateng und Badstuber hechelten hinter Robert Lewandowski her, Kagawa spielte einen messerscharfen Pass zum Polen, der Torwart Neuer mit einem Beinschuss überwand (45. + 1). Alex Ferguson, Manager von Manchester United, saß auf der Tribüne, und hat wohl spätestens in diesem Moment beschlossen, diesen Japaner zu kaufen. Wie viel er auch kosten möge.

Obwohl die Dortmunder das wohl schwächste Spiel seit langem zeigten, und auch das schwächste Spiel gegen den FC Bayern seit zwei Jahren, führten sie in der Halbzeit deutlich. Manager Michael Zorc diagnostizierte: Das Ergebnis stimme, "aber wir hatten Probleme, auf den die Außenpositionen konnten sich die Bayern immer wieder durchspielen".

Während die Münchner sich vermutlich in der Kabine ratlos angesehen haben und fragten: Was sollen wir nur tun? Jetzt waren wir doch besser und liegen gegen diese vermaledeiten Dortmunder wieder zurück. Jedenfalls wirkten die Münchner auf dem Platz immer ratloser.

Bayern-Trainer Jupp Heynckes schickte den offensiven Thomas Müller für den defensiven Luiz Gustavo rein. Doch das bewirkte nur, dass der Gegner nach Ballgewinn das weite Feld zum Kontern vor sich hatte. Einer dieser Gegenstöße lief über Kagawa, der seelenruhig auf Kevin Großkreutz passte, der den Ball Bastian Schweinsteiger seelenruhig durch die Beine spielte auf Lewandowski, der den Ball seelenruhig zum 4:1 ins lange Eck knallte. Nach 57 Minuten deutete sich eine Demontage an für den Rekord-Pokalsieger.

Schon spielten die Dortmunder die ersten Pässe mit der Hacke, versuchten Dribblings gegen drei, vier Gegner. Lewandowski scheiterte auf dem Weg zum 5:1 erst an Neuer (67.) - doch im Gegenzug zeigte Ribéry seinen Willen, sich das hier nicht gefallen zu lassen. Seine Flanke köpfte Mario Gomez an die Latte (68.). Eine Viertelstunde vor Schluss versetzte er am Strafraum drei Dortmunder und schoss selbst zum 2:4 ein. Die Hoffnung aber währte nicht lange. Manuel Neuer kam aus dem Tor und holte sich vor Blaszczykowski den Ball, verlor ihn aber wieder, der Pole flankte auf seinen Landsmann Lewandowski, der mit seinem dritten Tor zum 5:2 das Pokalfinale endgültig entschied (81.). Kurz zuvor war Kagawa ausgewechselt worden und hatte mit der gesamten Dortmunder Ersatzbank abgeklatscht. Sein Abschied nach Manchester könnte der einzige traurige Aspekt des Abends für die Borussia sein. Denn bei der Pokalübergabe war auch Roman Weidenfeller wieder da.

Und die Bayern, die haben in einer Woche zu Hause, oder dahoam, ja noch ein Spiel.

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