Dortmund-Flagge auf der Arena:Gekapertes Schalke

Ein Bauarbeiter entweiht die Schalker Arena und platziert auf dem Dach eine schwarz-gelbe BVB-Flagge. Ganz Dortmund jubelt über diesen seltenen Coup, doch die Aktion war hochgefährlich.

Carsten Eberts

Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Wie konnte der Arbeiter ungestört auf das Stadiondach gelangen? War seine Tat von langer Hand geplant? Man malt sich jedenfalls aus, wie der unbekannte Dortmund-Fan seinen Fußballkumpels kleinlaut gestand, er würde nun als Schneeschipper bei Schalke 04 arbeiten - und wie in den Köpfen, nachts bei Pizza und günstigem Bier, dieser ganz und gar teuflische Plan reifte. Von einer wehenden Fahne, ganz in Schwarz und Gelb, auf dem Dach der Arena zu Schalke, ganz in Weiß vom vielen Schnee. Das Stadion des Rivalen - einfach entweiht.

Liga-Rekord: Höchstzahl an Dauerkarten verkauft

Eine einzige Dortmund-Fahne genügte schon für große Aufregung bei Schalke 04.

(Foto: dpa)

Der Plan ging jedenfalls auf. In der Nacht zum Mittwoch wehte eine schwarz-gelbe Flagge auf dem Dach der Schalker Veltins-Arena. Nicht ausladend, vielleicht 1,20 Meter auf ein Meter groß, jedoch deutlich sichtbar. "Dieser Scherz geht zu weit", ereiferte sich Ulrich Dargel, der Arena-Chef höchstpersönlich: "Der betreffende Arbeiter wird unsere Baustelle nie mehr betreten. Er war zum Schnee-Schippen hier und nicht, um unsere Arena zu dekorieren. Unglaublich, wie einer so unsensibel sein kann."

Auf Dortmunder Seite hingegen konnte man sich das Schmunzeln nicht verkneifen. "Der Typ, der das gemacht hat, ist eine Sensation", sagte etwa Akki Schmidt, Fan-Beauftragter des BVB: "Und verdammt mutig. Das muss ein echter Dortmunder gewesen sein."

Natürlich lieferte der echte Dortmunder mit seinem Tun nicht gerade den Gipfel der Gefühligkeit. Als wären 21 Punkte Vorsprung in der Tabelle (in Worten: einundzwanzig!) auf den Rivalen nicht genug, nun also auch noch diese Fahne. Eigentlich in bester Seefahrertradition, wenn ein gekapertes Schiff von Piraten neu beflaggt wird. Oder der uralte Maibaumscherz, wenn ein Dorf dem anderen den großen Baum vom Marktplatz klaut. Hatten die Schalker ihre Arena nicht ordnungsgemäß bewacht?

Am Tag danach hören sich die Worte des Arena-Leiters milder an - jedoch nicht weniger besorgt. "Natürlich kann ich über Scherze lachen, aber mit Mut hat das nichts zu tun", sagt Dargel zu sueddeutsche.de.

Es sei schließlich eisernes Gesetz jeder Baustelle, dass diese kein Bauarbeiter eigenmächtig und ungesichert zu betreten hat. "Das da oben ist kein Kinderspielplatz", sagt Dargel, "da gibt es klare Sicherheitsvorkehrungen. Und die wurden massiv verletzt." An der höchsten Stelle ist das Dach über 53 Meter hoch.

Löcher im Dach

Mit seinem Dach hat Schalke 04 ohnehin genügend Probleme. Die Schneemassen haben die empfindlichen Dachmembranen an sechs Stellen beschädigt, betroffen ist eine Fläche von rund 6000 Quadratmetern. 28 Mitarbeiter sind derzeit auf dem Dach tätig, teilweise auf schiefem Untergrund, um das Dach vom Schnee zu befreien. Die "World Team Challenge" der Biathleten, die am Donnerstag stattfinden sollte, wurde bereits abgesagt. Zum Bundesligaspiel am 15. Januar gegen den Hamburger SV müssen wohl einige Fans unter freiem Himmel sitzen.

Der Dortmund-Fan ist seinen Job jedenfalls los. Arena-Boss Dargel erzählt, wie der junge Mann bedröppelt in seinem Büro stand, sich ordnungsgemäß entschuldigte, seinen Fehler ehrlich bedauerte. "Mir tut der Junge ja auch irgendwie leid", sagt Dargel, "aber ich muss meinen Bauleiter mit der Entscheidung unterstützen."

Dass es sich um eine Dortmund-Fahne handelte, sei letztlich egal: "Da hätte auch eine Schalke-Fahne sein können. Glauben Sie mir, ich habe doch gar nichts gegen Borussia Dortmund."

Bleibt der Eindruck in den Köpfen der BVB-Fans. "Geil, der Dachdecker kriegt einen Orden", schreibt einer im BVB-Forum. "Magath hat vor der Turnhalle die gesamte Mannschaft ran zitiert zum gemeinschaftlichen Heulen und Jammern", glaubt ein anderer.

Immerhin, so kann man den Schalke-Fans zugute halten, ist der Dortmunder Streich kein Unikum in der deutschen Fußballgeschichte. Entweihte Stadien gab es schon häufiger, unter anderem 2008 in München: Vor dem bislang letzten Derby zwischen dem FC Bayern und dem TSV 1860 München wurde das alte Grünwalder Stadion Opfer eines Anschlags. Genauer gesagt die Westkurve, das Allerheiligste der 1860-Fans, die von Bayern-Ultras mit rot-weißer Farbe angestrichen wurde.

In Gefahr gebracht haben sich die Bayern-Scherzkekse dabei jedoch nicht - und sie waren auch nicht bei 1860 angestellt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: